Im Schatten des Feldmarschalls: Geschichten aus dem Powder-Mage-Universum. Brian McClellan
Читать онлайн книгу.als einem Monat an die Sklavenhändler verkauft werden. Verundish bemühte sich, aufzustehen. Ihr ganzer Körper zitterte.
Die Ärztin zwang sie sanft zurück ins Bett. »Warten Sie, Frau Oberst. Bitte beruhigen Sie sich.«
»Ich muss aufstehen.«
»Der Feldmarschall wird jeden Moment hier sein, Frau Oberst.«
Feldmarschall Beravich war auf dem Weg, um sie zu sehen? Warum um alles in der Welt wollte er sie sehen?
»Verundish. Ich bin Captain Verundish.«
»Da liegen Sie leider falsch«, sagte eine männliche Stimme von der Tür. »Frau Doktor, würden Sie uns einen Moment alleine lassen?« Die Ärztin nickte und verschwand von Verundishs Seite, wo General Tamas ihren Platz einnahm. »Guten Morgen, Frau Oberst.« Tamas setzte sich neben ihr Bett.
»Sir?«, fragte sie schwach.
»Sie sind jetzt Oberstleutnant, Verundish. Die erforderlichen Papiere wurden schon vor drei Wochen ausgefüllt, aber ich werde erst Ihre Genesung abwarten, bevor ich Ihnen ein Bataillon zuweise.«
Das war unmöglich. Sie konnte es nicht glauben. Sie war zwei volle Ränge befördert worden. Mit Sicherheit hatte sie das nicht verdient, nicht mal nachdem sie ein Himmelfahrtskommando angeführt hatte. »Ich … vielen Dank, Sir.«
Tamas wischte ihre Worte mit einer Hand beiseite.
»Sir, war ich wirklich vier Wochen lang ohnmächtig?«
»Die meiste Zeit über waren Sie in einem Malarausch, um die Schmerzen zu betäuben. Wenn man so wie Sie von Privilegierten-Feuer verbrannt wird, fügt das einer gewöhnlichen Person großen physischen und mentalen Schaden zu.«
»Ich verstehe.«
Tamas nickte. Seine Gedanken waren eindeutig woanders.
»Feldmarschall Beravich?«
Tamas’ Mundwinkel zuckte nach oben. »Was soll mit ihm sein?«
»War er auf dem Weg hierher?«
»Ich fürchte, Beravich ist tot. Zwei Tage nachdem wir Darjah eingenommen hatten, wurden seine eigenen Streitkräfte von gurlischen Partisanen überrannt. Ich kann Ihnen versichern, dass sein Tod gerächt wurde.«
»Oh.« Verundish brauchte ein paar Momente, um die Nachricht zu verarbeiten und ihre Bedeutung nachzuvollziehen. »Glückwunsch, Sir.«
Feldmarschall Tamas senkte den Kopf zu einer bescheidenen Verbeugung.
Er stand auf, streckte sich und schaute zu dem Lichtstrahl hoch, der durch das Fenster über ihnen hereinschien. »Jetzt, wo Sie wieder bei Sinnen sind, verschaffen wir Ihnen ein ordentliches Zimmer. Sie werden langsam vom Mala loskommen müssen. Mir wurde gesagt, dass es mehrere Monate dauern wird, bis Sie bereit sind, Ihr Kommando anzutreten.«
Verundish bemühte sich, sich aufzusetzen, schaffte es aber nicht. Die Anstrengung ermüdete sie. Mehrere Monate? Sie musste sofort zurück nach Adro. Sie musste zurück, bevor ihr Ehemann seine Drohung wahrmachen konnte. Selbst das schnellste Schiff würde es womöglich nicht schaffen, sie rechtzeitig nach Hause zu bringen.
Tamas beobachtet ihre Bemühungen mit hochgezogener Augenbraue. »Wollen Sie irgendwo hin, Oberst?«
»Sir.« Verundish versuchte, nicht verzweifelt zu klingen. »Ich muss nach Adro zurückkehren. Um mich um persönliche Angelegenheiten zu kümmern.«
»Das kann ich leider nicht erlauben«, sagte Tamas. »Sie werden gebraucht. Ich habe vor, diesen verdammten Krieg bis zum Winter zu beenden, und dann können wir alle nach Hause.«
Bis dahin würde Genevie nicht mehr da sein. Sie würde weg sein, verkauft in die Sklaverei, und benutzt wie eine … Verundish drückte ihre Augen zu in dem Versuch, die Tränen zurückzuhalten.
»Oberst?«
»Sir?«
»Gibt es irgendwas, was Sie mir sagen wollen, Oberst?«
»Nein, Sir.«
Einige Momente lang herrschte Stille; Tamas schaute weiterhin nicht zu ihr, sondern hoch zu dem Fenster. »Stolz«, sagte er, »ist schon etwas Seltsames.«
»Sir?«
»Wir lassen zu, dass wir und die Menschen, die wir lieben, so viel Leid erfahren, nur um dieses Gefühl in unserer Magengrube zu besänftigen. Manchmal beneide ich die Menschen, die sich ihr Urteilsvermögen nicht von ihrem Stolz trüben lassen.«
Verundish traute es sich selbst nicht zu, etwas zu sagen.
Tamas fuhr fort. »Der Erzdiözel von Adro schuldet mir einen Gefallen. Ihre Scheidungspapiere sollten in etwa«, er hielt inne, so als müsse er über das genaue Datum nachdenken, »ein bis zwei Wochen genehmigt werden. Ihre Tochter wird bis zu Ihrer Rückkehr in der Obhut Ihrer Eltern bleiben. Wenn ich jetzt in Adro wäre, würde ich Ihren Ehemann selbst zum Duell herausfordern und töten. Meiner Meinung nach sollten Kinder nicht unter den kleinlichen Streitigkeiten von Erwachsenen leiden müssen.«
Verundish spürte, wie die Anspannung von ihrem Körper abfiel und sie die Tränen nicht länger im Zaum halten konnte. »Da stimme ich Ihnen zu, Sir. Vielen Dank.«
Tamas tat einen tiefen Atemzug. »Normalerweise mische ich mich in solche Dinge nicht ein, aber wie Sie vielleicht wissen, habe ich selbst einen Sohn, der gerade mal zwei Jahre alt ist. So etwas nehme ich … persönlich.«
»Wenn ich fragen darf, Sir, wie haben Sie es herausgefunden?«
»Können Sie sich das nicht denken?«
Constaire. Natürlich. Ein Mann ohne Stolz. Der dämliche Narr hatte ihr gerade das Leben gerettet. Irgendetwas regte sich in Verundish.
»Oh«, fügte Tamas hinzu, als er die Tür öffnete, um zu gehen. »Major Constaire hat mich darum gebeten, Sie beide zu verheiraten. Wenn Sie das ebenfalls wünschen, könnten wir uns darum kümmern, sobald Ihre Scheidung offiziell ist.«
Major Constaire. Er hatte seine Beförderung dafür erhalten, dass er die zweite Angriffswelle gegen Darjah angeführt hatte.
Verundish konnte sich das Lächeln nicht verkneifen. »Es wäre mir eine Ehre.«
»Gut.« Ein Lächeln huschte über Tamas’ ernstes Gesicht, und dann war er verschwunden.
DAS MÄDCHEN VON HRUSCH AVENUE
Zehn Jahre vor den Ereignissen aus »Blutschwur«
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