Komm mit mir, liebes Hausgespenst. Marie Louise Fischer
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Marie Louise Fischer
Komm mit mir, liebes Hausgespenst
SAGA Egmont
Komm mit mir, liebes Hausgespenst (Band 6)
Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
Copyright © 2018 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de)
represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)
Originally published 1980 by F. Schneider, Germany
All rights reserved
ISBN: 9788711719688
1. Ebook-Auflage, 2018
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach
Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.
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Gewonnen!
„Ein Brief für dich!“ rief Frau Schmidt von der Küche her, als Monika aus der Schule nach Hause kam.
„Für mich?“ wiederholte Monika und merkte selber, daß dies etwas dämlich oder – wie man bei ihr in Bayern sagen würde – deppert klang. Aber Tatsache war, daß sie so gut wie nie Post erhielt. Sie lebte mit ihren Eltern und Geschwistern in einem schönen alten Haus an einem Seerosenteich auf dem Land, und alle ihre Freunde wohnten in der Nähe. Ingrid, die Tochter eines Gymnasiallehrers, lebte mit ihren Eltern im letzten Haus von Heidholzen, dem Weiler, zu dem auch das Haus am Seerosenteich gehörte. Norbert, der mit Monika und Ingrid befreundet war und in die gleiche Klasse ging, wohnte mit seinen Eltern in einer Etagenwohnung in Geretsried, dem nächsten größeren Dorf, in dem sie alle drei zur Schule gingen. Gabi, Monikas Freundin aus früheren Zeiten, lebte in München, aber sie schrieb nie, rief höchstens an.
Monika fiel also wirklich nicht sogleich ein, woher sie Post bekommen haben konnte.
Der Brief lag auf dem Garderobenständer, und sie entdeckte ihn, noch ehe sie aus ihrem Anorak geschlüpft war. Der grüne Aufdruck fiel ihr sofort ins Auge.
„Er ist von der Abendzeitung!“ schrie sie.
„Na und?“ antwortete die Mutter aus der Küche.
„Da hab ich doch beim Preisausschreiben mitgemacht! Du weißt, wo man die richtigen Texte zu den richtigen Bildern bringen mußte!“ Monika ließ ihre Mappe auf den Boden fallen, grapschte nach dem Brief und rannte in die Küche.
Frau Schmidt machte Salat an. „Na, ausziehen hättest du dich schon erst können.“
Monika riß den Umschlag auf. „Später, Mutti, später… das ist viel zu aufregend.“ Ihre Wangen brannten, ihre grünen Augen funkelten, und sogar ihr rotes, glattes Haar, das sie mit Gummibändern zusammenhielt, schien zu sprühen.
„Na, du bildest dir doch wohl hoffentlich nicht ein, den ersten Preis gewonnen zu haben?“ fragte Frau Schmidt und mischte gelassen den Salat.
Monika sagte erst gar nichts und überflog den Brief. Dann ließ sie ihn sinken und sah ihre Mutter an. Von einer Sekunde zur anderen wurde sie ganz blaß.
„Was hast du?“ fragte Frau Schmidt erschrocken. „Ist dir nicht gut?“
„Ich hab ihn“, sagte Monika tonlos.
„Was hast du?“
„Ich hab ihn!“ Monikas Wangen röteten sich wieder. „Den ersten Preis!“ Sie umarmte ihre Mutter und wirbelte sie durch die große alte Küche. „Ich habe gewonnen, gewonnen, gewonnen! Eine Kreuzfahrt durch die Karibik und eine Woche Aufenthalt für zwei Personen auf Nassau!“
„Nicht so wild, Monika! Laß mich aus, mir wird ja ganz schwindelig!“
„Mutti, Mutti, was sagst du denn dazu? Ist das nicht herrlich?“
„Ich kann es gar nicht glauben! Zeig mir den Brief!“
Monika ließ ihre Mutter los und reichte ihr das Schreiben. „Du glaubst wohl, ich kann nicht lesen?“ Sie hielt sich den Bauch vor Lachen.
„Tatsächlich!“ Frau Schmidt las. „Du hast gewonnen! Ist es denn die Möglichkeit!“
„Na, einer muß doch den ersten Preis machen!“
„Aber gerade du! Ich wußte gar nicht, daß du so ein Glückskind bist.“
Die Worte griff Monika sogleich auf. „Ich bin ein Glückspilz!“ Sie tanzte auf einem Bein und rief ins Leere: „Amadeus, alter Junge! Hast du’s schon gehört… ich bin ein Glückspilz!“
„Monika, ich bitte dich, laß das Gespenst erst mal aus dem Spiel…“
„Aber er muß doch wissen, daß ich verreise! Und außerdem hat er es nicht gern, wenn man ihn als Gespenst bezeichnet.“
„Deshalb brauchst du doch nicht gleich mit ihm Verbindung aufzunehmen. Er erfährt ja doch alles, was in diesem Haus vorgeht.“
„Aber er könnte es übelnehmen, wenn ich es ihm nicht sofort erzähle.“
Dieses Gespräch könnte auf manchen, der von Amadeus, dem Hausgespenst, noch nie etwas gehört oder gelesen hat, reichlich merkwürdig wirken. Deshalb möchte ich gleich erklären, was es mit Amadeus auf sich hat. Es gibt ihn wirklich. Es ist ein Kobold von der Art, von der viele im Haus und im Garten herumgeistern, nur daß wir sie nicht sehen und meist auch nicht einmal fühlen. Aber dieser Kobold ist in die Gestalt eines Jungen geschlüpft, der vor etwa 200 Jahren im Seerosenteich ertrunken ist, und seitdem gespenstert er im Haus, auf der großen Wiese davor, im Stall, im Garten und sogar in der Ruine des alten Schlosses herum, die auf einem Hügel hinter dem Haus steht. Meist ist er unsichtbar, aber er kann sich auch als Amadeus sichtbar machen. Durch sein Unwesen hat er die früheren Bewohner des schönen alten Hauses vertrieben. Selbst die Schmidts waren nahe daran aufzugeben, so sehr sie sich auch gewünscht hatten, auf dem Land zu leben. Denn wenn man keine Nacht schlafen kann und einem auch tagsüber die Gegenstände um die Ohren fliegen, macht einem auch die schönste Behausung keinen Spaß. Zum Glück war es Monika gelungen, Freundschaft mit Amadeus zu schließen. Seitdem macht er zwar immer noch die tollsten Späße – denn völlig unbeachtet kann und mag ein Kobold nicht –, leben aber wenigstens läßt er die Schmidts nachts gut schlafen.
Wer die Schmidts sind? Nun, da ist erst einmal Monika, die wir schon kennen. Ihre Mutter Hilde Schmidt sieht ganz ähnlich aus, aber ihr Haar ist hellblond, und ihre Linien sind rundlicher. Womit nicht gesagt sein soll, daß sie dick ist. Nur: Monika ist dünn wie ein Bindfaden. Außerdem gibt es noch eine Schwester, Liane, sehr hübsch und sehr eitel und modebewußt, sechzehn Jahre, und Bruder Peter, zwölf, etwas mürrisch und grob, weil er sich zwischen diesen drei weiblichen Wesen und dem Hausgespenst, gegen das er sich nicht wehren kann, ziemlich eingekeilt fühlt. Ein Vater Schmidt ist auch da. Er heißt Max und ist kaufmännischer Angestellter. Aber viel lieber arbeitet er mit den Händen. Er ist glücklich, wenn er etwas zu sägen oder zu mauern findet.
Ja, und dann sind da noch Kaspar, ein großer, bernhardinerartiger Hund, der eigentlich Peter gehört. Doch Peter nimmt ihn zwar gelegentlich mit auf seine Streifzüge durch Wiesen und Wald, versorgt wird er aber von Monika. Sie ist es, die ihm sein Futter gibt und ihn regelmäßig bürstet. Kaspar hat auch seine liebe Last mit dem Hausgespenst, vor dem er sich schrecklich fürchtet. Wenn Amadeus – ob nun sichtbar oder unsichtbar – in der Nähe ist, sträuben sich ihm sofort die Haare. Sehen läßt sich Amadeus übrigens nur vor Monika.
Mit zur Familie müssen wir wohl auch Bodo rechnen. Bodo ist ein Pferd, ein schwerer Hannoveraner,