Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

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Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein


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KAPITEL 12 Der abgehobene Zocker

       Uli Hoeneß als Börsenjunkie und Steuersünder

       Was für ein Schock! / Selbstanzeige mit Tücken / Die Kunst des Aussitzens / Vor den Schranken des Gerichts / Das Urteil und der Rücktritt

       NACHBETRACHTUNG Ein Unikatischer – streitbar und umstritten

       Uli Hoeneß in der Statistik

       Uli Hoeneß in Bildern

       Der Autor

      EINLEITUNG

       Die Geschichte des »Mister Bayern«

      Jeder kennt Uli Hoeneß, den heutigen Präsidenten und früheren Manager des FC Bayern. Jeder weiß, dass seine Bedeutung größer ist, als es irgendwelche Amts- oder Funktionsbeschreibungen ausdrücken können. Denn jeder weiß auch, dass Uli Hoeneß der erfolgreichste und markanteste Fußballmacher in Deutschland ist. Der Mann, der mit über 60 Jahren noch voll unter Strom steht, hat den FC Bayern geprägt wie kein anderer. Er hat ihn wirtschaftlich, sportlich und sogar als gesellschaftliches Ereignis zur Nummer eins in Deutschland und inzwischen auch zum absoluten Spitzenklub in Europa gepusht. Ohne ihn stünde der Klub mit Sicherheit nicht dort, wo er jetzt steht.

      Hoeneß machte sich aber nicht nur als Wirtschaftsfachmann einen Namen, als Geldeintreiber, Vermarkter oder Bauherr der Allianz Arena, sondern er wirkte auch als Souffleur des Trainers, als Vertrauensperson für die Profis, als großzügiger Beschützer der Mühseligen und Beladenen sowie zuerst und vor allem als gute Seele des Vereins. »Hoeneß prägt Bayern München«, »Hoeneß lebt Bayern München«, »Hoeneß ist Bayern München« – so und ähnlich brachten die Kommentatoren das Wirken des Mannes auf den Punkt, der nicht nur Bayern München zu einer werthaltigen »Marke« gemacht hat, sondern auch selbst eine geworden ist. Mit der Bezeichnung »Patron Bavariae« schmückte ihn der »Kicker«, und sein Ehrentitel »Mister Bayern« ist heute so bekannt, dass jeder ohne Nennung des Namens weiß, wer damit gemeint ist.

      Uli Hoeneß, der schon als pfeilschneller Offensivspieler sämtliche Titel gewann, die es zu gewinnen gibt, ließ die Serie seiner Erfolge nicht abreißen, als er 1979 nach dem vorzeitigen Ende seiner sportlichen Karriere als 27-jähriger Manager beim FC Bayern einstieg. Unter seiner Regie errangen die Münchner bis 2013 nicht weniger als 18 deutsche Meistertitel sowie zwölf Siege im DFB-Pokal, dazu kamen internationale Titel wie vor allem der zweifache Triumph in der Champions League. Als Spieler, Manager und Präsident holte Uli Hoeneß insgesamt mehr als 50 Titel.

      Nicht weniger eindrucksvoll sind die in den über drei Jahrzehnten seiner Tätigkeit für den FC Bayern erzielten wirtschaftlichen Erfolge. Unter Hoeneß verwandelte sich der traditionell geführte Fußballklub in ein modernes Fußballunternehmen, das seinen Umsatz von 12 Mio. DM auf über 400 Mio. Euro steigerte. Mit seiner Fähigkeit, neue Entwicklungen immer frühzeitig zu erkennen und lange vor der Konkurrenz für seinen Klub zu nutzen, machte Hoeneß seinen FC Bayern zu einem Vorbild für innovative Vermarktungsstrategien, Kundenorientierung, solides Wirtschaften und Führungsstärke. Selbst für viele seiner Gegner steht außer Zweifel, dass Uli Hoeneß der beste Manager der Bundesliga war. Unumstritten sind auch seine Leistungen für den deutschen Fußball insgesamt. Hoeneß’ Vorreiterrolle bei der Aufrüstung des Fußballs zur Geldmaschine und sein Wirken als Medienmanager des deutschen Fußballs in den Verhandlungen um neue Fernsehverträge haben ihm den Ruf eines »Mister Bundesliga« eingebracht. Und innerhalb Europas sind die Bayern inzwischen ein Vorzeigeverein, der die Kriterien des »Financial Fairplay« so gut erfüllt wie kein zweiter.

      Uli Hoeneß’ Leistungen stehen also völlig außer Frage, umstritten blieb er aber stets als Person und Charakter. Als eiskalter Seelenverkäufer, gnadenloser Kapitalist, gerissenes Schlitzohr, selbstherrlicher Machtmensch und arroganter Besserwisser wurde er in den Augen vieler Kritiker zum Sinnbild für unersättliche Gier und millionenschwere Bayern-Erfolgsbesessenheit. Indem er sich in zahllosen Fernsehinterviews als aggressiver Provokateur und dauerwütender Choleriker präsentierte, machte er sich für eine große Zahl von Bayern-Feinden zum Buhmann des deutschen Fußballs. Andere hingegen wollen in diesen Hassgesang nicht einstimmen und bewundern ihn als cleveren Taktiker, ideenreichen Pfiffikus, visionären Strategen und vorbildlichen Unternehmer. Diejenigen, die ihn näher kennenlernen konnten, beschreiben ihn als selbstkritischen und nachdenklichen, weltoffenen und toleranten, treuen und zuverlässigen, gefühligen und großherzigen Menschen, den eine stete Hilfsbereitschaft und ein enormes Engagement für wohltätige Zwecke auszeichne.

      Nicht erst, seit er sich 2009 zumindest nominell aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hatte und nun als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender des FC Bayern amtierte, begann das Bild des »guten« Uli Hoeneß das des »bösen« zu überstrahlen. »Uli ist der Vater Teresa vom Tegernsee, der Nelson Mandela von der Säbener Straße und die Mutter aller Manager«, dichtete Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge blumig in seiner Laudatio zum 60. Hoeneß-Geburtstag im Januar 2012 vor 500 erlesenen und teils hochprominenten Gästen im Münchner »Postpalast«. Er musste nicht befürchten, dafür belächelt zu werden, denn er drückte damit eine Wertschätzung aus, die inzwischen auch in der öffentlichen Wahrnehmung überwog. Vor allem nach der sensationellen Verpflichtung des Star-Trainers Pep Guardiola im Januar 2013 prasselten in selten gesehener Presse-Einmütigkeit von überall her bewundernde Glückwünsche auf Uli Hoeneß hernieder. Mehrfach wurde, kaum gebrochen von Ironie, die Frage gestellt, ob der Mister Bayern, längst begehrter Vortragsredner bei den besten Unternehmen, gesuchter Ratgeber der führenden Politiker und anerkannt als Mann mit ausgeprägtem sozialem Gewissen, nicht als Vorbild für die ganze Gesellschaft tauge, ja, ob er nicht eigentlich sogar der wahre Bundeskanzler sei.

      Uli Hoeneß genoss den Hype um seine Person in der freudigen Erwartung, dass das Jahr 2013 nicht nur erneute wirtschaftliche Rekorde, sondern auch, nach der enttäuschenden Niederlage im »Finale dahoam« im Jahr zuvor, auch einen Erfolg von historischen Ausmaßen mit sich bringen würde, nämlich das erstmalige Titel-Triple aus Deutscher Meisterschaft, Gewinn des DFB-Pokals und Triumph in der Champions League. Tatsächlich sollten seine Bayern den absoluten Gipfel erstürmen – doch zuvor kam der plötzlich Sturz des Uli Hoeneß.

      Am 20. April 2013 schlug eine Meldung der Zeitschrift »Focus« aus heiterstem Himmel wie ein Bombe ein: Die Staatsanwaltschaft ermittle gegen Uli Hoeneß wegen eines Kontos in der Schweiz, er habe Steuern in Millionenhöhe hinterzogen. Ein ungeheurer Mediensturm zog nun über das Land, und plötzlich war Uli Hoeneß diskreditiert als Übeltäter ohnegleichen, als Steuerbetrüger, Börsen-Junkie, Schein-Heiliger und Doppelmoral-Apostel. Im Zuge dieser beispiellosen Hexenjagd war auch der Autor dieser Zeilen als »Hoeneß-Experte« unversehens gefragt wie nie und musste teils im Minutentakt auf aufgeregte Fragen reagieren: Hätten Sie ihm das zugetraut? War das abzusehen? Wie fühlt sich Uli Hoeneß jetzt, kann er noch schlafen? Was hat das für Konsequenzen? Die spontanen Antworten fielen etwa so aus: Wer Hoeneß’ vielschichtigen Charakter über all der Lobhudelei der letzten Monate nicht vergessen hat, weiß, dass ihm alles Mögliche zuzutrauen ist; abzusehen war der Skandal nicht, weil man von dem gewieften Macher zumindest einen weitaus weniger dilettantischen Umgang mit der Sache erwartet hätte; wahrscheinlich und gut vorstellbar ist, wie sich der schlaflose Hoeneß nachts schwitzend umherwälzt; falls sich die Vorwürfe bestätigen sollten, wäre gemäß den allgemein anerkannten Regeln von Anstand und Moral ein Rücktritt als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender des FC Bayern eigentlich unumgänglich. Fest stand nach diesem Tag jedenfalls: Die Geschichte des Uli Hoeneß, wie sie im Herbst 2009 in der Erstauflage dieses Buches vorgelegt wurde, musste zwar nicht völlig umgeschrieben, aber um ein entscheidendes Kapitel ergänzt werden.


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