Vae Victis - Band I. Nataly von Eschstruth

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Vae Victis - Band I - Nataly von Eschstruth


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ist hoch toupiert. Ein Reiherstutz, abermals von prunkender Steinagraffe gehalten, steigt wie eine kleine Fontäne empor!

      Obwohl sie einige Herren sehr galant umdrängen, hat sie doch nur Augen und Interesse für Herrn von Völkern, und weil ihr Blick beinahe etwas Zwingendes bekommt, und Bonaventura, der tadellos Wohlerzogene, sich jeder ihm noch fremden Dame der Gesellschaft sogleich vorstellen lässt, so tritt er auch diesmal, mehr höflich wie eifrig, an einen der Herren heran und bittet, ihn bekannt zu machen.

      „Mit besonderem Vergnügen, mein lieber Völkern! Gestatten gnädiges Fräulein —: ein Mann, vor welchem man bereits in den Zeitungen warnen sollte! Ein Vandale, welchem das Klirren zerbrochener Herzen nur eine angenehme Musik bedeutet! Im kirchlichen Taufregister unter dem blendenden Namen Bonaventura Freiherr von Völkern zum erstenmal angekreidet!“

      Lautes Gelächter.

      „Bitte, vergessen Sie nicht, Graf, wer, zum schönen Kontrast, diesem Kriminalverbrechen noch völlig unbestraft gegenübersteht!“ lächelte die junge Dame mit mehr herablassender wie verbindlicher Kopfneigung, als der so eigenartig Vorgestellte nur achselzuckend die Hacken vor ihr zusammenklappte. Der übermütige Dragonerleutnant kneift humorvoll das linke Auge zu.

      „Total überflüssig, Gnädigste! Ein echter, rechter Feldherr rekognosziert das Schlachtfeld schon vor Beginn aller lyrischen Feindseligkeiten und verschanzt sich am stärksten da, wo die grösste Gefahr droht —!“

      „Ah! Bravo! Fräulein von Heym, bedanken Sie sich für die Eloge!“ —

      „Eloge? Wie hässlich von Ihnen, Herr von Sacken, mich so aus allen Himmeln zu stürzen! Ich hielt den strategischen Vergleich für eitel Wahrheit!“

      „Famos! Da haben Sie’s, Barönchen! Nun gehen Sie hin und trinken Sie einen Liter Lysol!“

      „— Nein, um die Welt nicht! Soll als Schönheitswasser unbrauchbar sein, weil man meist einen etwas bläulichen Teint danach bekommt! Kann es nicht eine Pulle Sekt sein, Fräulein von Heym? Wenn er aus ollen, düchtigen Paradiesäpfeln gebraut ist, kann er auch zur Strafe für einen trinkfesten Mann werden!“

      Wieder ein jubelnder Beifall — der kleine Kreis vergrössert sich, neu Ankommende schieben sich sporenklirrend herzu, und Bonaventura benutzt den günstigen Moment, legt den Arm auf den seines Freundes Sacken und scherzt: „Da wir hier nur den französischen Erbfeind auf dem Büfett antreffen, bedarf dieser Lebensmüde einer strengen Aufsicht bei dem geplanten Attentat! Ich berichte Ihnen, gnädigstes Fräulein, wie viel Becher er auf Ihr Wohl getrunken und bei dem wievielten er den Geist aufgegeben!“

      „Geist! Geist! Renommieren Sie doch nicht so auf Kosten Ihres Intimus, lieber Völkern! Von Geist kann doch unmöglich mehr bei einem Jüngling die Rede sein, welchem die Pickelhaube schon seit acht Jahren die graue Masse aus dem Schädel drückt!!“ —

      „Erbarmen, Herr Major!“ —

      „Hart — aber gerecht!“

      „Nun nehme ich meine Puppe und gehe nach Hause!“ —

      „Hört, hört, sein Püppchen!!“

      „Na, adieu, Kleiner! Grüssen Sie Ihre Kinderfrau von mir!“ —

      Wieder übertönt das laute Gelächter die Antwort, — Bonaventura aber schiebt den Dragoner etwas gewaltsam aus dem Bannkreis des Fräulein von Heym, ohne darauf zu achten, dass die sentimentalen Augen ihm mit einem plötzlich recht scharfen Aufblitz folgen.

      „Nanu, Bonato — du engagierst sie nicht?“ —

      „Nein! Derart imponierte mir selbst der schöne Schellenbaum auf dem Kopf nicht!“

      „Aha — du stimmst für Herz und Hütte und verweigerst den Tanz um das goldene Kalb?“

      „Goldenes Kalb ist gut!“ Völkern lachte laut auf. „Verdient sie oder ihr Portemonnaie diesen schönen Titel?“

      „Na, hör’ mal! Lediglich der Geldbeutel! Fräulein Ellinor steht — was ihre persönliche Qualifikation betrifft — in dem Rufe, das Gras wachsen zu hören!“

      „Gott bewahre mich! — Wer ist denn diese weltschmerzlich angehauchte Dame, welche sich den Ballsaal durch Tränenschleier anzusehen scheint?“

      „Tränen? Sagen wir lieber Lupe, denn ich glaube, der blasiert müde Blick ist nur das Etui für ein Tranchiermesser!“

      „Donner und Doria! Du machst mich neugierig! Raus mit der wilden Katz’! Wer ist dieses Gretchen, welches meiner Ansicht nach mehr Fräulein wie schön ist?!“

      „Na, na! Jedenfalls kann sie die sieben mageren Kühe abwarten, denn sie ist die beste Partie der Saison!“

      „Ah .. Hut ab! — Bergwerke oder Warenhausaktien?“

      „Von allem grad das Beste nur! Rede dir nichts an den Hals, alter Junge! Ellinors Augen weinten Freudentränen bei deinem Anblick!“

      „O, wie nett!“ Bonaventura zwirbelte etwas nervös das kleine, kecke Bärtchen. „Dann interessieren mich etliche Details über sie natürlich doppelt!“

      „Mensch, weisst du faktisch nicht, wer dieses Goldfischchen ist?“ —

      „Ein Neugeborenes ist ein Auskunftsbureau gegen mich!“

      „So sammle Weisheit für die Zukunft! Also Ellinor von Heym ist ein reiches, sehr reiches Mädchen; Grossvater spekulierte mit viel Glück, besass ererbtes Terrain in einem Vorort Berlins, welches jetzt zur Goldgrube geworden!“

      „Ah — jeder Grashalm trug Dukatenfrüchte!“

      „So ist’s, mein Feldherr, und was der Grossvater gesät, ernten jetzt die Enkel, denn die Zwischengeneration spricht kaum mit!“

      „Bitte, deutlicher!“

      Der Dragoner nahm einen Teekuchen von dem Tablett eines servierenden Dieners und schob ihn in den Mund.

      „Hast du noch nichts von dem Professor von Heym gehört?“

      „Professor .. ja .. wart mal .. es dämmert mir plötzlich so was .. riesiger Freigeist, was? So eine Sorte wie Darwin oder Häckel ..“

      „Ins rein Philosophische übersetzt — mit einem kleinen Stich ins Nietzschesche! — Sein Stammbaum des Menschen wurzelt auch im Irrenhaus, wie seine Gegner behaupten. Na, für ganz normal halte ich ihn auch nicht, denn allzuviel Licht macht blind!“ —

      „Sehr tiefsinnig bemerkt, Mäxchen!“

      „Freut mich, dass du Spötter endlich anfängst, mich zu würdigen!“

      „Nun — und darum, weil er so elektrisch erleuchtet ist, streichst du den armen Professor aus seinem eignen Stammbaum?“

      „Stopp! — Das tut oder tat er selber, denn als Bücherwurm hat er sich zeitlebens in seine staubige Klause vergraben und nicht mal Geld für einen Famulus ausgegeben, denn diesen Posten bekleidete Fräulein Ellinor bei ihm!“

      „Was der Tausend! Und die Mama litt das?“

      „Sie war seit jeher eine Null im Hause und tat das Beste, was sie tun konnte: sie starb sehr frühzeitig. Man erzählt sich, dass der aufgeklärte Gatte am Bett der Sterbenden gestanden, sich die Brillengläser noch mal blank geputzt und die Gattin bei ihrem letzten Seufzer scharf beobachtet habe. — ‚Lebe wohl, meine gute Henriette! Wir wollen uns keine törichten Illusionen machen. Die Wissenschaft hat bewiesen, dass es kein Jenseits mit einem Gott, sondern nur ein Diesseits mit einer gewaltigen Schöpferin Natur gibt. — Du wirst in das Nichts versinken, aus dem du geboren bist; ein Wiedersehen gibt es nicht. Leb’ wohl, meine arme Henriette, es ist traurig für dich, dass du schon so frühzeitig fort musst.‘“

      „Mensch, das ist ja entsetzlich! Die unglückliche Frau!“ —

      „Warum das? Ich glaube, für sie war der Abschied von solchem Gatten mit der Aussicht auf kein Wiedersehen tröstlicher, wie umgekehrt!“

      „Furchtbar!


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