Die Traumdeutung. Sigmund Freud

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Die Traumdeutung - Sigmund Freud


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des Gedächtnisses im Traum vor Augen, um den Widerspruch lebhaft zu empfinden, den gewisse später zu erwähnende Traumtheorien aufstellen müssen, welche die Absurdität und Inkohärenz der Träume durch ein partielles Vergessen des uns bei Tag Bekannten erklären wollen.

      Man könnte etwa auf den Einfall geraten, das Phänomen des Träumens überhaupt auf das des Erinnerns zu reduzieren, im Traum die Äußerung einer auch nachts nicht rastenden Reproduktionstätigkeit sehen, die sich Selbstzweck ist. Mitteilungen wie die von Pilcz (1899) würden hierzu stimmen, denen zufolge feste Beziehungen zwischen der Zeit des Träumens und dem Inhalt der Träume nachweisbar sind in der Weise, dass im tiefen Schlaf Eindrücke aus den ältesten Zeiten, gegen Morgen aber rezente Eindrücke vom Traum reproduziert werden. Es wird aber eine solche Auffassung von vornherein unwahrscheinlich durch die Art, wie der Traum mit dem zu erinnernden Material verfährt. Strümpell macht mit Recht darauf aufmerksam, dass Wiederholungen von Erlebnissen im Traume nicht vorkommen. Der Traum macht wohl einen Ansatz dazu, aber das folgende Glied bleibt aus; es tritt verändert auf, oder an seiner Stelle erscheint ein ganz fremdes. Der Traum bringt nur Bruchstücke von Reproduktionen. Dies ist sicherlich soweit die Regel, dass es eine theoretische Verwertung gestattet. Indes kommen Ausnahmen vor, in denen ein Traum ein Erlebnis ebenso vollständig wiederholt, wie unsere Erinnerung im Wachen es vermag. Delboeuf erzählt von einem seiner Universitätskollegen, dass er im Traume eine gefährliche Wagenfahrt, bei welcher er einem Unfall nur wie durch ein Wunder entging, mit all ihren Einzelheiten wieder durchgemacht habe. Miss Calkins erwähnt (1893) zweier Träume, welche die genaue Reproduktion eines Erlebnisses vom Vortag zum Inhalt hatten, und ich selbst werde späterhin Anlass nehmen, ein mir bekanntgewordenes Beispiel von unveränderter Traumwiederkehr eines Kindererlebnisses mitzuteilen. »Ich habe das alles am Tage wirklich getan.«

      C) Traumreize und Traumquellen

      Was man unter Traumreizen und Traumquellen verstehen soll, das kann durch eine Berufung auf die Volksrede »Träume kommen vom Magen« verdeutlicht werden. Hinter der Aufstellung dieser Begriffe verbirgt sich eine Theorie, die den Traum als Folge einer Störung des Schlafes erfasst. Man hätte nicht geträumt, wenn nicht irgendetwas Störendes im Schlaf sich geregt hätte, und der Traum ist die Reaktion auf diese Störung.

      Die Erörterungen über die erregenden Ursachen der Träume nehmen in den Darstellungen der Autoren den breitesten Raum ein. Dass das Problem sich erst ergeben konnte, seitdem der Traum ein Gegenstand der biologischen Forschung geworden war, ist selbstverständlich. Die Alten, denen der Traum als göttliche Sendung galt, brauchten nach einer Reizquelle für ihn nicht zu suchen; aus dem Willen der göttlichen oder dämonischen Macht erfloss der Traum, aus deren Wissen oder Absicht sein Inhalt. Für die Wissenschaft erhob sich alsbald die Frage, ob der Anreiz zum Träumen stets der nämliche sei oder ein vielfacher sein könne, und damit die Erwägung, ob die ursächliche Erklärung des Traumes der Psychologie oder vielmehr der Physiologie anheimfalle. Die meisten Autoren scheinen anzunehmen, dass die Ursachen der Schlafstörung, also die Quellen des Träumens, mannigfaltiger Art sein können und dass Leibreize ebenso wie seelische Erregungen zur Rolle von Traumerregern gelangen. In der Bevorzugung der einen oder der anderen unter den Traumquellen, in der Herstellung einer Rangordnung unter ihnen je nach ihrer Bedeutsamkeit für die Entstehung des Traumes gehen die Ansichten weit auseinander.

      Wo die Aufzählung der Traumquellen vollständig ist, da ergeben sich schließlich vier Arten derselben, die auch zur Einteilung der Träume verwendet worden sind: 1) Äußere (objektive) Sinneserregung. 2) Innere (subjektive) Sinneserregung. 3) Innerer (organischer) Leibreiz. 4) Rein psychische Reizquellen.

      Ad 1) Die äußeren Sinnesreize

      Der jüngere Strümpell, der Sohn des Philosophen, dessen Werk über den Traum uns bereits mehrmals als Wegweiser in die Traumprobleme diente, hat bekanntlich die Beobachtung eines Kranken mitgeteilt, der mit allgemeiner Anästhesie der Körperdecken und Lähmung mehrerer der höheren Sinnesorgane behaftet war. Wenn man bei diesem Manne die wenigen noch offenen Sinnespforten von der Außenwelt abschloss, verfiel er in Schlaf. Wenn wir einschlafen wollen, pflegen wir alle eine Situation anzustreben, die jener im Strümpellschen Experimente ähnlich ist. Wir verschließen die wichtigsten Sinnespforten, die Augen, und suchen von den anderen Sinnen jeden Reiz oder jede Veränderung der auf sie wirkenden Reize abzuhalten. Wir schlafen dann ein, obwohl uns unser Vorhaben nie völlig gelingt. Wir können weder die Reize vollständig von den Sinnesorganen fernhalten noch die Erregbarkeit unserer Sinnesorgane völlig aufheben. Dass wir durch stärkere Reize jederzeit zu erwecken sind, darf uns beweisen, »dass die Seele auch im Schlaf in fortdauernder Verbindung mit der außerleiblichen Welt« geblieben ist. Die Sinnesreize, die uns während des Schlafes zukommen, können sehr wohl zu Traumquellen werden.

      Von solchen Reizen gibt es nun eine große Reihe, von den unvermeidlichen an, die der Schlafzustand mit sich bringt oder nur gelegentlich zulassen muss, bis zum zufälligen Weckreiz, welcher geeignet oder dazu bestimmt ist, dem Schlafe ein Ende zu machen. Es kann stärkeres Licht in die Augen dringen, ein Geräusch sich vernehmbar machen, ein riechender Stoff die Nasenschleimhaut erregen. Wir können im Schlaf durch ungewollte Bewegungen einzelne Körperteile entblößen und so der Abkühlungsempfindung aussetzen oder durch Lageveränderung uns selbst Druck- und Berührungsempfindungen erzeugen. Es kann uns eine Fliege stechen, oder ein kleiner nächtlicher Unfall kann mehrere Sinne zugleich bestürmen. Die Aufmerksamkeit der Beobachter hat eine ganze Reihe von Träumen gesammelt, in welchen der beim Erwachen konstatierte Reiz und ein Stück des Trauminhalts so weit übereinstimmten, dass der Reiz als Traumquelle erkannt werden konnte.

      Eine Sammlung solcher auf objektive – mehr oder minder akzidentelle – Sinnesreizung zurückgehender Träume führe ich hier nach Jessen (1855, 527 f.) an: »Jedes undeutlich wahrgenommene Geräusch erweckt entsprechende Traumbilder, das Rollen des Donners versetzt uns mitten in eine Schlacht, das Krähen eines Hahns kann sich in das Angstgeschrei eines Menschen verwandeln, das Knarren einer Tür Träume von räuberischen Einbrüchen hervorrufen.«

      »Wenn wir des Nachts unsere Bettdecke verlieren, so träumen wir vielleicht, dass wir nackt umhergehen oder dass wir ins Wasser gefallen sind. Wenn wir schräg im Bett liegen und die Füße über den Rand desselben herauskommen, so träumt uns vielleicht, dass wir am Rande eines schrecklichen Abgrundes stehen oder dass wir von einer steilen Höhe hinabstürzen. Kommt unser Kopf zufällig unter das Kopfkissen, so hängt ein großer Felsen über uns und steht im Begriff, uns unter seiner Last zu begraben. Anhäufungen des Samens erzeugen wollüstige Träume, örtliche Schmerzen die Idee erlittener Misshandlungen, feindlicher Angriffe oder geschehender Körperverletzungen…«

      »Meier (1758, 33) träumte einmal, dass er von einigen Personen überfallen würde, welche ihn der Länge nach auf den Rücken auf die Erde hinlegten und ihm zwischen die große und die nächste Zehe einen Pfahl in die Erde schlugen. Indem er sich dies im Traum vorstellte, erwachte er und fühlte, dass ihm ein Strohhalm zwischen den Zehen stecke. Demselben soll nach Hennings (1784, 258) ein anderes Mal, als er sein Hemd am Halse etwas fest zusammengesteckt hatte, geträumt haben, dass er gehenkt würde. Hoffbauer träumte in seiner Jugend, von einer hohen Mauer hinabzufallen, und bemerkte beim Erwachen, dass die Bettstelle auseinandergegangen und dass er wirklich gefallen war… Gregory berichtet, er habe einmal beim Zubettgehen eine Flasche mit heißem Wasser an die Füße gelegt und darauf im Traum eine Reise auf die Spitze des Ätna gemacht, wo er die Hitze des Erdbodens fast unerträglich gefunden. Ein anderer träumte nach einem auf den Kopf gelegten Blasenpflaster, dass er von einem Haufen von Indianern skalpiert werde; ein dritter, der in einem feuchten Hemde schlief, glaubte durch einen Strom gezogen zu werden. Ein im Schlaf eintretender Anfall von Podagra2 ließ einen Kranken glauben, er sei in den Händen der Inquisition und erdulde die Qualen der Folter (Macnish).«

      Das auf die Ähnlichkeit zwischen Reiz und Trauminhalt gegründete Argument lässt eine Verstärkung zu, wenn es gelingt, bei einem Schlafenden durch planmäßige Anbringung von Sinnesreizen dem Reiz entsprechende Träume zu erzeugen. Solche Versuche hat nach Macnish schon Girou de Buzareingues angestellt. »Er ließ seine Knie unbedeckt und träumte, dass er in der Nacht auf einem Postwagen reise. Er bemerkt


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