Mörderhände: 7 Strand Krimis. Cedric Balmore

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Mörderhände: 7 Strand Krimis - Cedric Balmore


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der Kerl an? Wir reden schon lange nicht mehr miteinander. Von mir aus kann er in seiner Residenz“ – sie spuckte das Wort fast aus – „verrecken.“

      „An einem möglichen Erbe sind Sie nicht interessiert?“ ließ Winkels einen Versuchsballon los.

      Schweigen.

      „Ich frage deshalb, weil wir annehmen, dass die Todesfälle mit einer möglichen Erbschaft zu tun haben.“

      Jetzt drückte auch der Sohn seinen Joint in einem übervollen Aschenbecher aus. „Wer sind Sie überhaupt?“

      „Sagte ich doch schon. Ich ermittle im Namen der Polizei von Aurich.

      „Polizei?“ wiederholten beide gleichzeitig.

      Winkels bewegte sich einen Schritt näher zum Fenster. Er spürte einen frischen Luftzug und atmete tief durch.

      Holger Bartels löste seinen Blick vom Geschehen auf dem Bildschirm.

      „Wollen Sie damit sagen, wir kriegen jetzt ein Erbe?“

      „Red´ nicht so einen Quatsch!“ fuhr seine Stiefmutter dazwischen. „Erben kann man nur, wenn jemand gestorben ist, und dein Alter lebt noch, soweit ich weiß.“

      Sohnemann sah von einem zum anderen. Er war nicht der hellste unter der Sonne, das war Winkels klar geworden.

      „Er hat doch gesagt, es geht um eine Erbschaft“, quengelte Holger.

      „Nicht um Ihre“, stellte Winkels richtig. „Wir vermuten, dass zwei Insassen des Heimes, in dem auch Ihr Vater wohnt, wegen Ihres Vermögens ermordet wurden.“

      „Ermordet?“ wiederholten sie unisono. Frau Bartels setzte sich.

      „Lesen Sie keine Zeitung?“

      Beide schüttelten den Kopf.

      „Wozu soll das gut sein?“ maulte Holger. „Ist doch immer dasselbe. Mir reicht der Fußball im Fernsehen. Mehr brauche ich nicht zu wissen.“

      Irgendwas ist bei deiner Erziehung schief gelaufen, dachte Winkels, sprach es aber nicht aus.

      Er bemerkte, dass die Mutter ihrem Stiefsohn einen merkwürdigen Blick zuwarf, dessen Bedeutung er nicht einordnen konnte. Sie zündete sich eine normale Zigarette an.

      Holger ließ seinen Sessel wieder nach hinten kippen und trank sein Bier aus. Winkels hatte das dumpfe Gefühl, das er einer Art Theateraufführung beiwohnte. Er hätte gern den Titel des Stückes gewusst, doch die beiden machten keine Anstalten, weitere Auskünfte zu geben.

      „Also, wir haben keine Erbschaft erhalten“, sagte Frau Bartels nach einer ganzen Weile, und es klang endgültig.

      Holger kippte nach vorn und schwang sich aus dem Sessel. Er ging aus dem Zimmer und kam ein paar Sekunden später zurück, eine neue Flasche Bier in der Hand.

      „Wüsste ich doch, wenn wir Geld hätten, oder Mutter? Würdest du mir doch sagen!“

      Er ließ sich wieder in seine Sitzgelegenheit plumpsen und setzte die Flasche an die Lippen

      „Sicher“, entgegnete sie einsilbig.

      Winkels sah ein, dass er hier nicht weiterkommen würde.

      „War nett bei Ihnen“, sagte er und trat den Rückweg an.

      *

      Seine nächste Adresse lag im Stadtteil Sandhorst, also recht zentral. Tjade Winkels gab den Straßennamen in sein Navi ein und folgte dem vorgeschlagenen Weg.

      Die Adresse gehörte Rolf Ahlsen. Der ältere Sohn, wie er dem Zettel entnahm, den er von Hauptkommissar Dröver bekommen hatte. Rolf war geschieden, hatte keine Kinder und ging offensichtlich keiner geregelten Arbeit nach.

      Er fand einen Parkplatz nahe an dem Mietshaus aus den sechziger Jahren, in dem Rolf Ahlsen im Erdgeschoss wohnte.

      Wilkens klingelte, und zu seiner Überraschung erklang eine weibliche Stimme. „Ja, bitte?“

      „Moin.“

      „Moin.“

      „Ich würde gern mit Herrn Ahlsen sprechen. Es geht um eine Angelegenheit des Seniorenheims, in dem sein Vater lebt.“

      Ohne weitere Rückfragen ertönte der Summer, und er betrat den Hausflur. In der geöffneten Wohnungstür stand eine gut gekleidete junge Frau und sah ihm neugierig entgegen. Lange blonde Haare umrahmten ein ovales Gesicht mit einer auffälligen Stupsnase und einem zu stark geschminkten Mund.

      Winkels stellte sich vor, wobei er die Unterstützung einer polizeilichen Ermittlung wieder als Grund für seinen Besuch anführte.

      Die junge Frau bat ihn ins Wohnzimmer, das völlig anders aussah, als das von Holger Bartels. Sauber, aufgeräumt und mit Geschmack dekoriert. Zweifellos die Hand einer Frau.

      Vom Wohnungsinhaber war nichts zu sehen.

      „Rolf schläft noch“, erklärte sie. „Er ist seit einiger Zeit bei einem Sicherheitsunternehmen angestellt und hatte Nachtschicht.“

      Winkels setzte sich auf die angebotene zweisitzige Couch. „Wie lange kennen Sie Herrn Ahlsen schon?“

      „Etwa ein halbes Jahr. Ich arbeite in einer Bar hinter dem Tresen. Ich kannte ihn vom Sehen, da er dort ein häufiger Gast war. Irgendwann haben wir uns dann angefreundet, er suchte sich einen vernünftigen Job, und wir konnten zusammenziehen. Das klappt bisher ganz gut.“

      Offensichtlich war sie zufrieden mit dem Arrangement, und Winkels wunderte sich, wieviel einfacher manche Dinge heutzutage gehandhabt wurden. Das war zu seiner Zeit ganz anders. Er seufzte und verdrängte die Erinnerungen.

      „Sie haben sicher von den Ereignissen im Heim gehört?“

      Sie nickte. „Natürlich. Rolf war sehr betroffen und machte sich Sorgen um seinen Vater. Er fürchtete, dass auch ihm etwas zustoßen könnte.“

      „Har er dafür einen Grund genannt?“

      „Zwei Mordfälle so kurz hintereinander, da kann man schon Angst bekommen. Rolf kam noch nicht dazu, seinen Vater zu besuchen, wegen seiner Arbeitszeiten.“

      „Hat er ihn denn vorher oft besucht?“

      Sie runzelte die Stirn. „Das weiß ich nicht so genau. Wir reden nicht über seinen Vater oder überhaupt über die Familie. Er hat noch einen jüngeren Bruder, wissen Sie. Thorsten Ahlsen. Doch den habe ich noch nicht kennengelernt. Rolf hält wohl nicht viel von ihm.“

      Eine intakte Familie ist doch etwas Wunderbares, dachte Winkels.

      „Haben Sie mit Ihrem Freund darüber gesprochen, was die Gründe für diese Morde gewesen sein könnten?“

      „Er hat nur gesagt, dass die Seniorenresidenz gut beraten wäre, wenn sie sein Sicherheitsunternehmen engagieren würde. Dann hätte so etwas nicht passieren können.“

      „Was hätte nicht passieren können?“ kam eine Stimme von der Tür.

      Winkels drehte sich um. Im Türrahmen stand ein großer, breitschultriger Mann mit nacktem Oberkörper und in einer Schlafanzughose. Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen.

      „Ich habe Stimmen gehört.“

      „Rolf!“ rief seine Freundin. „Der nette Herr kümmert sich um die Ermittlungen im Heim deines Vaters.“

      Rolf trat näher. Tjade Winkels erhob sich und stellte sich vor.

      „Wir möchten uns nur vergewissern, ob den Familien der Insassen des Heimes irgendwelche Dinge aufgefallen sind, die uns helfen könnten, die Morde aufzuklären.“

      „Woher sollten wir denn etwas wissen? Kümmern Sie sich lieber um die Sicherheit der Rentner. Meinem Vater geht es gut, ich habe gestern mit ihm telefoniert. Ansonsten geht mich das Heim nichts an.“


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