Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel

Читать онлайн книгу.

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel


Скачать книгу
einen ungefähren Vergleich vornehmen. Demnach durchmaß die Halbkugel gute vierzig Meter.

      Mindestens ebenso weit von der STERNENLEUCHTEN entfernt verharrte sie. Minuten vergingen, bis sich eine Lastenschleuse öffnete und, von Traktorstrahlen gehalten, die Bauteile eines Konverters daraus hervor schwebten. Tolden konnte zudem mehrere kleine Gestalten in Raumanzügen erkennen, bei denen es sich zweifellos um Ngomis handelte. Sie schienen die ganze Aktion zu überwachen und mittels handlicher Steuergeräte zu leiten.

      Langsam näherten sich die zum Teil mehrere Quadratmeter großen Maschinenteile der STERNENLEUCHTEN.

      Noch hatte er Zeit. Trotzdem verließ Tolden seine Kabine. Wie erwartet, lag dieser Teil des Schiffes ausgestorben vor ihm. Der Daila begab sich auf das oberste Deck und wandte sich dann nach mittschiffs.

      Er würde den Ngomis, vor allem aber Chrrtl, zeigen, wozu ein Daila in der Lage war. Wenn sie ihn dann nicht mit anderen Augen sahen, war ihnen nicht mehr zu helfen. Sobald er an den seltsamen Aberglauben des Vogelwesens dachte, schüttelte Tolden verständnislos den Kopf.

      Er näherte sich dem Hangarbereich. Blinkende Warnanzeigen verrieten, dass die Außenschleusen noch offenstanden. Solange in diesem Teil des Schiffes ein Vakuum herrschte, ließen sich die vor ihm liegenden Schotte ohnehin nicht öffnen.

      Mit stoischem Gleichmut wartete Tolden. Jeden Schritt, den er tun musste, hatte er in Gedanken schon mehrmals ausgeführt. Dennoch verspürte er ein flaues Gefühl in der Magengegend; er wusste nicht, wie die Ngomis auf seine Anwesenheit reagieren würden. Viel hing davon ab, ob Chrrtl sich erneut gegen ihn stellte. Darüber hatte der Wahrtraum keine Auskunft gegeben.

      Weshalb versuchte er überhaupt zu helfen, anstatt in seiner Kabine der Dinge zu harren? Tolden sagte sich, dass es die Unrast war, die ihn vorwärts trieb, dieselbe Unrast, die schon auf Cirgro sein Handeln weitgehend bestimmt hatte. Sein Leben lang war er auf der Suche gewesen – nach sich selbst (nach einer Identität, die er als Mutant nicht besaß) und nach einem Ersatz für die verlorene Heimat (die er aber auch im Kreise anderer Daila nie fand). Das Gefühl, das er dabei oft empfunden hatte, schlicht als Heimweh zu bezeichnen, hätte bedeutet, es sich zu leicht zu machen. Erst seit er den Glücksstein trug, hatte sich der dumpfe Druck in seinem Innern allmählich verloren.

      Das Blinken hörte auf. Tolden benötigte einige Sekunden, um zu begreifen. Dann stürmte er vorwärts, die Linke zur Faust geballt, bis die Nägel schmerzhaft in den Ballen einschnitten.

      Das Schott zum Maschinenraum glitt vor ihm zur Seite.

      Tolden hastete den engen, verwinkelten Gang zwischen den raumhohen Aggregaten entlang. Bis zur ersten Gabelung waren es nur wenige Schritte. Er spürte die überraschten, teils verärgerten Blicke einiger Ngomis auf sich ruhen.

      »Zurück!«, krächzte Chrrtl entsetzt. Das Vogelwesen stand auf der Plattform des demontierten Konverters in einigen Metern Höhe und wartete auf die neuen Bauteile.

      Musan'J'irkis war ebenfalls anwesend. »Bleib, wo du bist!«, rief er. Das stabförmige Gerät in seinen Händen – eine Waffe? – zielte auf den Daila.

      Er würde es nicht wagen, innerhalb des Maschinenraums zu schießen. Tolden warf sich förmlich nach vorne. Im selben Augenblick drückte der Kommandant auf den Auslöser des Stabes. Ein flirrendes Energiefeld, wie es benötigt wurde, um Maschinenteile auf den Bruchteil eines Millimeters zusammenzufügen, entstand vor Tolden. Der Daila spürte einen zähen Widerstand, aber dann war er bereits hindurch, noch bevor das Feld sich gänzlich stabilisiert hatte.

      Die beiden Echsenwesen näherten sich mit der oberen Abdeckung des Konverters, die sie mittels gerichteter Antigravstrahlen im Gleichgewicht hielten. Bedingt durch die herrschende Enge gab es keine andere Transportmöglichkeit. Hinter den beiden sah Tolden weitere Ngomis kommen.

      Jeden Moment musste es geschehen.

      Er hörte seinen Namen rufen. Das war Musan'J'irkis. Der Kommandant folgte ihm. Aber ausgerechnet jetzt durfte er sich nicht ablenken lassen.

      »Verschwinde!«, schrie Tolden.

      Nahezu im selben Augenblick fiel eines der Antigravgeräte aus unerfindlichen Gründen aus. Vielleicht ein Bedienungsfehler des offensichtlich erschrockenen Echsenwesens. Einen spitzen, heiseren Aufschrei ausstoßend, machte es zwar zwei Schritte zurück, blieb dann aber vor Entsetzen gelähmt stehen und starrte aus schreckgeweiteten Augen auf das langsam kippende Konverterteil.

      Entschlossen packte Tolden zu und zerrte den Mann mit sich. Nicht eine Sekunde zu früh. Denn unmittelbar neben ihnen krachten etliche Zentner Stahl mit ohrenbetäubendem Dröhnen auf den Boden. Ein Wimmern und Ächzen pflanzte sich in alle Richtungen fort.

      Tolden war wie benommen. Zögernd stemmte er sich auf Knien und Ellbogen hoch.

      »Er allein ist schuld!«, vernahm er Chrrtls aufgeregtes Keifen. »Ich habe euch gesagt, er bringt Unglück.«

      Die Ngomis umringten ihn. In einigen Gesichtern las Tolden Zorn und Verbitterung. Sie besaßen noch keine Erklärung für das, was eben geschehen war, aber sie hatten genug gesehen und gaben dem Daila die Schuld daran.

      Das Echsenwesen stellte sich schützend vor Tolden.

      »Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich noch lebe. Lasst ihn also in Ruhe.«

      »Unsinn«, wehrte Musan'J'irkis ab. »Du stehst noch unter Schock, Torressam. Sonst würdest du erkennen, dass der Daila gewusst haben muss, was geschehen würde. Schließlich war er im richtigen Moment zur Stelle.« Er wandte sich an Tolden: »Bei uns ist es seit alters her Recht, dass ein Beschuldigter angehört wird.«

      »Seine Sabotage ist schändlich misslungen«, kreischte Chrrtl.

      »Ich wusste, was geschehen würde ...«, sagte Tolden.

      Ein Raunen brandete auf. Es klang drohend. Vergeblich versuchte der Daila, weiterzusprechen, aber erst als Musan'J'irkis um Ruhe heischte, wurde es leiser.

      »... deshalb bin ich hierhergekommen«, fuhr Tolden fort. »Um ein Unglück zu verhindern.«

      »Nur Scharlatane besitzen die Gabe, in die Zukunft zu sehen«, rief jemand. »Und ...« Das Wort hing inhaltsschwer im Raum.

      »Sprich es ruhig aus«, verlangte Tolden. »Ich bin kein Dämon, falls solche Geschöpfe aus der Phantasie rückständiger Völker überhaupt existieren. Ich habe geträumt, was geschehen würde, schlicht und einfach geträumt.«

      Chrrtls Gelächter sollte anstachelnd klingen. Es fand jedoch kaum Beachtung.

      *

      An Bord der STERNENLEUCHTEN herrschte Waffenstillstand, wenn man es so bezeichnen wollte. Im Gegensatz zu Chrrtl war Tolden mit diesem Zustand immerhin zufrieden. Obschon er sich mehr erwartet hatte, genügte es ihm, unbehelligt bis in die Nähe von Aklard gebracht zu werden. Mehr hatte er von Anfang an nicht gewollt. Und auf Marigans Planet, dem Ziel der Ngomis, würde er zweifellos Arbeit und ein Schiff nach Aklard finden.

      Nahezu zehn Tage hatte die Reparatur des Triebwerks in Anspruch genommen, zwei weitere Wochen währte nun schon die Fortsetzung des Fluges. Dabei wurde die Geschwindigkeit der STERNENLEUCHTEN erst allmählich gesteigert und erreichte noch längst nicht die alten Werte.

      »Vielleicht wird unser Frachter nie wieder so schnell sein wie zuvor«, hatte Musan'J'irkis irgendwann zu verstehen gegeben. »Nach jedem größeren Defekt haben die Aggregate an Leistung verloren.«

      Es gab Tage, an denen Tolden allein sein wollte und seine Kabine überhaupt nicht verließ. Meist kurz darauf hielt er sich aber stundenlang in der Zentrale auf und studierte die dortigen Sternenkarten. Die Entfernung nach Aklard schrumpfte langsam. Wenn die STERNENLEUCHTEN ihren Kurs unverändert beibehielt, würde sie lediglich noch zwei Sonnensysteme passieren.

      »Hat Chrrtl sich endlich beruhigt?«, wollte Tolden vom Kommandanten wissen.

      »Du darfst seine Vorurteile ruhig auf die leichte Schulter nehmen.« Musan'J'irkis grinste wissend. »Er wird sich wohl nie ändern. Aber jeder braucht irgend etwas, woran er glauben kann,


Скачать книгу