Perry Rhodan Neo 215: Botschafter des Imperiums. Rüdiger Schäfer
Читать онлайн книгу.ist nicht nur für die Ermittler offensichtlich, dass Protektor Rhodan die FANTASY unmöglich allein gekapert haben kann«, kam die Administratorin sofort auf den Punkt. »So etwas hätte selbst Ihr Mann niemals geschafft. Es stellt sich also nicht die Frage, ob ihm jemand geholfen hat, sondern wer.«
»Und ob man es beweisen kann«, ergänzte Thora.
»Richtig. Ich habe den ersten vorläufigen Bericht der Experten vorliegen. Der Rat hat alles eingesetzt, was gut und teuer ist. Spezialisten von GHOST, private Berater, Fachleute der Terranischen Flotte und Spitzenwissenschaftler der Lunar Research Area. Dazu die modernste forensische Technik, die es im Umkreis von zehntausend Lichtjahren gibt. Wenn da etwas ist, wird man es früher oder später finden. Ich wünschte nur, Sie würden mich endlich ins Vertrauen ziehen. Ich kann Sie nicht schützen, wenn ich nicht weiß ...« Michelsen brach ab und schüttelte den Kopf.
»Ich muss mich schon wieder entschuldigen«, fuhr sie dann fort. »Es steht mir nicht zu, derart in Sie zu dringen. Sie haben fraglos gute Gründe für das, was Sie tun ... oder auch nicht tun.«
»Stella ...«, setzte Thora an.
Die Administratorin unterbrach sie sofort. »Nein. Es ist in Ordnung. Wirklich! Sie sollten sich nur darüber im Klaren sein, dass es längst alle wissen. Natürlich hat NATHAN seine imaginären Finger im Spiel, und es wird sehr schwer werden, ihm etwaige Manipulationen nachzuweisen. Wenn Sie Glück haben, wird es also nicht zu einer Anklage kommen. Das gilt ebenso für Systemadmiral Bull, Mister Marshall oder Ihre Söhne. Seien Sie sich aber bewusst, dass etwas zurückbleiben wird. Dass der Schmutz, mit dem man Sie von allen Seiten bewerfen wird, sich nie mehr vollständig abwaschen lässt. Und was Ihren Mann betrifft ...«
»Perry wird sich dem Rat und allen Anschuldigungen gegen ihn stellen, wenn er mit der FANTASY zurückkehrt«, fiel Thora ihr eine Spur zu laut ins Wort – mit einer trotzigen Überzeugung, die sie nicht in vollem Umfang fühlte.
»Ja, das wird er.« Stella Michelsen nickte ernst. »Daran zweifeln selbst seine größten Kritiker innerhalb der Union nicht. Allerdings wird er seinen Posten als Protektor verlieren. Und damit sämtliche mit diesem Amt verbundenen Privilegien. Der Rat kann gar nicht anders, als diese Entscheidung zu treffen. Können Sie sich vorstellen, was das für Ihren Mann bedeutet?«
Thora Rhodan da Zoltral schloss für einen kurzen Moment die Augen. Selbstverständlich konnte sie das. Für Perry Rhodan würde eine Welt zusammenbrechen. Aber er würde sich auch wieder fangen. Irgendwie. Und mit ihrer Hilfe.
»Er kämpft um sein Leben, Stella«, brachte sie leise heraus. »Und indirekt auch um meines und das der anderen Aktivatorträger. Was ich Ihnen jetzt sage, eröffne ich nur Ihnen, und ich werde es nicht wiederholen. Aber ich glaube, Sie sollten es wissen: Perry war bereit, den Unionsbeschluss zu akzeptieren. Er wäre lieber gestorben, als die Regeln und Gesetze der von ihm mitbegründeten Terranischen Union auf so elementare Weise zu verletzen – gerade weil er erlebt hat, wie viel Gutes und Schönes aus ihnen entstanden ist. Aber das konnte ich nicht zulassen. Also habe ich ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich habe sein Lebenswerk mit Füßen getreten, und anstatt mich dafür zu hassen, hat er meine Schuld auf sich genommen. Das ist die einzige Wahrheit, die für mich Bedeutung hat, Stella. Ich kann diesen Mann nicht einfach sterben lassen. Niemals! Und wenn ich dafür meine Seele, meine Integrität und den letzten Funken Stolz, den ich in mir trage, verkaufen muss, ist das ein Preis, den ich ohne Zögern bezahle.«
Lange Sekunden sagte niemand etwas.
Es war die Administratorin, die das Schweigen als Erste brach. »Ich werde tun, was ich kann.« Ihr Lächeln war aufrichtig und tat Thora gut.
»Sie haben schon so viel getan«, gab die Arkonidin zurück. »Schwächen Sie nicht Ihre eigene Position, indem Sie denen helfen, die bereits verloren sind.«
Stella Michelsen lachte herzlich. »Da ist sie wieder!«, rief sie. »Die Thora, die ich kenne und schätze. Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich glaube, ich würde mich im Spiel der Kelche auf Arkon I gar nicht so schlecht machen.«
Thora Rhodan da Zoltral nickte und lächelte zurück. »Ja, das glaube ich auch ...«
4.
Amatae
Zuerst kamen die Schmerzen, dann folgte der Gestank.
Amatae verspürte ein heftiges Ziehen, das in ihrem rechten Knöchel begann und sich bis in die Leistengegend fortsetzte. Dazu kam ein starkes Druckgefühl in der Hüfte, das sich bei der geringsten Bewegung in ein unerträgliches Pochen verwandelte.
Sie versuchte, still zu liegen und nur durch den Mund zu atmen, doch der Gestank schien ein Eigenleben zu entwickeln und kroch wie von selbst in ihre Nase. Es roch nach Metall, nach verschmortem Kunststoff, nach verbrannten Haaren. Außerdem war da noch etwas anderes, irgendein Gas, das die Geruchsrezeptoren mit winzigen Nadeln traktierte und ihr die Tränen in die Augen trieb.
Amatae wusste, dass viele der Versorgungsleitungen durch die Hangars verliefen, weil dort bei einem möglichen Leck die Gefahr am geringsten war, dass Mehandor zu Schaden kamen. Wenn also eine der Leitungen defekt war, atmete sie im Moment womöglich etwas ein, was ihr nicht gut bekam.
Trotz der Schmerzen, die jede Bewegung durch ihren Körper schickte, stemmte sie sich in eine halbwegs sitzende Position. Ringsum herrschte rötliches Zwielicht. Von weiter entfernt drang ein Zischen zu ihr herüber. Irgendwo schlug Metall gegen Metall.
Als sie mit der Hand die schmerzende Hüfte abtastete, spürte sie klebrige Feuchtigkeit. Blut! Was sollte es sonst sein? Dann stießen ihre Finger auf etwas Hartes, Scharfkantiges. Es hatte sich in das weiche Gewebe zwischen unterem Rippenbogen und Becken gebohrt.
Es kostete Amatae einige Mühe, die aufwallende Panik niederzukämpfen. Sie war verletzt, ja, aber sie lebte noch. Die Druckwelle einer der Explosionen hatte sie erfasst und gegen einen Container geschleudert. Der Schmerz war nur kurz gewesen, dann hatte sie das Bewusstsein verloren. Nun musste sie die Nerven behalten und herausfinden, wie schlimm es wirklich war.
Ihre Umgebung bestand aus purem Chaos. Viele der Frachtbehältnisse waren aus ihren Verankerungen gerutscht, hatten sich ineinander verkeilt und bildeten nun einen ungeordneten Haufen aus eingedrückten Wänden, verbogenen Metallrahmen und geborstenen Verbindungsstreben. Es war ein mittleres Wunder, dass Amatae inmitten dieses Durcheinanders nicht zerquetscht worden war.
Sie lauschte angespannt. Die Hauptaggregate der VETRONA waren verstummt. Der Frachter atmete nicht mehr. Das unterschwellige Schnurren und Brummen, das sich nach und nach verstärkte, je näher man dem Maschinenraum kam, war verschwunden. Trieb das Walzenschiff etwa führungslos im All? Oder war die VETRONA gar auf die Oberfläche von Neptun gestürzt?
Amatae hatte sich niemals zuvor in ihrem Leben so machtlos und verzweifelt gefühlt. Darauf, dass ihr jemand zu Hilfe kam und sie aus ihrer misslichen Lage befreite, durfte sie nicht hoffen. Wenn es die VETRONA so schwer erwischt hatte, wie der Zustand des Hangars vermuten ließ, war sie womöglich die einzige Überlebende – ein Gedanke, der sie mehr als alles andere erschreckte.
Ich muss hier weg, dachte sie zum wiederholten Mal. Ich muss mich im Schiff umsehen und herausfinden, was passiert ist.
Immerhin: Künstliche Schwerkraft und Atmosphäre schienen intakt zu sein – sah man von dem stechenden Gasgeruch ab. Die Lebenserhaltungssysteme eines Raumschiffs liefen notfalls mehrere Tage über spezielle Notstromaggregate. Diese waren besonders geschützt und arbeiteten selbst dann noch, wenn der Rest nur ein Trümmerhaufen war. Was die altersschwache VETRONA betraf, hätte Amatae allerdings keine Wetten abgeschlossen.
Ihr erster Befreiungsversuch endete in einem Schmerzorkan. Amataes Schrei hallte geisterhaft durch den Hangar. Das scharkantige Etwas, wahrscheinlich der Teil eines beschädigten Containers oder ein Stück ihres zertrümmerten Kontrollpults, hatte sich tiefer als angenommen in ihren Körper gebohrt. Wenn sie Pech hatte, war eine der großen Arterien verletzt worden, und das Ding saß wie ein Korken in der Gefäßwand. Wenn sie es einfach herauszog, würde sie binnen kürzester Zeit verbluten.
Beim