Was geschah am 22 Juni 1941?. Александр Усовский

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Was geschah am 22 Juni 1941? - Александр Усовский


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      Einleitung des Autors

      Worum geht es in diesem Buch?

      Es geht um Mut und Verrat, um Tapferkeit und Hinterlist, um Ehre und Niedertracht, um Helden und Verräter, um Marschälle und Soldaten.

      Es geht um den Krieg, der in der Menschheitsgeschichte den Namen „der Zweite Weltkrieg“ erhalten haben sollte. Und ein Teil davon war der Große Vaterländische Krieg des sowjetischen Volkes gegen Nazi-Deutschland.

      „Noch einmal um den Krieg?“ wird sich ein Leser empören. Nicht schon wieder! Wen interessiert schon ein Krieg, der vor 60 Jahren endete? In 3–4, vielleicht in 10 Jahren wird der letzte Kriegsteilnehmer tot sein. Wozu die Vergangenheit wieder aufwärmen? Es fehlte noch, dass wir eine Diskussion über die Ursachen und den Ausgang des Krimkrieges (genauer gesagt eines Hundertjährigen Kampfes gegen die Türkei) veranstalten! Man sollte lieber heute leben, das Morgen planen und das Übermorgen voraussehen, statt in den vergilbten Archivpapieren herumwühlen und das tote Eisen der rostigen Panzer – und Kanonen jenes Krieges befühlen. Es reicht immer wieder nur über „Tapferkeit, Heldentaten und Ruhm“ zu reden! Es ist längst an der Zeit, uns zur Gewohnheit zu machen, dass in Europa bereits seit 60 Jahren Frieden herrscht. Zwar gab es vor etwa 6 Jahren ein Gemetzel im Balkan, aber dazu ist er ja auch da, der Balkan…

      Denn die ganze Wahrheit ist schon dem sowjetischen (dem russischen, weißrussischen, ukrainischen usw. nach der Liste) Volk gesagt worden, genauer gesagt sogar zwei Wahrheiten.

      Zum einen gibt es eine Version der sowjetischen Aufklärungspropaganda, – sie wurde von Tausend Geschichtsgelehrten, Memoirenschreiber, Schriftstellern, Filmregisseuren sowohl begabten (wie auch nicht besonders begabten) Schauspielern geschaffen.

      Der Sinn dieser Geschichtsauffassung liegt im Folgenden: Deutschland war begierig auf die Vorherrschaft in Europa (künftig aber auch in der ganzen Welt); die kapitalistischen Staaten lieferten Hitler ein Land nach dem andren aus, und nur die Sowjetunion war ein ständiger prinzipientreuer Faschismusgegner. Gerade deswegen brachen die Deutschen bei Tagesanbruch am 22.06.1941 in unser friedliches schlafendes Haus ein. Ihr Ziel war: den ersten proletarischen Staat auf der Welt zu vernichten und die sowjetische Macht zu beseitigen. Wir fielen zum Opfer dem plötzlichen Angriff eines hinterlistigen Feindes. Unsere Armee war nicht bereit, diese Aggression abzuwehren und so gelang es den Deutschen zuerst bis nach Moskau, dann bis nach Wolga vorzudringen. Und nur durch übermenschliche Anstrengungen des ganzen sowjetischen Volkes konnten wir diesem Angriff standhalten und am Ende siegen.

      Diese Sichtweise ist möglicherweise zu ideologisiert, aber dennoch relativ logisch – besonders wenn man bedenkt, dass Emotionen ebenfalls einen Teil von materiellen Gründen für einen Militärkonflikt ausmachen können.

      Alles ist ziemlich einfach. Die deutschen Faschisten (die Tatsache, dass in Deutschland an der Macht, wenn auch eine nationalistische, aber immerhin eine sozialistische Partei war – wurde total verschwiegen) wollten unbedingt uns angreifen und unsere liebe kommunistische Macht vernichten, um daraufhin uns zu versklaven und das Land als Gutshöfe an die deutschen Bauer zu verteilen. Deutschland wurde nach allen Regeln der Militärpropaganda als eine dämonische Macht dargestellt: die Deutschen waren Monster, deren Lebensziel es war, „den ersten proletarischen Staat auf der Welt“ zu vernichten.

      Durch diese Einstellung ließ sich die ganze Geschichte des zweiten Weltkrieges zum vierjährigen Blutvergießen auf der Ost-europäischen Ebene reduzieren, das ausschließlich (wenn man den sowjetischen Historiker Glauben schenken sollte) wegen eines tierischen Hasses der Faschisten gegen das sowjetische Land geschah. Wir „erlernten“ gigantische (nicht nach der Anzahl von Gewehren, sondern nach dem Ausmaß der Ereignisse) Schlachten im Pazifik, die Operationen unserer Verbündeten in Süd-östlichen Asien und Nordafrika als fakultatives Material. „Sekundäre Kriegsschauplätze“, was gibt's da noch zu besprechen?! Bei Stalingrad waren Millionenarmeen im Einsatz und Montgomery und Rommel zusammen hatten kaum zwei Dutzende Divisionen. Ist das denn eine Schlacht? Von Midway ganz zu schweigen, wo bloß ein Dutzend Schiffe und etwa 15 Tausend Matrosen gekämpft hatten. Der echte Krieg ist es nur dann, wenn das Blut in Strömen fließt und Berge von Leichen herumliegen.

      So eine Einstellung zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges hatte über kurz oder lang bei den Leuten, die wenig mit der Geschichte zu tun haben – starke Abneigung und bei jenen, die ein wenig damit vertraut sind, – Misstrauen und Skepsis hervorrufen sollen. Also, bei uns steht in allen Büchern geschrieben, dass wir bessere Waffentechnik als die Deutschen hatten, dass unsere Soldaten Heldenmut und beispiellose Opferbereitschaft für die Heimat an den Tag legten, und trotz dieser Umstände zogen sie sich bis an die Wolga zurück! Na gut, „ein überraschender Angriff4 hätte das Heer an der Grenze in seinen Filzstiefeln erwischen können, – aber unsere übrigen Armeen waren doch 200, 500, 1000 km von der Frontlinie entfernt gewesen! Und sie hätten den angreifenden Deutschen einen gebührenden Widerstand leisten müssen!

      Aus einem natürlichen Misstrauen gegen die sowjetische Propaganda entstand die zweite Doktrin, die den Angriff Hitlers auf die UdSSR zu erklären suchte.

      Wladimir Resun (alias Viktor Suworow) ist natürlich ein großer Meister und ich werde nicht müde das zu wiederholen. Wie großartig führte er sein Täuschungsmanöver durch! Seine Bücher werden auch heute millionenfach herausgegeben, seine Versionen der Ereignisse vom 22.06.41 werden an den historischen Fakultäten gelehrt und beinah von der Kanzel gepredigt! Dieser Mensch ist ein Genie! Aber ein Lügengenie!

      Seine Doktrin richtet sich auf das Unterbewusstsein des Lesers. Es ist unangenehm zu glauben, dass wir solche Schlamper wären! Der Feind steht vor unserem Tor, Diversanten schwärmen herum und schneiden die Drahtzäune weg, deutsche Panzer hatten an der Grenze bereits Stellung bezogen – und wir schlafen wie Murmeltiere! Wir unterschreiben Pakte mit den Faschisten und beliefern sie mit dem Weizen und Eisenerzkonzentrat!

      Ganz anders aber wäre es, wenn wir unter dem Schein des Paktes den Deutschen Sand in die Augen streuten und einen schonungslosen Schlag ins Herz Deutschlands planten. Das ist ja cool! Stalin war der größte Politiker aller Zeiten und Völker! Allerdings war Hitler ihm ein bisschen zuvorgekommen, und aus diesem Grunde ging der Krieg nicht mehr so gut vonstatten, aber es wurde doch alles so schön geplant!

      Die „sowjetische“ Interpretation der Geschichte stellte die Deutschen als Höllenbrut dar, die aufs russische Blut erpicht waren; Hitler wurde zum primitiven wahnsinnigen Mörder herabgesetzt und Stalin als ein vertrauensseliger gutmütiger Kerl dargestellt. Resuns Konzeption ließ wenigstens sowjetische, unnötig emotionale Beurteilungen des Kriegsanfangs fallen und hatte eine einigermaßen nachvollziehbare Erklärung für alle Ungereimtheiten und Absurditäten während der ersten Tage des Großen Vaterländischen Krieges geliefert.

      Resun (Suworow) schildert Stalin als einen großen Denker und Strategen, der die Sowjetisierung Europas vorbereitete. Hitler ist bei ihm im Großen und Ganzen auch kein klinischer Idiot (wie er in mehreren sowjetischen Kriegsfilmen dargestellt wurde), sondern ein ganz vernünftiger Politiker. Stalin plante eine Invasion in Europa und Hitler war ihm zuvorgekommen – aber der Schlag war nicht tödlich, was Stalin gestattete, halb Europa an sich zu reißen. Das ist im Grunde eine großartige Theorie.

      Also, mein lieber Leser. In diesem Buch wirst Du über die Existenz einer dritten Doktrin von Ursachen und Auswirkungen des Großen Vaterländischen Krieges erfahren, in der weder kommunistische Propaganda, noch antisowjetische Hysterie zu finden sind. Wir werden uns Mühe geben, der Geschichtslogik zu folgen, die trockene Zahlensprache und Pedanterie der echten Tatsachen zu beachten. Vielleicht werden die Schlussfolgerungen in diesem Buch manchen Lesern unerwartet vorkommen, doch der Autor hatte sich bemüht, aufrichtig und gewissenhaft zu sein. Möge dieses Buch über die Ergebnisse seiner Arbeit erzählen.

      Das ist keineswegs eine geschichtliche Forschung. Hier wird es keine ausführliche Beschreibung vom Einsatz der 5 Panzerarmee in der Schlacht bei Prochorowka oder Erzählungen über den Kriegsweg der VIII Gardearmee im Großen Vaterländischen Krieg geben. Alle diese tatsächlichen Einzelheiten sind schon längst und sorgfältig von den sowjetischen Historikern und Memoirenschreibern geschildert worden und der Autor hatte nicht vor, ihnen das Brot wegzunehmen.

      Dieses Buch ist ein Versuch, die Ereignisse von damals unvoreingenommen zu analysieren, eine Art „Seitenblick“. Die Leser werden selbst beurteilen, inwiefern es dem Autor gelungen


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