Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.empfangen konnte, musste sie zumindest noch den Schreibtisch aufräumen.
Beinahe ununterbrochen überlegte Michaela im Stillen, wie das bevorstehende Gespräch wohl ablaufen würde. Klar war, dass dieser Herr Hofstädter, so der Name des Mannes vom Bauunternehmen, ihr ein Angebot für den Hof ihres Vaters unterbreiten würde. Und klar war natürlich auch, dass dieses Angebot viel zu niedrig sein würde.
Denn natürlich wollte so ein Unternehmen immer alles zum niedrigsten Preis haben, das wusste ja jeder.
Und was würde sie, Michaela, tun? Sie würde natürlich ablehnen und den Mann heimschicken. Schließlich wollte sie nicht verkaufen. Sie wollte nicht, dass das Höfl in fremde Hände fiel.
Allerdings schien ihr Vater da inzwischen ganz anders zu denken, er hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht einfach ablehnen durfte, sofern es keine andere Möglichkeit als einen Verkauf mehr gab.
Und seiner Meinung nach gab es diese Möglichkeit eben nicht.
Und dennoch – Michaela war nicht bereit, so schnell aufzugeben. Sie liebte den Hof, sie war hier aufgewachsen und verband ihre ganze Kindheit mit dem Anwesen. All die vielen Erinnerungen… Nein, sie musste einen anderen Weg finden. Bloß welchen?
Michaela hatte keine Ahnung. Und deshalb brauchte sie Zeit. Zeit, um eine andere Lösung für das Problem zu finden. Aber war das überhaupt möglich? Was, wenn…
»Kind?«, riss die Stimme ihrer Mutter sie aus ihren Gedanken. »Der Herr von der Bauunternehmung ist jetzt da, soll ich ihn reinschicken?«
Erschrocken blickte Michaela auf, als ihre Mutter den Kopf durch die halb geöffnete Tür ins Arbeitszimmer steckte. Hastig warf sie einen Blick auf die Uhr. Es waren doch noch knapp zwanzig Minuten hin bis zum vereinbarten Termin!
»Wieso ist der denn so früh dran?«, fragte sie murmelnd, dann schüttelte sie den Kopf und winkte ab. »Ist schon gut, Mutter. Sag’ ihm einfach, er soll reinkommen.«
Die ältere Frau nickte und verschwand sogleich wieder. Michaela beugte sich vor und tat so, als studierte sie einige Unterlagen. Der Grund, warum dieser Herr Hofstädter so früh auftauchte, war nicht schwer zu erraten: Es handelte sich um eine Überfalltaktik. Wahrscheinlich hoffte er, Michaela durch sein verfrühtes Auftauchen aus dem Konzept zu bringen und dadurch gleich die Fäden in der Hand zu halten.
Aber da hatte er sich getäuscht, so einfach würde sie es ihm ganz sicher nicht machen.
»Kommen S’ herein und nehmen S’ schon mal Platz«, sagte Michaela betont kühn und ohne aufzublicken, als sie hörte, wie jemand das Büro betrat. Verkrampft tat sie weiter so, als studierte sie die Unterlagen vor sich auf dem Tisch. »Entschuldigen S’, aber so früh hab’ ich Sie halt net erwartet, daher werden S’ sich noch ein Weilchen gedulden müssen.«
»Aber das ist doch überhaupt kein Problem«, erklang plötzlich eine vertraute Stimme, und Michaela fiel vor Schreck die Kinnlade herunter. »Was macht denn eigentlich Ihr Wagen?«, fragte der Mann. »Läuft er noch?«
Michaela blickte auf, und ihre Augen weiteten sich. Unfassbar! »Sie?«
Der Mann, der ihr gestern mit dem Wagen geholfen hatte, stand vor ihr und grinste frech. »Ich darf mich vorstellen?« Er hielt ihr die Hand über die Schreibtischplatte hinweg hin. »Mein Name ist Karsten Hofstädter. Es ist mir wirklich eine Freude, Sie wiederzusehen.«
*
»Ihr Herr Vater hat mir natürlich bereits mitgeteilt, dass ich nun mit Ihnen verhandeln werde«, sagte Karsten Hofstädter, nachdem er Platz genommen hatte.
Michaela war noch immer wie vor den Kopf gestoßen. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit, dass es sich bei Karsten Hofstädter ausgerechnet um den Mann handelte, der ihr bei der Autopanne geholfen hatte.
Und die Sache gefiel ihr nicht. Schon jetzt spürte sie wieder, wie es Karsten Hofstädter allein durch seine Anwesenheit gelang, ihren Puls zum Rasen zu bringen. Die Wirkung, die er auf sie ausübte, war einfach unglaublich.
»Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich seine Erkrankung sehr bedaure«, fuhr er fort. »Ich hoffe, dass er bald wieder ganz gesund wird.«
Michaela nickte, dann winkte sie ab. »Ich denke, wir sollten jetzt zum geschäftlichen Teil kommen«, sagte sie. »Ich kann es mir nicht leisten, den halben Tag um den heißen Brei herumzureden. Also, was wollen Sie?«
Karsten Hofstädter lächelte. »Eines muss man Ihnen lassen, Sie kommen gleich zur Sache. Aber das gefällt mir, alles andere wäre auch bloße Zeitverschwendung. Also gut, dann sollten wir aufs Wesentliche kommen: Ihr Vater hat uns ja um ein Angebot für seinen Hof gebeten und…«
»Einen Moment mal«, fiel Michaela ihm ins Wort. »Mein Vater hat bestimmt niemanden um ein Angebot gebeten. Soweit ich weiß, sind Sie auf ihn zugekommen. Aber schlussendlich ist das auch völlig gleichgültig. Wir wissen beide, weshalb Sie hier sind. Also – wie lautet Ihr Angebot?«
Karsten Hofstädter nannte ihr die Summe, die sein Auftraggeber – also die Firma, für die er arbeitete – zu zahlen bereit war, und Michaela glaubte, sich verhört zu haben.
»Das ist jetzt aber net Ihr Ernst, oder?« Entschieden schüttelte sie den Kopf. »Nein, das muss ein schlechter Scherz sein. Der Hof ist mindestens das Doppelte, wenn nicht das Dreifache wert!«
Karsten Hofstädter schüttelte bedauernd den Kopf. »Das mag sicher einmal der Fall gewesen sein, aber das ist lang her. Heute ist das Anwesen leider längst nimmer so viel wert. So wie die Dinge heute liegen… Schauen S’, ich…«
»Kommt net in Frage!« Entschieden schüttelte Michaela den Kopf.
Karsten Hofstädter blickte sie irritiert an. »Wie bitte? Was meinen S’?«
»Sie haben mich schon recht verstanden. Richten S’ Ihrem feinen Chef bitt’ schön aus, dass ich sein Angebot im Namen meines Vaters ablehne. Und jetzt entschuldigen S’ mich bitte, ich hab’ noch zu tun.«
»’s tut mir leid, aber damit kann ich mich net so einfach zufriedengeben«, erwiderte Karsten Hofstädter, der zwar überrascht wirkte, aber weiterhin gelassen blieb.
»Ach«, Michaela lachte, »und was wollen S’ stattdessen tun? Ich mein’, korrigieren S’ mich bitte, wenn ich falsch liege, aber wenn ich Ihr Angebot ablehnte, ist die Sache ja wohl für Sie gelaufen.«
»Net ganz. Mein eigentlicher Verhandlungspartner sind nämlich net Sie, sondern Ihr Herr Vater. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte Ihren Einsatz keinesfalls abwerten. Aber Sie sind eben doch nur eine kurzzeitige Vertretung. Und solange ich net von Ihrem Vater persönlich hör’, dass es zu keinem Verkauf kommen wird, sehe ich meine Aufgabe als nicht erledigt an.«
Verdutzt sah Michaela ihn an. »Ach, und was wollen S’ jetzt noch von mir?«
»Sie um einen zweiten Gesprächstermin bitten.«
»Einen zweiten Termin? Und was soll das bringen?«
»Nun, sehen Sie, leider ist heute net alles so gelaufen, wie wir beide uns das vorgestellt haben, was sicher an der Feststellung liegt, dass wir uns ja gestern bereits kennen lernen durften, und der damit verbundenen Überraschung. Ich würde es also begrüßen, wenn wir uns noch einmal in aller Ruhe unterhalten könnten, und zwar nicht zwangsläufig über einen möglichen Verkauf. Schauen S’, mich interessieren Ihre Pläne auch. Ich frage mich, wie Sie den Hof Ihres Vaters retten wollen. Also, was meinen S’? Morgen um dieselbe Zeit? Vielleicht draußen vor dem Hof? Ich find’, an der frischen Luft lässt’s sich doch viel besser reden. Einverstanden?«
Er lächelte ihr zu, und Michaela konnte nichts mehr tun außer zu nicken.
»Einverstanden«, sagte sie, und Karsten Hofstädter verabschiedete sich. Er hatte kaum das Zimmer verlassen, als Michaela sich verwundert fragte, was bloß in sie gefahren war, sich erneut mit diesem Kerl zu treffen. Von ihrer Seite gab es schließlich nichts mehr zu bereden. Und doch hatte sie nicht nein sagen können.
Wie