Eine spanische Eröffnung. Harald Kiwull

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Eine spanische Eröffnung - Harald Kiwull


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ich ihm, was mir passiert war. Und er versuchte, mit mir zu überlegen, was dahinter stecken könnte. Aber wir kamen zu keinem Ergebnis, und es war klar, dass er mir auch nicht weiterhelfen konnte. Ich beschrieb ihm die Männer, aber bei ihm in der Bar waren sie bisher nicht aufgetaucht.

      Etwas später setzte ich mich an einen Tisch im Hintergrund, nachdem ich einige köstliche Tapas bei ihm bestellt hatte: Gambas al Ajillo, Albóndigas und Patatas Bravas. Außerdem stellte er eine Flasche Wein vom Ribera del Duero vor mich hin. Er wusste, dass das mein Lieblingswein war.

      Das Lokal hatte sich gefüllt, an der Theke standen inzwischen in einer Gruppe zwei, drei Frauen und mehrere Männer, die sich ziemlich lärmend unterhielten. Einer von ihnen lachte immer wieder unerträglich laut. Was mich sonst nicht störte, ging mir heute ziemlich auf die Nerven. Ich grübelte weiter vor mich hin, natürlich ohne Erfolg. Aber allmählich kam ich etwas zur Ruhe und fing an zu überlegen, wie ich mich in Zukunft verhalten sollte und was ich unternehmen könnte. Das hilflose Opfer zu bleiben, gefiel mir natürlich gar nicht.

      Einige Zeit danach blickte ich auf, als sich Paquita durch den Gästepulk schob und, nachdem sie von allen laut begrüßt worden war, strahlend an meinen Tisch trat. Hübsch anzusehen mit ihrem dicken, blonden Zopf, einem weiten, hellgrauen Pullover, einer engen, schwarzen Hose und hohen Stiefeln. Sie hat wirklich ein reizendes Lächeln, dachte ich und küsste sie rechts und links auf die Wangen. Sie setzte sich zu mir.

      Sofort bemerkte sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Und um ihren Fragen zuvorzukommen, erzählte ich ihr auch die ganze Geschichte. Ziemlich entsetzt hörte sie mir zu und legte mitfühlend die Hand auf meinen Arm. Als ich fertig war, schwieg sie einen Augenblick. Dann straffte sie sich, setzte sich kerzengrade auf und erklärte mir, dass es ausgeschlossen sei, dass ich weiter im Haus in der Sierra wohne. Natürlich würden die Kerle zurückkommen, denn sie hätten ja offensichtlich nicht erreicht, was sie wollten. In ihrem Haus in El Pinar, einer kleinen Ansiedlung über Alcossebre in den Bergen, gebe es unten eine kleine Wohnung, da könne ich den Rest meiner Zeit gut wohnen. Sie hatte das Haus, wie sie mir schon früher erzählte, von ihren vor zwei Jahren bei einem Autounfall verunglückten Eltern geerbt und war dahin umgezogen.

      Eine Stunde später folgte ich ihr mit meinem geliebten alten roten Lancia die gewundene schmale Straße hinauf.

      Im Haus in der Sierra hatte ich zuvor in aller Eile die Sachen zusammengepackt, immer mit dem ungemütlichen Gefühl, dass ich überraschenden Besuch bekommen könnte. Aber erfreulicherweise tauchte niemand auf. Die Eingangstür verschloss ich, nachdem ich aus alter Gewohnheit wieder ein Blatt in den Türspalt geklemmt hatte. Ich überlegte kurz, ob ich eventuellen Gästen eine vernichtende Botschaft auf dem Tisch hinterlassen sollte. Aber mir fiel nichts Originelles ein.

      In El Pinar schwenkte Paquita ein kurzes Stück wieder den Berg hinunter und dann im Bogen durch ein offenes, hohes Eisentor vor ein großes, altes, weißes Haus, das kurz im Scheinwerferlicht auftauchte. Ich stoppte daneben.

      Nachdem ich aus dem Auto ausgestiegen war, blieb ich abrupt stehen. Der Blick von hier oben war atemberaubend.

      Es war sehr spät geworden. Der Wind hatte sich gelegt. Tief unter uns glänzten die nächtlichen Lichter des Ortes. Das dunkle Meer erstreckte sich endlos weit nach beiden Seiten und in die Ferne, verlor sich im Horizont. Der tiefstehende Mond zeichnete eine lange, silberne Spur über das Wasser. Links herüber schimmerte der weiße Leuchtturm von Alcossebre und in großer Distanz leuchteten die Lichter der Hafeneinfahrt von Peñíscola. Hinter uns ragten dunkle Bergketten empor. Es herrschte eine fast unwirkliche Stille. Und über uns ein unglaublicher Sternenhimmel, wie man ihn nur sehen kann, wenn es ringsumher ganz dunkel ist.

      Auch Paquita hatte innegehalten. Sie wusste, wie dieser Anblick auf ihre Gäste wirkt. Sie ließ mir Zeit.

      Es war schon weit nach Mitternacht, als ich mein Handy hervorkramte. Paquita hatte mir die Räume der kleinen Wohnung im Erdgeschoss gezeigt und war dann mit einer Kusshand in die obere Etage verschwunden.

      Jan in Karlsruhe meldete sich sofort. Er gehört zu den Menschen, die erst bei Anbruch der Nacht richtig lebendig werden. Er ist ein guter, alter Freund von mir, verhinderter Jurist und seit Jahren Privatdetektiv. In der Vergangenheit war er mir oft eine große Hilfe gewesen.

      „Ja hallo Maximilian, das ist aber eine große und noch dazu nächtliche Überraschung. Wie geht es dir in südlichen Gefilden?“, rief er äußerst munter und sehr laut ins Telefon.

      Wieder einmal war diese ausgeprägte nächtliche Überaktivität für mich verblüffend. Ich fühle mich zwar auch am Abend wohler als am Morgen. Aber irgendwann ist dann auch Schluss. Nicht so bei Jan.

      „Alles ganz wunderbar hier – bis heute.“

      Ich zögerte: „Na ja, eigentlich schon bis vor ein paar Tagen.“

      „Wieso? Was ist passiert?“

      Zum dritten Mal erzählte ich meine Geschichte. Er hörte mir zu, ohne mich zu unterbrechen, offensichtlich ganz konzentriert. Das schätze ich auch an ihm, dass er zu den Menschen gehört, die zuhören können. Leider sind es ja eher wenige, die es schaffen, mal einige Zeit nicht an sich selbst zu denken.

      „Maximilian, Maximilian“, stöhnte er, als ich fertig war. „Das darf doch wohl nicht wahr sein, dass du wieder in irgendwas verstrickt bist. Was um Himmels Willen hast du angestellt, dass wieder jemand hinter dir her ist?“

      Es war ja tatsächlich so, dass mir in der Vergangenheit diese merkwürdigen und auch gefährlichen Dinge passiert waren. Noch gar nicht lange war es her, dass ich überfallen wurde und in große Gefahr geriet. Es war eine schwere Zeit gewesen. Aber schließlich hatte ich es, auch durch Zufall und Glück geschafft, die Probleme zu lösen. Und eigentlich war ich der Meinung, dass damit mein Kontingent an üblen Erlebnissen wirklich gedeckt sein sollte. Aber offenbar war das Schicksal, oder wer auch immer, anderer Meinung.

      „Jan, du hast vollkommen recht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie mir das stinkt. Ich hatte es doch wirklich verdient, zur Ruhe zu kommen. Wird mir aber anscheinend nicht gegönnt.“

      „Hast du keine Ahnung, was und wer dahinter stecken könnte?“ Er zögerte. „Vielleicht hängt es mit deinem Beruf zusammen! Aber ein Überfall in Spanien deswegen, ist doch wohl eher nicht vorstellbar? Hast du dort irgendwelche Feinde?“

      In früheren Zeiten hatte Jan immer wieder kreative Ideen, wenn es darum ging, kriminelle Zusammenhänge zu erkennen. Aber ich merkte, dass er jetzt hilflos war.

      Etwas lauter fügte er an: „Hoffentlich bist du aus deinem Haus aus- und in ein Hotel gezogen! Die Kerle haben sicher nicht aufgegeben!“

      Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich antwortete: „Ja sicher. Ich schlafe jetzt bei Paquita, der Postbotin von Alcossebre.“

      Am anderen Ende herrschte Schweigen. Meinem Freund hatte es die Sprache verschlagen.

      Ich setzte noch hinzu: „Weißt du, sie donnert mit ihrem Motorrad, einer spanischen ‚Rieju‘, durch den Ort und fährt die Post aus. Das hat mir gut gefallen. Ziemlich sexy.“

      Es kommt nicht oft vor, dass Jan um eine Antwort verlegen ist. Aber es kam weiterhin nichts von der anderen Seite. Also sprach ich weiter: „Die Maschine stammt übrigens aus dem katalanischen Figueras, du weißt, der Heimatstadt von Salvatore Dalí. Irgendwie alles ein bisschen speziell.“

      Ich konnte ihn mir lebhaft vorstellen, wie er da in seinem bequemen Sessel saß und den Kopf schüttelte.

      „Ich kann dich beruhigen“, sagte ich nach einer Weile. „Sie ist eine ganz reizende junge Frau und außerdem noch äußerst attraktiv. Ich habe sie kennengelernt, und wir haben uns angefreundet. Ich habe ihr von meinen Problemen erzählt. Sie bewohnt ein großes Haus auf dem Berg und hat mich unten einquartiert.“

      „Gleich wirst du noch sagen, das alles dient nur dem Training der Sprache“, brachte er schließlich spöttisch heraus. „Aber jedenfalls bist du einigermaßen außerhalb der Reichweite der Typen.“

      Er wurde wieder ernst. „Aber hast du mich deswegen zu dieser


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