Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie. 50 Cent

Читать онлайн книгу.

Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie - 50  Cent


Скачать книгу
Er versuchte, mir diese rein geschäftliche Seite der Dinge zu zeigen, aber das konnte ich damals nicht verstehen.

      Ich entgegnete: „Ich werde morgen an morgen denken. Was das Heute angeht, habe ich nur noch eine knappe Stunde hier draußen übrig, und ich verdiene kein Geld, wenn ich hier mit dir herumsitze.“ Brian wendete den Wagen, und ich ging zurück zum Strip. Das Wichtigste, das ich aus unserer Unterhaltung mitnahm, war, dass ich noch einen weiten Weg vor mir hatte, bevor ich richtig Geld verdienen würde. Das war der Moment, als ich begann, mich voll ins Zeug zu legen.

      Kapitel 5

      „Ich muss nicht in die Kirche gehen, um mit Gott zu sprechen oder in der Bibel zu lesen …“

      Eines Sonntagmorgens weckte mich meine Großmutter zum Kirchgang. Ich war den ganzen Tag zuvor und so lange wie möglich in den Abend hin­ein draußen gewesen und hatte Crack vertickt. Ich hatte ungefähr achtzig Dollar auf meine Rechnung verdient, so viel wie nie zuvor an einem einzigen Tag. Ich war hundemüde.

      „Auf geht’s, Boo-Boo“, sagte meine Großmutter. „Du musst dich anziehen.“

      „Ich komm ja schon, ich komm ja schon“, sagte ich, aber noch bevor sie das Zimmer verlassen hatte, schlief ich schon wieder tief und fest. Ein paar Minuten später kam sie zurück und rüttelte mich wach. Ich stand nicht mal vom Bett auf. Ich schüttelte sie nur mit meiner Schulter ab und sagte: „Ich will aber nicht hingehen.“

      Sie dachte, dass mit mir etwas nicht stimmte. „Was? Bist du krank?“, fragte sie. „Geht’s dir gut? Hast du Bauchschmerzen? Was hast du gestern gegessen? Du warst den ganzen Tag über draußen und hast wahrscheinlich was Unrechtes gegessen. Zu viel Junkfood. Ich geb dir ein bisschen Ginger-Ale.“

      „Ich bin okay“, sagte ich. „Ich will nur nicht in die Kirche gehen.“

      Sie sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Red jetzt keinen Unsinn, und zieh dich an“, sagte sie. Dann verließ sie das Zimmer, und ich schlief wieder ein. Ich schlief aber nicht mehr ganz fest ein, da ich wusste, dass die Unterhaltung noch nicht zu Ende war. Wie erwartet, kam meine Großmutter nach ein paar Minuten zurück und zog mir die Decke weg. Der plötzliche Kälteschock weckte mich ziemlich schnell auf. Ich sagte ihr, dass ich nicht in die Kirche gehen würde.

      „Was soll das heißen, du willst heute nicht in die Kirche gehen?“, fragte sie.

      „Ich habe nicht ‚heute‘ gesagt. Ich sagte, ich will nicht in die Kirche gehen. Star geht nicht in die Kirche. Harold geht nicht in die Kirche. Karen geht nicht …“

      „Du brauchst mir nicht zu erzählen, wer alles nicht zur Kirche geht! Ich gehe in die Kirche; ich weiß, wer nicht dort ist!“ Ich bekam Angst. Meine Großmutter erhob niemals ihre Stimme, und jetzt schrie sie beinahe. Ich wusste, dass die Kirche ein wichtiger Teil ihres Lebens war. Sie verbrachte den ganzen Samstag damit, Kuchen zu backen, die sie verkaufte, um so der Kirche zu helfen, Geld für die Erhaltung und Renovierung aufzubringen. Ich wusste nicht, wie ich ihr sagen sollte, dass ich nicht stundenlang den Herrn preisen wollte, wenn ich genauso gut unterwegs sein und Drogen verkaufen konnte. Es passte für mich auch nicht zusammen, erst den Herrn zu preisen und dann auf dem Absatz kehrt zu machen, um im Gebüsch und auf der Straße Crack zu verkaufen. Aber das war schon ein ganz anderes Gespräch, für das ich noch nicht bereit war. Zum Glück kam mein Großvater herein.

      „Was zum Teufel ist denn hier los?“, fragte er.

      „Sprich nicht so am Tag des Herrn, Curtis“, sagte meine Groß­mutter.

      Plötzlich war ich nicht mehr so glücklich darüber, dass mein Großvater hereingekommen war. Er war gerade von seiner Frau zurechtgewiesen worden, und ich war schuld daran. Mein Großvater ballte die Fäuste an den Seiten, als ob er gleich losschimpfen wollte. Ich war geliefert. „Was ist denn los?“, fragte er.

      „Boo-Boo sagt, dass er nicht mehr in die Kirche gehen will.“

      „Verdammt“, sagte mein Großvater. „Wenn der Junge nicht in die Kirche will, dann muss er auch nicht in die Kirche gehen.“ Meine Großmutter war still. Ich war gerettet. Meine Großeltern waren bereits seit einiger Zeit unterschiedlicher Meinung in Sachen Kirche. Das war aber nicht immer so gewesen. Als er noch einer anderen Kirche angehörte, ging mein Großvater immer treu und brav zum Gottesdienst. Er war so sehr in die ­Gemeinde integriert, dass er einige Jahre lang sogar als Dekan tätig war. Einmal brachte er ein paar tausend Dollar zusammen, damit sich die Kirche eine neue Orgel kaufen konnte. Irgendwann wurde in der Kirche ein großes Konzert veranstaltet, und mein Großvater organisierte die Band, verkaufte die Eintrittskarten und kümmerte sich um alles. Am Abend des Konzerts jedoch verschwand der Pastor mit den gesamten Einnahmen. Mein Großvater musste auf die Bühne gehen und sich bei den hunderten von Menschen, die gekommen waren, entschuldigen. Nach diesem Ereignis wechselte meine Großmutter die Kirchengemeinde, aber mein Großvater wollte keinen Fuß mehr in eine Kirche setzen – solange der Anlass nicht eine Hochzeit oder ein Begräbnis war.

      An jenem Morgen in meinem Zimmer sagte er dasselbe, was er schon seit Jahren sagte: „Scheißdreck, ich muss nicht in die Kirche gehen, um mit Gott zu sprechen oder in der Bibel zu lesen.“ Dann verließ er das Zimmer. Meine Großmutter folgte ihm. Das war das letzte Mal, dass ich zur Kirche gegangen war.

      Kapitel 6

      „Drogen waren kein Spiel – Drogen waren ein Geschäft …“

      Bevor er eingesperrt wurde, hatte mein Onkel Trevor Sincere einigen gut gekleideten Kolumbianern vorgestellt, von denen einer den Namen Carlos trug. Wie Trevor hatte auch Carlos Klasse. Im Sommer trug er maßgeschneiderte Anzüge aus Seide oder Leinen, im Winter teure Strickpullover und weiche Ledertrenchcoats. Trevor und Carlos trafen sich immer im Haus meiner Großmutter, wenn sie bei der Arbeit war. Ich glaube, Trevor hatte deshalb das Haus meiner Großmutter gewählt, weil er oft genug dort war, um zu wissen, dass es sicher war, aber nicht oft genug, dass man ihn hätte aufspüren können. Ich erinnere mich, dass Carlos immer nur Wasser trank, und nichts als Wasser. Nur Wasser. Kein Eis. Egal, wie heiß es war. Ich brachte ihm sein Wasser immer als Vorwand dafür, bei ihnen herumzuhängen und mehr übers Geschäft zu lernen. Wann immer Trevor und Carlos zusammenkamen, war der Drogenhandel kein Spiel mehr – es war das Drogengeschäft. Sie nahmen die Angelegenheit sehr ernst. So viel lernte ich und viel mehr auch nicht, denn sie redeten nie über Drogen. Sie redeten nur über die Fußballweltmeisterschaft. Es dauerte eine ganze Weile, bis mir klar wurde, dass „Fußball“ ein Code war, den sie in ihren Geschäftsverhandlungen benutzten. Alles, was ich damals mitbekam, war, dass Onkel Trevor und Carlos sich sehr für die mexikanischen und kolumbianischen Mannschaften interessierten und dass Carlos kein Eis in seinem Wasser mochte.

      Nachdem man Trevor in den Knast gesteckt hatte, begann Sincere, mit Carlos Geschäfte zu machen und wurde ebenfalls ein großer Fußballfan. Yo, ich fragte mich, was es verdammt noch mal mit diesem Scheißfußball auf sich hat? Ich versuchte ein- oder zweimal, mir ein Spiel anzusehen, aber es war nicht auf Englisch und lief auf einem dieser Kanäle mit schlechter Bildqualität. Ich kapierte es einfach nicht. Als ich Sincere fragte, was ihm denn an Fußball so gefalle, erklärte er mir nur, dass man es nur in den USA „Soccer“ nannte, der Rest der Welt das Spiel jedoch unter dem Begriff „Fußball“ kannte und dass das, was wir als „Football“ kannten, vom Rest der Welt „American Football“ genannt würde. Ich sagte ihm, dass ich nicht ­begriff, was daran so interessant sein sollte. Er sagte: „Die Welt ist viel größer, als wir denken.“

      Mir fiel auf, dass sich Sincere immer mehr für Fußball begeisterte, je öfter er mit Carlos sprach. Je mehr er sich für Fußball begeisterte, desto mehr Geld verdiente er. Je mehr Geld er verdiente, desto mehr verdiente auch ich, also wurde auch ich ein Fußballfan. Ich glaube, ich war der größte Fußballfan, der nie ein Spiel gesehen hatte. Jede Mannschaft, auf die wir setzten, hatte bald eine solche Glückssträhne, dass ich begann, rohes ­Kokain von Sincere zu beziehen. Ich fing mit acht Bällchen an, wovon jedes eine Achtelunze – dreieinhalb Gramm – wog. Dann steigerte ich mich auf sieben Gramm, also eine Viertelunze, dann bis zu einer halben Unze. Für reines


Скачать книгу