Pink Floyd. Mark Blake

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Pink Floyd - Mark  Blake


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in einer Rockband doch nicht ausgezahlt hätte, hätte er ebendieses Studium wieder fortgesetzt. Mittlerweile – drei Jahrzehnte später – gehören der Walrossschnauzer und die langen Haare, die in den Siebzigerjahren sein Markenzeichen waren, längst der Vergangenheit an. Stattdessen ähnelt der glattrasierte, 60-jährige Schlagzeuger mit den etwas hängenden Backen und den nach wie vor vollen, aber kurzgeschnittenen grauen Haaren dem Architekten, der er fast geworden wäre. Sein Hemd wirft ein paar Falten, was nahelegt, dass es frisch aus der Verpackung stammt.

      Auf der linken Bühnenseite beugt sich Richard Wright über seine Keyboards. Er trägt eine dunkle Leinenjacke über einem weißen Hemd. Sein leicht zerknautschtes Äußeres verleitete einen Beobachter einst dazu, ihn mit einem „inzwischen mittellosen ehemaligen Meister-Jockey“ zu vergleichen. Auch er hatte sich eine Zeitlang der Architektur gewidmet und strahlt immer noch das Flair eines Künstlers aus. In Wahrheit wirkt er mehr wie ein halbpensionierter Rockstar aus den Siebzigern als sein trommelnder Bandkollege. Wright, ein begnadeter Musiker, hat sich aufgrund seiner schweigsamen Art und der starken Persönlichkeiten, die ihn umgaben, vorrangig in der zweiten Reihe bei Pink Floyd wiedergefunden. 1979 musste er es sich gefallen lassen, von Roger Waters aus der Band geworfen zu werden, da er Waters zufolge nicht ausreichend zum aktuellen Album der Band, The Wall, beigetragen hätte. In weiterer Folge durchlebte Wright eine depressive Phase im Exil, bevor er unter Gilmours Regie langsam wieder eingeführt wurde. Schlussendlich erhielt er endlich Mitspracherecht in der Band, die er ja eigentlich mitgegründet hatte.David Gilmour, der abgetragene Jeans und ein schwarzes Shirt trägt, überblickt das Geschehen vor ihm. Mehr noch als die anderen Mitglieder seiner Band entsprach Gilmour stets dem Bild eines Hippie-Musikers aus den Siebzigerjahren: barfuß, relaxt und eine Strähne seines langen Haarschopfes hinter seinem Ohr, während er mit den Einstellungen seines Gitarrenverstärkers experimentierte oder mit seinen Zehen auf ein Effektpedal trat. Lange Haare hat er nun schon längst nicht mehr und die Überreste trägt er streng kurzgeschoren. Auch um die Hüften hat er zugelegt. Dennoch strahlt Gilmour inzwischen viel Selbstvertrauen aus. Er wiegt seine Gitarre und macht sich daran, Texte zu singen, die sein einstmaliger Widersacher – Roger Waters – geschrieben hat. Seit Mitte der Achtzigerjahre ist er der Frontmann der Band. Während sich Roger Waters’ Zorn in erster Linie gegen ihn gerichtet hatte, hatte er ohne seinen ehemaligen Partner die Fertigstellung zweier Floyd-Alben beaufsichtigt, die jeweils Platin-Status erreichten, sowie mehrere Touren, die neue Maßstäbe setzten. Er schenkt sowohl Mason als auch dem Publikum ein schmallippiges Lächeln. Vor der Bühne befinden sich in einem geschlossenen Bereich seine Ehefrau sowie ein paar seiner Kinder. Seinen Bassisten würdigt er hingegen kaum einmal eines Blickes. Roger Waters, der nur ein paar Schritte von Gilmour entfernt steht, verwaltet sein eigenes Revier. Sein ergrauendes Haar ist länger und reicht immer noch bis zum Kragen seines verwaschenen blauen Hemds. Die Ärmel hat er hochgekrempelt, wodurch eine teuer wirkende Uhr zum Vorschein kommt. Waters spielt seinen Bass nicht, nein, vielmehr scheint er ihn zu attackieren. Sein Kinn schiebt er majestätisch nach vorne, während er seinen Kopf im Rhythmus bewegt und den Hals seines Instruments umgreift. Gelegentlich lächelt er, wobei er seine Zähne entblößt. Dieses Grinsen wirkt auf beunruhigende Weise aggressiv. Waters scheint trotz seines bedrohlichen Erscheinungsbildes aber begeistert zu sein, mit jenen Männern, denen er 20 Jahre zuvor mit rechtlichen Schritten gedroht hatte, die Bühne teilen zu dürfen. Bezeichnenderweise bewegt Waters seine Lippen synchron zu Gilmours Gesang, als ob er alle Anwesenden daran erinnern möchte, dass das seine Songs sind.„Breathe“ fungiert als sanfte Ouvertüre. Die lieblichen Gitarrenklänge fordern es quasi heraus, dass etliche Konzertbesucher ihre Feuerzeuge über ihre Köpfe halten, während sich ein kollektives Lächeln auf den Gesichtern derer, die die letzten zehneinhalb Stunden auf diesen Moment gewartet haben, breitmacht. Der Song aus der Feder des damals 30 Jahre alten Roger Waters gab die textliche Ausrichtung vor, die auf Dark Side of the Moon verfolgt werden sollte – eine klagende Erkundungsfahrt durch die Ängste und Sorgen des frühen Erwachsenenalters. In den Worten des Bassisten: „Du hast die längste Weile herumgesessen und darauf gewartet, dass dein Leben endlich losgeht – und dann fällt dir plötzlich auf, dass es das längst getan hat.“ Dass der Song nun 30 Jahre später von denselben Männern gespielt wird, lässt ihn umso prophetischer wirken.

      Ohne viele Worte zu verlieren, lässt die Band „Breathe“ schließlich hinter sich, um jenen Song zu spielen, der Pink Floyd einst zum Durchbruch in Amerika verholfen hatte – „Money“. Im Vergleich zur ersten Nummer ist es lauter, übersteuerter Hard-Rock. Die Lyrics sind seit damals ein vorhersehbares Ziel des Zornes jener geworden, die über Pink Floyds Status als Multimillionäre die Nase rümpften. Doch das Thema des Songs passt zu Live 8. Mason erklärt später außerdem: „Sir Bob wollte, dass wir ihn spielen.“ Sei’s wie’s sei, der Druck und das Tempo des Songs machen ihn zu einer idealen Nummer für einen Open-Air-Event. Gilmour spielt unermüdlich seine Solos, bis der Song schließlich von einem Saxofon-Solo Dick Parrys in zwei Stücke gehauen wird. Bei ihm handelt es sich um denselben Musiker, der schon auf der Originalaufnahme zu hören gewesen war. Als er die Bühne betritt, wirkt auch er, als sei er auf der Suche nach dem neunten Loch des Golfkurses. Während die beiden die Zielgerade des Songs unter sich ausmachen, kommt es für einen Sekundenbruchteil zum Augenkontakt zwischen Gilmour und Waters.

      Vor dem Konzert hatte Nick Mason hinter der Bühne ausgerechnet, dass sie zusammen „über 300 Jahre Rock’n’Roll-Erfahrung“ auf die Bühne brächten. Allerdings ist es die Lebenserfahrung der Gruppe, die sie so relevant macht. Wie es ein Floyd-Insider einst ausdrückte: „Die Musik von Pink Floyd gleicht einem hübschen Mädchen, das nicht mit dir sprechen will.“ Im Falle dieser Band, die durch typisch englische Reserviertheit sowie die Unfähigkeit, unabhängig von der Musik miteinander zu kommunizieren, auffiel, brachte dieser plötzlicher Friede all die Menschlichkeit und Emotionen, die sich in ihren Songs verbargen, an die unmittelbare Oberfläche. Mit einem Schlag ergab alles einen Sinn.

      Im Kontext dieses Auftritts klingt „Wish You Were Here“ wie das, was es ist: ein simples Liebeslied für einen abwesenden Freund. Gilmour und Waters greifen dafür beide zu Akustikgitarren, während ein weiterer alter Weggefährte, der zweite Gitarrist Tim Renwick, aus dem Schatten tritt, um die beiden zu unterstützen. Waters singt die zweite Strophe, wobei sich seine rauere Stimme von Gilmours lieblicherer Tonlage abhebt. Der Song ist kurz und einfach und wird frenetisch bejubelt. Das Publikum ist bezüglich der Herkunft und Bedeutung dieser Nummer im Bilde. Sie handelt unter anderem auch von jenem einen Mitglied der Originalbesetzung von Pink Floyd, das heute nicht auf der Bühne steht, Syd Barrett.

      Die Schlussnummer ist ebenso unvermeidlich wie erwartet. Sie nicht zu spielen, würde einem Akt der Ketzerei gleichkommen. „Comfortably Numb“ ist ursprünglich auf The Wall, einem Konzeptalbum über den qualvollen Niedergang eines Rockstars, erschienen. Waters und Gilmour, die sich erneut den Leadgesang teilen, besingen den ausgebrannten Barden aus The Wall, der sich in einem kuschelweichen, von Drogen herbeigeführten Nirwana verliert, bevor Gilmour den Song mittels eines seiner Gitarrensolos zu einem großen Hollywood-Finale bringt, welches seitdem so inadäquat von so vielen Rockbands abgekupfert wurde. Die Darbietung ist grandios, spektakulär und auf seltsame Weise bewegend.

      Als sich die vier zur Mitte der Bühne begeben, machen die zuvor noch so stoischen Mienen Platz für breitgrinsende Gesichter. Waters, der seine Arme bereits um Mason und Wright gelegt hat, gestikuliert in Richtung Gilmour, der sich unbehaglich zu fühlen scheint. Seine Lippen bewegen sich: „Na, komm schon!“ Zögerlich erlaubt es der Gitarrist, dass man ihn in die Arme schließt, während die reformierten Pink Floyd zu ihrer Verbeugung ansetzen. Ein Transparent im Publikum illustriert diesen Augenblick: „Pink Floyd wiedervereinigt! Wenn Schweine fliegen können, ist alles möglich!“

      Um 23 Uhr 15 betritt Sir Paul McCartney die Bühne, um Live 8 mit seinem Auftritt würdig abzuschließen. Doch nicht einmal er vermag es, die allgemeine Aufmerksamkeit von den vorangegangenen Geschehnissen wegzulenken. In den USA wird prompt gemunkelt, dass es zu lukrativen Touren von Pink Floyd kommen könnte. Sogar ein neues Album steht im Raum. Währenddessen schreibt die britische Tageszeitung Guardian in Großbritannien weniger ehrerbietig: „Zwar sehen sie aus wie Seniorpartner einer Wirtschaftsprüfungsfirma … doch klingen sie auch 24 Jahre nach ihrem letzten gemeinsamen Auftritt immer noch fantastisch.“

      Hinter der Bühne des kanadischen Ablegers


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