Cranford. Элизабет Гаскелл

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Cranford - Элизабет Гаскелл


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soll ihr erspart werden«, sagte Miss Jessie, mit Gefühlen kämpfend, denen sie nicht nachzugeben wagte.

      »Aber wie wollen Sie das machen, liebes Kind?«, fragte Miss Jenkyns. »Sie können sich nicht so zusammennehmen, sie muss ja Ihre Tränen sehen.«

      »Gott wird mir beistehen – ich will nicht schwach werden –, sie schlief, als die Nachricht kam, und sie schläft vielleicht noch. Sie würde so verzweifelt sein, nicht nur über Vaters Tod sondern auch bei dem Gedanken, was aus mir werden würde; sie ist so gut zu mir.« Sie blickte ihnen ernst ins Gesicht mit ihren ehrlichen, sanften Augen, und Miss Pole sagte später zu Miss Jenkyns, dass sie das kaum hätte ertragen können, da sie doch wusste, wie Miss Brown ihre Schwester behandelte.

      Indessen wurde alles nach Miss Jessies Wunsch eingerichtet. Miss Brown wurde nur gesagt, ihr Vater habe eine kurze Reise in dienstlichen Angelegenheiten antreten müssen. Man hatte es ihr auf irgendeine Weise glaubwürdig gemacht – Miss Jenkyns wusste selbst nicht genau, wie. Miss Pole sollte bei Miss Jessie bleiben. Mrs. Jamieson hatte sich nach ihr erkundigen lassen. Dies war alles, was wir an dem Abend hörten, dem eine sorgenvolle Nacht folgte.

      Am nächsten Tage stand ein ausführlicher Bericht über den Unglücksfall in der Provinzzeitung, die Miss Jenkyns hielt. Ihre Augen seien sehr schwach, sagte sie und bat mich, ihn vorzulesen. Als ich an die Stelle kam, »der ritterliche Mann war ganz versunken in die Lektüre einer ›Pickwick‹-Nummer, die er soeben erhalten hatte«, schüttelte Miss Jenkyns lange und feierlich den Kopf und sagte dann, tief aufseufzend: »Armer, lieber, verblendeter Mann!«

      Die Leiche sollte vom Bahnhof zur Beerdigung nach der Pfarrkirche gebracht werden. Miss Jessie hatte es sich in den Kopf gesetzt, ihr das Geleite bis zum Grabe zu geben, und kein Abraten vermochte ihren Entschluss zu ändern. Der Zwang, den sie sich selbst auferlegt, machte sie geradezu eigensinnig, und sie widerstand Miss Poles flehenden Bitten ebenso wie Miss Jenkyns’ Ratschlägen. Endlich gab Miss Jenkyns es auf und sagte nach einem längeren Stillschweigen, von dem ich schon fürchtete, dass es eine Verstimmung gegen Miss Jessie bedeutete, sie würde sie zu der Trauerfeier begleiten.

      »Es ist nicht passend, dass Sie allein gehen. Es wäre gegen jede Schicklichkeit und Menschlichkeit, wenn ich es zugeben würde.«

      Miss Jessie war offenbar mit diesem Vorschlag keineswegs einverstanden, aber sie hatte ihren Eigensinn, wenn er überhaupt vorhanden gewesen war, ganz bei dem Entschluss, dem Begräbnis beizuwohnen, erschöpft. Sie sehnte sich gewiss danach – das arme Ding! –, allein an dem offenen Grabe des lieben Vaters zu weinen, dem sie das Liebste auf der Welt gewesen war, und sich eine halbe Stunde dem Schmerz hinzugeben, ungestört von Beileidsbeteuerungen und unbeaufsichtigt von Freundschaft. Aber es sollte nicht sein. Miss Jenkyns ließ sich noch an demselben Nachmittag ein Meter schwarzen Krepp holen und war eifrig damit beschäftigt, den kleinen schwarzseidenen Hut damit zu garnieren, von dem ich schon gesprochen habe. Als er fertig war, setzte sie ihn auf und blickte uns an, ob wir damit einverstanden wären – denn Bewunderung verachtete sie. Ich war tief betrübt; aber wie einem mitunter, selbst im größten Schmerz, ein komischer Gedanke durch den Kopf fährt, so fiel mir beim Anblick des Hutes sofort ein Helm ein, und in diesem Zwittergebilde, der halb Helm und halb Jockeimütze war, wohnte Miss Jenkyns der Trauerfeier für Hauptmann Brown bei, hielt Miss Jessie mit einer liebevoll milden Festigkeit aufrecht, die unschätzbar war, und erlaubte der Armen, sich tüchtig auszuweinen, ehe sie das Grab verließen.

      Miss Pole, Miss Matty und ich sorgten inzwischen für Miss Brown, und das war ein hartes Stück Arbeit, ihre ungeduldigen und endlosen Klagen zu beruhigen. Aber wenn wir schon müde und mutlos waren, wie kann Miss Jessie es ausgehalten haben! Sie kam beinahe ruhig zurück, als ob sie neue Kraft gewonnen hätte, legte ihre Trauerkleider ab und kam blass und sanft herein, jeder von uns mit einem warmen, weichen Händedruck dankend. Sie vermochte sogar zu lächeln – ein schwaches, mildes, winterliches Lächeln –, als ob sie uns beruhigen wollte, dass ihre Kräfte ausreichten; aber dieser Blick füllte unsere Augen plötzlich mit Tränen, er ergriff uns mehr, als wenn sie selbst geweint hätte.

      Es war bestimmt worden, dass Miss Pole bei ihr bleiben und die Nacht mit ihr wachen sollte, Miss Matty und ich wollten am Morgen wiederkommen, um sie abzulösen und Miss Jessie ein paar Stünden ruhigen Schlafes zu verschaffen. Aber als der Morgen kam, erschien Miss Jenkyns am Frühstückstisch, den Helmhut auf dem Kopfe, und befahl Miss Matty, zu Hause zu bleiben, da sie selbst hingehen und bei der Pflege helfen wollte. Sie war augenscheinlich in einem Zustand großer, menschenfreundlicher Erregung, was sich darin äußerte, dass sie ihr Frühstück stehend verzehrte und mit dem ganzen Hauspersonal herumschalt.

      Aber keine Pflege, keine energische willenskräftige Frau vermochten Miss Brown mehr zu helfen. In dem Zimmer, das wir betraten, war etwas, das stärker schien als wir alle und das uns in feierlicher, ehrfurchtsvoller Hilflosigkeit zurückweichen ließ. Miss Brown lag im Sterben. Wir kannten ihre Stimme kaum wieder, es fehlte ihr der klagende Ton, an den wir so gewöhnt waren. Miss Jessie sagte mir später, dass Stimme und Gesichtsausdruck ganz so wie früher gewesen wären, als der Tod der Mutter sie zum jugendlichen sorgenvollen Haupt einer Familie machte, von der nun Miss Jessie übrig geblieben war.

      Sie war sich der Gegenwart ihrer Schwester bewusst, aber nicht der unsrigen, wie es mir vorkam. Wir standen etwas hinter dem Bettvorhang. Miss Jessie kniete und hielt ihr Gesicht nahe an das der Schwester, um ihre letzten geflüsterten Worte zu vernehmen.

      »Oh, Jessie, Jessie! Wie selbstsüchtig bin ich gewesen! Ich habe es zugelassen, dass du dich für mich aufgeopfert hast. Gott verzeih mir! Ich habe dich so lieb gehabt – und doch nur an mich gedacht; Gott verzeih mir!«

      »Still, Liebe, still!«, sagte Miss Jessie schluchzend.

      »Und mein Vater, mein lieber, lieber Vater! Ich will nicht mehr klagen, wenn Gott mir nur Kraft gibt, geduldig zu sein. Aber, Jessie, sage meinem Vater, wie ich mich danach gesehnt habe, ihn vor meinem Ende noch einmal zu sehen und ihn um Verzeihung zu bitten. Er wird nun nie erfahren, wie lieb ich ihn hatte – oh, wenn ich es ihm nur noch sagen könnte, ehe ich sterbe; wie sorgenvoll war sein Leben, und wie wenig habe ich getan, um ihn aufzuheitern!«

      Ein heller Schein flog über Miss Jessies Antlitz.

      »Würde es dich trösten, Liebste, wenn du erführest, dass er es jetzt weiß? Würde es dich trösten, wenn du wüsstest, dass seine Sorgen und sein Kummer –«, ihre Stimme bebte, aber sie zwang sich, ruhig zu sprechen. »Mary, er ist dir vorangegangen an den Ort, wo die Müden ihre Ruhe finden. Er weiß jetzt, wie sehr du ihn geliebt hast.«

      Ein sonderbarer Ausdruck, der aber nichts von Kummer an sich hatte, flog über Miss Browns Züge. Sie schwieg eine Weile, aber dann sahen wir, wie ihre Lippen Worte bildeten, ohne dass wir einen Ton hörten – »Vater, Mutter, Harry, Archy!« –, darauf schien ein neuer Gedanke einen leisen Schatten über ihren sich verdunkelnden Geist zu werfen: »Aber du wirst allein sein – Jessie!«

      Miss Jessie schien dies während des ganzen Schweigens gedacht zu haben, denn die Tränen stürzten ihr bei diesen Worten über die Wangen, und sie konnte nicht gleich antworten. Dann aber faltete sie die Hände fest zusammen, und sie emporhebend, sagte sie – jedoch nicht zu uns:

      »Obgleich Er mich geschlagen hat, will ich Ihm doch vertrauen.«

      Wenige Augenblicke später lag Miss Brown still und ruhig da, und alles Murren und Klagen war zu Ende.

      Nach dieser zweiten Trauerfeier bestand Miss Jenkyns darauf, dass Miss Jessie bei ihr bleibe, statt in das verödete Haus zurückzukehren, das, wie wir hörten, jetzt auch aufgegeben werden musste, da sie nicht die Mittel besaß, dort weiterzuleben. Sie hatte etwas mehr als zwanzig Pfund jährlich, außer den Zinsen, die das Geld für die verkauften Möbel bringen würde: Aber davon konnte sie nicht leben, und so überlegten wir, womit sie wohl Geld verdienen könnte.

      »Ich kann feine Näharbeit machen«, sagte sie, »und ich pflege gern Kranke. Ich glaube, ich könnte auch einen Hausstand führen, wenn es jemand mit mir als Wirtschafterin versuchen wollte; oder ich könnte in einem Laden verkaufen, wenn man zuerst Geduld mit mir hätte.«

      Miss Jenkyns erklärte


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