Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer. Johannes Chrysostomos

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für die antiochenische Zelt die Waage halten könnten. Es kann also mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, daß die Homilien zum Römerbrief von Chrysostomus in Antiochien gehalten worden sind.

      4. Druckausgaben und Übersetzungen

      Über Ausgaben und Übersetzungen unterrichtet die vorzügliche Chrysostomusbibliographie von Baur2. Darnach wurde der Kommentar erstmals griechisch gedruckt in der Ausgabe der Chrysostomuskommentare zu den paulinischen Briefen, die der Bischof Gibert von Verona im Jahre 1529 durch die Druckerei der Brüder Sabio in Verona in vier Bänden veranstaltete. Die erste kritische Ausgabe des griechischen Textes veröffentlichte Henry Savile in seiner Gesamtausgabe der Chrysostomusschriften zu Eton 1612, die letzte Friedrich Field zu Cambridge 1839 als ersten Band seines Chrysostomuskommentars zu den paulinischen Briefen. Er hat elf Handschriften dazu benützt. In der Migne-Ausgabe der Patrologia Graeca ist der Chrysostomuskommentar zum Römerbrief im sechzigsten Band, S. 385–682 enthalten.

      Die Übersetzungen ins Lateinische sind zahlreich3. Ins Deutsche übertragen sind die Homilien zum Römerbrief von Wilhelm Arnoldi, Trier 1831, zweite Auflage Regensburg 1858, und von J. Wimmer in der Kemptener „Bibliothek der Kirchenväter“, Kempten 1880.

      Der vorliegenden Neuübersetzung ist der von Field rezensierte griechische Text (Editio nova, Oxonii 1849) zugrunde gelegt. Auch die Fieldsche Zählung der Homilien, die der gewöhnlichen um eins voraus ist, da sie die Einleitung als erste Homilie zählt, wurde angewendet und die Einteilung der Homilien in Paragraphen nach der griechischen Vorlage wie in den bisher erschienenen Bänden beibehalten, obgleich sie nicht immer sinngemäß ist. Daneben wurde der besseren Übersicht wegen der Text auch nach den Versen des kommentierten Briefes eingeteilt. Die Übersetzung bindet sich nicht an das Wort des griechischen Textes, sondern strebt vor allem nach einer gut deutschen, leicht verständlichen Wiedergabe desselben, entfernt sich jedoch auch nicht unnötig weit von der Urschrift. Fremdwörter sind nach größter Möglichkeit vermieden. Angestrebt wurde ein gut deutscher Pedigtstil, weil ja, wie Chrys. Baur in der Einleitung zum ersten Band der Chrysostomus-Homilien dieser Sammlung bemerkt, „die Übersetzung wohl in erster Linie für solche Geistliche und Studierende bestimmt ist, die etwa aus Zeitmangel sich nicht an den Originaltext halten wollen“ (S. 10). Ob diese Absicht immer erreicht worden ist, mag der geneigte Leser beurteilen.

      Prag, am 28. Februar 1918.

      Der Übersetzer.

      Fußnoten

      1. Zahn, Der Brief des hl. Paulus an die Römer, 1910, S. 24.

      2. Chr. Baur, S. Jean Chrysostome et ses oeuvres dans l’histoire littéraire. Louvain et Paris 1907.

      ERSTE HOMILIE. * Einleitung. *

       1.

       Einleitung

      Immer wenn ich aus den Briefen des hl. Paulus vorlesen höre — und es ist dies wöchentlich zweimal der Fall, oft aber auch dreimal und viermal, wenn wir nämlich Gedächtnistage heiliger Märtyrer feiern —, erfreue ich mich daran, den Schall dieser geistigen Posaune zu genießen. Ich gerate in Entzücken und erglühe vor Sehnsucht, wenn ich diese mir so liebe Stimme vernehme, und es kommt mir vor, als sähe ich den Apostel, im Sprechen begriffen, wie leibhaftig vor mir stehen. Ich bedaure es, und es tut mir weh, daß nicht alle diesen Mann kennen, wie sie es sollten, sondern daß manche so wenig Kenntnis von ihm haben, daß sie nicht einmal die Zahl seiner Briefe genau wissen. Das kommt aber nicht von Wissensunfähigkeit, sondern weil sie nicht beständig mit diesem Heiligen vertrauten Umgang pflegen wollen. Denn auch wir danken unser Wissen von ihm, wenn wir ein solches besitzen, nicht unserer Begabung und Geistesschärfe, sondern dem beständigen Umgang mit diesem Manne und unserer innigen Verehrung für ihn. Denn geliebte Menschen kennen vor allen andern gerade die gut, welche sie lieben, weil sie ihnen am Herzen liegen. Das will auch unser Heiliger ausdrücken, wenn er im Briefe an die Philipper sagt; „Wie es billig ist, daß ich für euch diese Gesinnung hege, weil ich euch im Herzen habe, in meinen Banden und bei der Verteidigung und Befestigung des Evangeliums“ 1. Wenn ihr darum nur der Vorlesung (aus dem Apostel) mit Zuneigung folgen wollt, so braucht ihr nichts weiter; denn untrüglich ist das Wort Christi, das er gesprochen hat: „Suchet, und ihr werdet finden, klopfet an, und es wird euch aufgetan werden“ 2. Weil aber die Mehrzahl der hier Versammelten die Sorge um die Kindererziehung, um Weib und Hausstand auf sich hat, sind sie nicht in der Lage, sich ganz einer solchen Arbeit hinzugeben. Darum seid wenigstens bereit, die von andern gesammelten Gedanken anzunehmen, und laßt euch die Anhörung ihres Vortrages wenigstens so sehr angelegen sein wie den Erwerb von Geld. Wenn es auch fast eine Schande ist, nur eine solche Sorgfalt von euch zu verlangen, so bin ich doch damit zufrieden, wenn ihr nur diese aufbringt. Unzählige Übelstände schreiben sich her von der Unkenntnis der hl. Schriften; von da quillt der Schlamm der vielen Irrlehren auf, darauf geht das sorglose Leben so vieler zurück, davon kommt es her, daß ihre Arbeiten ohne Ertrag sind. Denn gerade so wie die des Augenlichtes Beraubten nicht ihre geraden Wege gehen können, ebenso müssen die, welche kein Auge haben für das Licht, das aus den göttlichen Schriften strahlt, in vielen Dingen und beständig irren, da sie ja in dichtester Finsternis dahinschreiten. Damit dies nicht geschehe, wollen wir unsere Augen für die Lichtstrahlen der apostolischen Worte offen halten. Denn die Sprache dieses Apostels überstrahlt ja an Glanz die Sonne, und alle andern übertrifft er durch seinen Lehrvortrag. Weil er sich mehr als sie abgemüht hat, darum hat er auch die Gnade des Hl. Geistes in vollem Maße auf sich gezogen. Das kann ich nicht bloß aus seinen Briefen beweisen, sondern auch aus der Apostelgeschichte. Denn wenn es irgendwo erforderlich war, öffentlich aufzutreten, wiesen (die andern Apostel) dies immer ihm zu. Darum wurde er von den Heiden für Hermes gehalten, weil er das Wort in seiner Gewalt hatte.

      Im Begriff, auf den vorliegenden Brief überzugehen, müssen wir zunächst die Zeit bestimmen, um die er geschrieben worden ist. Er ist nämlich nicht, wie viele meinen, früher als alle andern Briefe geschrieben, wohl aber früher als alle aus Rom geschriebenen, jedoch später als die andern, wenn auch nicht später als alle andern. Die beiden Briefe an die Korinther sind vor diesen abgeschickt worden. Das ist nämlich aus einer Stelle am Schlusse des vorliegenden Briefes ersichtlich, wo es heißt: „Jetzt aber reise ich nach Jerusalem, den (dortigen) Heiligen einen Dienst zu leisten; Mazedonien und Achaia haben es nämlich für gut befunden, eine Sammlung zu veranstalten zugunsten der Armen unter den Heiligen in Jerusalem 3. Den Korinthern schreibt der Apostel: „Wenn es dafür steht, daß auch ich reise, so sollen sie mit mir reisen 4; er meint damit die, welche das (gesammelte) Geld dorthin überbringen sollten. Daraus geht hervor, daß ihm zur Zeit, als er an die Korinther schrieb, seine Reise (nach Jerusalem) noch zweifelhaft war, als er aber an die Römer schrieb, sie ihm bereits feststand. Hält man dies zusammen, so ist ersichtlich, daß der Brief an diese nach dem an jene geschrieben ist. Der Brief an die Thessalonicher scheint mir aus noch früherer Zeit zu sein als der an die Korinther. Denn im ersten Brief an sie erwähnt er auch diese Almosensammlung, wenn er sagt: „Was aber die Bruderliebe betrifft, so haben wir nicht nötig, auch darüber zu schreiben; ihr seid ja von Gott selbst belehrt, daß ihr einander lieben sollt; ihr tut dies ja auch allen Brüdern gegenüber“ 5. Dann erst schrieb er den Korinthern und brachte ihnen dasselbe zur Anzeige, wenn er sagte: „Ich kenne ja eure Bereitwilligkeit, beizusteuern, von der ich zu eurem Lobe den Mazedoniern rühmend erzähle, daß Achaia schon seit Jahresfrist damit fertig ist; und gerade der Wetteifer mit euch war es, der viele angespornt hat“ 6. Damit zeigt er an, daß er mit ihnen vorher bereits darüber gesprochen hatte. Der Römerbrief ist also aus späterer Zeit als diese Briefe, aber der erste unter den aus Rom geschriebenen. Denn der Apostel hatte die Stadt der Römer noch nicht betreten, als


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