Spieltage. Benjamin Markovits

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Spieltage - Benjamin  Markovits


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      «Warum willst du sie überhaupt schneiden lassen?»

      «Bist du sehr jüdisch?» Die Beschäftigung mit sich selbst langweilte sie bereits.

      «Ich weiß nicht, ob das etwas ist, das man mehr oder weniger sein kann … Nein, nicht sehr.»

      «Weil du dieses Ding sonst immer tragen und nicht irgendwelchen Mädchen geben würdest?»

      «Aber ich hab’s dir doch gar nicht …»

      Der Satz ging weiter; er sieht auf dem Papier noch schlimmer aus, als er im richtigen Leben klang. Abgesehen von der Verlegenheit, die ich empfand – darüber, dass ich am helllichten Tag über ein peinliches Geheimnis gestrauchelt war – und die mich nicht mehr verließ, bis der Zug in München ankam und wir auseinandergingen, konnte ich bei mir eine leichte, wenngleich prickelnde Enttäuschung feststellen. Das ist sie also, dachte ich. Das ist das Leben, an dem ich gern teilhaben wollte.

      Sie griff nach meinem Buch und tat eine Minute lang so, als würde sie darin lesen. «Bist du Engländer?», fragte sie. «Ich dachte, du seist vielleicht nur ein bisschen schwer von Begriff.»

      Also demonstrierte ich großes Interesse an dem Buch, das aus ihrer knallroten Handtasche ragte: Sofies Welt. Es war der Sommer, in dem quasi jeder Sofies Welt las. Der Roman ging mir langsam auf die Nerven – als Vertreter einer Populärliteratur, die gezielt so gemacht ist, dass sie unserem vermeintlich gehobenen Geschmack genügt. Ich war aber schlau genug, den Mund zu halten. Denn tatsächlich fand ich sie attraktiv, trotz oder gerade wegen ihrer kleinen Anmaßungen. Ein Schweißtropfen lief mir an den Rippen hinunter. Mein Herz schlug schneller als sonst, als wäre ich zum Aufwärmen ein oder zwei Runden gelaufen. Sie war die erste Frau, mit der ich seit zwei Monaten redete.

      Nach dem Friseur wollte sie mit einer Freundin etwas trinken gehen; sie nannte mir den Namen der Bar. Ich solle doch nachkommen: Ihre Freundin sei sehr nett, und außerdem hübsch. Und Basketballfan. Ich hatte ihr mittlerweile erzählt, warum ich in Landshut war. Anke hatte das Gesicht verzogen; die Bemerkung über ihre Freundin war eine Art Entschuldigung dafür.

      München kam in Sichtweite, die flachen, weißen Gesichter der Vororte. Dahinter, in der Ferne, versprach das Durcheinander niedriger, roter Dächer eine ältere und deutlich schönere Stadt. Als wir die leichte Senkung hinunterfuhren, drehte sie sich mit der Hand auf meinem Ärmel zu mir und sagte hastig, sie würde sich die Haare abschneiden – sie habe eine zweijährige Tochter –, und sie würde ihre Haare abschneiden, weil es ihr auf die Nerven ging, dass sie immer daran zog. Sie dachte, ich würde das früher oder später sowieso herausfinden. «Ich hoffe, du schaffst es später noch», wiederholte sie. «Heute ist mein freier Abend.»

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