Seewölfe Paket 26. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 26 - Roy Palmer


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wußten die Kerle genau. Anderenfalls hätten sie nicht gewagt, so dreist aufzutreten. Lumpenpack, verdammtes, dachte de Escobedo und verwünschte die Halunken in die tiefsten Höllenschlünde. Das Gefängnis konnte er vergessen. Er konnte es nicht mehr stürmen, weder auf dem Weg über den Hof noch auf andere Weise.

      Alonzo de Escobedo stand plötzlich allein da. Dabei hatte er noch Glück, daß ihn die Galgenstricke nicht getötet hatten. In ohnmächtiger Wut knirschte er mit den Zähnen. Was sollte er jetzt unternehmen? Er war ratlos.

      Zum Nachdenken zog sich de Escobedo auf einen Hof zurück, der zu einer kleinen Gruppe von verlassenen Häusern gehörte. In einem der Gebäude lärmten Plünderer. Sie schienen betrunken zu sein und zerschlugen Geschirr. Es krachte, klirrte und polterte, und die Kerle lachten und grölten.

      Gesindel, dachte de Escobedo, Dreckskerle.

      Und doch war man auf dieses Gesindel angewiesen. Gonzalo Bastida war davon überzeugt, und er hatte recht. Ohne den Mob würde man die Residenz nie erobern. Doch wie regierte man dieses Pack? Bastida schien sich darauf besser zu verstehen. Er hatte ganz einfach mehr Erfahrung im Umgang mit solchen Strolchen.

      Alonzo de Escobedo hingegen kannte sich nur mit Befehlsempfängern aus. Er kommandierte, und die Hunde hatten zu kuschen. In diesen Kategorien dachte de Escobedo. Was passierte, wenn die Befehlsempfänger nicht mehr parierten, keine Befehle mehr befolgten oder offen rebellierten, hatte er an der Bucht bei Batabanó erleben müssen. Doch es war ihm noch lange keine Lehre gewesen.

      De Escobedo dachte auch weiterhin nur an seinen persönlichen Profit. Er war Gouverneur von Kuba gewesen, und er wollte es wieder werden. Sein Vorgänger, Don Antonio de Quintanilla, hatte ihm vorexerziert, wie man sich bereicherte. Dies wollte sich de Escobedo jetzt, da er endlich wieder auf freiem Fuß war, um keinen Preis nehmen lassen.

      Aber alles hatte sich als weitaus schwieriger erwiesen, als sich de Escobedo anfangs vorgestellt hatte. Sein Plan, das Gefängnis zu stürmen und die einsitzenden Gefangenen zu befreien, war bisher nicht verwirklicht worden. Eher war das Gegenteil der Fall. Denn die Wachmannschaft unter José Cámpora, dem Gefängnisdirektor, hatte mit Erfolg und für den Gegner verlustreich jeden Angriff abgeschlagen. Das war das Fazit der Aktion.

      Was jetzt? Verbissen überlegte de Escobedo hin und her, aber es wollte ihm keine Alternative einfallen. Die etwa fünfzig Gefängnisinsassen – darunter üble Schlagetots und Gurgelabschneider, die mit dem Galgen rechnen mußten – brauchte de Escobedo dringend zur Verstärkung seines Haufens. Denn nur so konnte er seinen eigentlichen Plan zur Durchführung bringen: die Eroberung der Gouverneursresidenz.

      In der Residenz, so hatte de Escobedo den Kerlen verkündet, winke reiche Beute. Tatsächlich aber mußte die Residenz aus einem anderen Grund fallen. Solange sich dort die Miliz und die Bürgerschaft samt der Stadtgarde verschanzt hatten, konnte sich de Escobedo nicht in den Gouverneurssessel hieven. Wollte er die Stadt unter seine Diktatur zwingen, dann mußte als erstes der Widerstand im Palast gebrochen werden.

      Erst dann konnte de Escobedo vollendete Tatsachen schaffen und vielleicht sogar Seiner Allerkatholischsten Majestät Philipp II., dem König von Spanien, in Verdrehung der Tatsachen melden, es sei ihm gelungen, für die Krone einen Aufstand in Havanna niederzuschlagen. Gefährliche Mitwisser des wirklichen Geschehens mußten natürlich beseitigt werden. Doch das war das geringste Problem. Es war nicht sonderlich schwierig, ein paar Leute verschwinden zu lassen. Schließlich hatte er in diesem Punkt bereits Erfahrungen.

      Dies waren die Vorstellungen von Alonzo de Escobedo. Aber es lief nicht so, wie er das gerne hätte. Das hing in erster Linie mit der „Trutzburg“ von Gefängnis zusammen, an der jeder Angriff abprallte. De Escobedo verfluchte José Cámpora und wünschte ihn zum Teufel. Dieser Bastard hatte ihm alles vermasselt.

      Aber da war auch noch der andere Punkt. Er, de Escobedo, hatte ganz einfach eine miese Truppe. Disziplinlose Kerle, Lumpengesindel. Er schob die ganze Schuld, daß es nicht geklappt hatte, auf die Bande. Die Kerle pfiffen darauf, sich blutige Köpfe zu holen, während andere Kerle aus der Unterwelt von Havanna damit beschäftigt waren, kräftig zu plündern, ohne dabei gestört zu werden.

      Kurz und gut – an diesem Vormittag also war die Truppe, die de Escobedo gegen das Gefängnis angesetzt hatte, sozusagen zerbröselt. Er mußte es hinnehmen, so schwer ihm das auch fiel. Er hatte es eben mit Galgenvögeln zu tun. Sie gingen von der Fahne, ohne groß darüber nachzudenken. Es gab keinen, der sie dafür bestrafte, keine Miliz, keine Garde, keine Gerichtsbarkeit. In Havanna herrschte Anarchie.

      Wie die Ratten brachen sie nun ebenfalls in die Häuser ein und bedienten sich. De Escobedo wünschte ihnen, daß sie stolperten und sich das Genick brachen, daß sie sich gegenseitig die Köpfe einschlugen. Aber das würde wohl kaum der Fall sein. Sie rafften zusammen, was sie ergattern konnten, und setzten es bei Bastida in bare Münze um. Was man hat, das hat man, so lautete ihre Devise.

      De Escobedo konnte nichts mehr tun. Er verließ den Hinterhof und kehrte dem Gefängnis den Rücken – ehe Cámpora etwa auf den Gedanken verfiel, mit seinen Leuten auszurücken und ihn festzunehmen. Das hätte ihm noch gefehlt!

      Vor Wut kochend, marschierte de Escobedo zum Hafen in die Kaschemme zurück, die dem anderen Rädelsführer gehörte: Gonzalo Bastida. Was sollte er sonst tun? De Escobedo hatte keine andere Wahl.

       2.

      Osvaldo und El Sordo hatten ein Talglicht entfacht. Osvaldo hielt es vor sich hoch, der Taubstumme schlurfte im flackernden Schein der Flamme hinter ihm her. Vorsichtig bewegten sie sich durch das Kellergewölbe auf den Raum zu, aus dem die gräßlichen Laute ertönten.

      Es handelte sich, wie jetzt im Licht zu erkennen war, um eine Art Verschlag mit einer Bohlentür, in deren Mitte ein vergittertes Guckloch eingelassen war. Dahinter stöhnte und seufzte, schluchzte und wimmerte es. Nägel kratzten an der Tür. Es war furchtbar.

      Osvaldo erschauerte. Was trieb ihn immer noch dazu an, nach dem Rechten zu sehen? Was immer in dem Verschlag eingesperrt war, es konnte nicht heraus. Das war gut so. Warum, zum Teufel, mußte er also seine Nase in Dinge stecken, die ihn nichts angingen?

      Nun, da war einmal die Neugierde, eine typisch menschliche Schwäche. Osvaldo und El Sordo wollten um jeden Preis herauskriegen, was für ein Monstrum da hauste. Im übrigen war es für Osvaldo eine Mutprobe. Er war ein abergläubischer Mensch und fürchtete sich vor Rätselhaftem und Übersinnlichem. Aber das wollte er vor dem Taubstummen nicht zugeben. Mehr noch, er wollte ihm beweisen, wie groß sein Schneid war.

      Die beiden Diebe verharrten vor der Tür. Sie schoben ihre Köpfe nebeneinander und spähten durch das Guckloch. El Sordo verbrannte sich dabei um ein Haar an dem Talglicht.

      In dem Verschlag bewegte sich ein kleines, dunkles Wesen. Es jammerte, kratzte und stöhnte. Nur wenig Licht fiel in den Raum hinter der Tür, und so konnten die beiden Männer nicht richtig erkennen, um welche Art von Bewohner es sich handelte.

      Plötzlich richtete sich das Wesen auf.

      Osvaldo und El Sordo wichen zurück.

      „Hu“, äußerte sich der Taubstumme.

      Das Geschöpf hörte auf zu jammern und fragte: „Wer seid ihr?“

      Osvaldo mußte erst einmal nach Luft schnappen. Dann sagte er: „Verrate uns erst mal, wer du bist.“

      „Ich heiße Mario.“

      „Spanier?“ fragte Osvaldo, während er seinem Spießgesellen das Gehörte durch Gebärden mitteilte.

      „Natürlich. Und ihr?“

      „Klar sind wir Spanier. Hört man das nicht?“ Osvaldo räusperte sich. „Was machst du denn hier unten?“

      „Ich habe mich versteckt.“

      An der hellen Stimme war zu erkennen, daß es sich um einen Jungen handelte. Osvaldo schätzte Marios Alter auf zwölf bis dreizehn Jahre.

      „Warum hast du dich


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