Seewölfe Paket 26. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.brummte Osvaldo. „Und was ist mit dem Beutegut?“
„Das wird nicht mehr angekauft.“
„Überhaupt nicht mehr?“
„Nicht, bis die Residenz erobert ist“, entgegnete der Kerl.
„Nun ja“, sagte Osvaldo. „Dann haben wir in Havanna auch nichts mehr verloren. Für Bastida halte ich nicht meinen Kopf hin.“ Er warf einen raschen Blick auf die Ladefläche des Karrens. Der Wein und der Schnaps waren noch dort, wo El Sordo und er sie verstaut hatten. „In Ordnung“, sagte er zu dem Galgenvogel. „Ihr könnt verduften. Seid froh, daß wir euch nicht die Hälse abgeschnitten haben.“
Die beiden Eindringlinge rannten davon und waren im nächsten Augenblick vom Hof verschwunden. Osvaldo beratschlagte mit El Sordo und dem Mädchen.
„Was tun wir?“ fragte er. „Die Sache gefällt mir nicht.“
Der Taubstumme gab durch Zeichen zu verstehen, daß er ebenfalls nicht bereit sei, an dem Angriff auf die Residenz teilzunehmen. Und auch Maria durfte dieser Gefahr nicht ausgesetzt werden. Also gab es nur noch eins: Flucht.
„Und das Geheimversteck?“ fragte das Mädchen.
„Das lassen wir sausen“, erwiderte Osvaldo. „Wir haben jetzt keine Zeit mehr, es uns anzusehen. Wie ich Bastida kenne, hat der seine Truppe von Schlägern losgeschickt um Leute zusammenzuholen. Die können jeden Moment auch hier aufkreuzen.“
Hastig rüstete das Trio zum Aufbruch. Sie holten Sachen aus dem Haus, packten sie auf den Karren und dirigierten Burrito, das Maultier, in Richtung auf das Tor. Doch kaum waren sie draußen, da blieben sie wie gelähmt stehen.
Cuchillo und dessen drei Soldados versperrten ihnen den Weg. Cuchillo hatte die Hand auf den Kolben seiner Pistole gelegt und grinste höhnisch.
„Sieh mal an“, sagte er. „So eine Überraschung. Osvaldo und El Sordo. Na, wie geht’s euch denn so?“
Osvaldo hustete verlegen. „Ach, ganz gut“, antwortete er.
„Wohin geht denn die Reise?“ fragte Bastidas Leibwächter lauernd.
„Wir wollten gerade zum Hafen runter“, erklärte Osvaldo. „Wir haben wieder ein paar Sachen zu verkaufen.“
„Daraus wird nichts“, sagte Cuchillo kalt. „Bastida schließt keine Geschäfte mehr ab. Der Sturm auf die Residenz geht vor.“ Er setzte ihnen knapp auseinander, wie Bastidas Befehle lauteten.
„Ach so“, sagte Osvaldo. „Na, das ist nicht so schlimm.“ Er stieß El Sordo mit dem Ellenbogen an. „Hast du verstanden?“
Der Taubstumme gab durch einen dumpfen Laut zu erkennen, daß er Cuchillos Erläuterungen mühelos hatte folgen können. Er gestikulierte herum und bedeutete durch Gebärden, daß er Bastida, Cuchillo und die Soldados zum Teufel wünsche.
„Was meint er?“ wollte Cuchillo wissen.
Osvaldo grinste. „Er erklärt mir gerade, daß er bei dem Sturm auf die Residenz gern dabei wäre. Und ich habe auch nichts dagegen. Also, wir gehen runter zur Kaschemme und melden uns bei Gonzalo Bastida, während ihr weiter eure Runde dreht.“
„Wir begleiten euch“, sagte Cuchillo. „Wir haben unseren Rundgang nämlich soeben abgeschlossen.“ Er wies auf Maria. „Und wen haben wir da?“
„Das ist unser Kumpel Mario“, erwiderte Osvaldo geistesgegenwärtig.
„Kenne ich nicht“, sagte Cuchillo. Er trat auf Maria zu. „Neu in Havanna, Mario?“
„Ich bin erst seit ein paar Tagen hier.“
„Zart besaitet, was? Du siehst aus wie ein Mädchen.“
„Ich kann dir ja mal zeigen, wie schnell ich mit dem Messer bin!“ zischte Maria.
Osvaldo schwitzte Blut und Wasser. El Sordo war ebenfalls höchst mulmig zumute. Cuchillo aber lachte schallend.
„He!“ rief er und klopfte dem Mädchen derb auf die Schulter. „Du gefällst mir! So eine freche Schnauze wie dich können wir noch brauchen! Wenn wir dem Drecksgesindel in der Residenz einheizen, kannst du mir mal zeigen, wie mutig du bist!“
Maria verzog keine Miene. „Das werde ich tun“, erwiderte sie.
„Na los“, sagte Cuchillo, „Klettere auf den Kutschbock. Ich setze mich neben dich, Junge. Bin heute ganz schön rumgelaufen. Mir tun die Füße weh. Wir fahren zur Kaschemme.“ Er deutete auf die drei Soldados, auf Osvaldo und El Sordo. „Ihr marschiert hinter uns her. Wir dürfen den Karren nicht überladen. Übrigens ist auch das Gespann beschlagnahmt. Freunde. Wir werden es für den Transport von Waffen und Munition zur Plaza benutzen.“
„Klar doch“, entgegnete Osvaldo. Innerlich aber kochte er. So ein Pech! Wären sie etwas eher getürmt, hätten Cuchillo und seine Kerle sie nicht mehr erwischt. So aber waren sie gezwungen, sich rekrutieren zu lassen. Das war aber noch nicht das Schlimmste. Wenn Cuchillo herauskriegt, daß Maria ein Mädchen war, würde der Teufel los sein.
Was haben wir uns bloß eingebrockt? dachte Osvaldo, während er hinter dem Gespann hertrottete. Und El Sordo ließ die Schultern und den Kopf hängen. Er schnitt eine Grimasse, als schreite er zu seiner eigenen Hinrichtung.
Arne von Manteuffel lag immer noch bei Jussuf und Jörgen Bruhn auf dem Dach der Faktorei. Er hatte jetzt ein Spektiv zur Hand genommen, zog es auseinander und spähte hindurch. Seine Aufmerksamkeit galt dieses Mal aber nicht den Vorgängen in der Stadt, sondern den beiden Forts am Hafeneingang von Havanna.
Sowohl das Castillo de la Punta im Westen als auch das Castillo del Morro im Osten waren nur noch mit einem Viertel der ursprünglichen Wachmannschaft besetzt – soviel war bekannt. Die beiden Dreiviertel der Soldaten waren zu Beginn der Unruhen an die Miliz und an die Stadtgarde abgegeben worden. Inzwischen verstärkten sie die Besatzung der Residenz.
Am 25. Juni, vor zwei Wochen also, hatten die Unruhen in Havanna angefangen. Seitdem hockten die beiden Restbesatzungen ziemlich tatenlos in den Forts und wußten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten.
Daß in der Stadt die Hölle los war, sahen und hörten sie. Sie konnten sich auch ausrechnen, daß ihre Hilfe sicherlich gebraucht wurde. Doch ohne einen entsprechenden Befehl konnten sie nicht handeln. Deshalb saßen sie weiterhin auf ihrem verlorenen Posten.
Der Befehl erreichte die Fortmannschaften an diesem Vormittag. Sie sollten sich zur Residenz durchschlagen, um sich dort in die Verteidigung einzureihen. Die Soldaten atmeten auf. Endlich! Sie hatten lange genug auf diese Order warten müssen.
Der Melder hatte sich auf Umwegen zum Castillo de la Punta gepirscht und erreichte das Fort gegen zehn Uhr. Hier erstattete er einem Subteniente Bericht.
Der Subteniente ließ die Besatzung vom gegenüberliegenden Castillo del Morro mit einer Jolle abholen. Die Forts waren zu diesem Zeitpunkt mit noch je zehn Mann besetzt. Im Westfort führte der Subteniente das Kommando, im Ostfort waren die Soldaten einem ergrauten Sargen to unterstellt.
Vom Dach der Faktorei sah Arne, wie die Besatzung vom Castillo del Morro herübergeholt wurde.
„Da tut sich was“, sagte er zu seinen beiden Kameraden. „Truppenbewegungen. Ob die Señores die Forts jetzt wohl ganz räumen?“
Jussuf und Jörgen schauten abwechselnd durch ein zweites Spektiv.
„Es sieht ganz danach aus“, sagte Jörgen. „Demnach werden die Castillos gleich ganz verwaist sein.“
„Herrenlos“, sagte Jussuf grinsend. „Na, ich kann’s verstehen. Die Soldaten werden in Havanna gebraucht. Dort draußen drehen sie ja nur Däumchen. Und wer soll schon kommen, um ihre Ruhe zu stören? Schiffe etwa?“
„Ja, wer schon!“ Jörgen lachte.
„Doch keine Schiffe“, sagte Arne grinsend.
Die drei Männer beobachteten,