Seewölfe - Piraten der Weltmeere 515. Burt Frederick

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 515 - Burt Frederick


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Admiral sieht immer noch aus wie seine eigene Leiche!“

      Dan konnte nicht widersprechen. Hawkins mußte ungefähr siebzig Jahre alt sein – für viele Menschen ein Alter, von dem sie nicht einmal zu träumen wagten. Auch Drake, hoch in den Fünfzigern, zählte gewissermaßen schon zu den Greisen, die ihr ungewöhnlich langes Leben gütigen Fügungen des Schicksals verdankten.

      „Scheint so, als ob du recht hast“, murmelte Dan. „Drüben auf der ‚Defiance‘ gibt sich dein besonderer Freund die Ehre.“

      In der Tat erschien Sir Francis Drake an Deck und enterte über die Jakobsleiter in das bereits bemannte Boot ab. Für Carberry war es wie beim ersten Male, am 30. Oktober, als er den Admiral nach langen Jahren wiedergesehen hatte. Die Zeiten, in denen er als Profos auf der „Golden Hind“ gedient hatte, waren in seiner Erinnerung jäh wieder aufgetaucht.

      Drake war alt geworden, gewiß, aber er war herrisch wie eh und je. Carberry mußte sich beherrschen, damit ihm die Wut im Bauch auch diesmal nicht den Magen umdrehte. Er konnte nicht vergessen, wie niederträchtig sich der ehrenwerte Sir Francis ihm gegenüber damals verhalten hatte.

       2.

      Die Männer auf den Duchten der großen Jolle waren einfache Decksleute. Sie pullten mit kraftvollen Zügen, um zu zeigen, wie gut sie ihr Handwerk verstanden. Indessen hatten sie alle die leise Befürchtung, daß der Admiral ihre Bemühungen nicht einmal zur Kenntnis nahm.

      Umgekehrt allerdings, wenn auch nur einer von ihnen Nachlässigkeit an den Tag gelegt hätte, wäre eine harte Bestrafung die sofortige Folge gewesen. In so einem Fall konnte es passieren, daß sämtliche Bootsgasten die Neunschwänzige zu spüren kriegten. Einfach, weil es zu schwierig war, den einen Schuldigen herauszufischen. Und weil die kollektive Bestrafung als ein praktikables disziplinarisches Mittel galt. Es führte dazu, daß gewissermaßen einer den anderen erzog.

      Sir Francis Drake stand hoch aufgerichtet vor der Achterducht, flankiert von zwei First Lieutenants. Junge Offiziere, die an diesem Tag für den Dienst als Adjutanten eingeteilt worden waren. Drake blickte über die Männer hinweg, die sich aus Furcht vor ihm an den Riemen abmühten.

      In den Altersfalten seines harten Gesichts spiegelten sich die Jahre, in denen es von rauher Seeluft und vom feuchten englischen Klima gegerbt worden war. Doch ihm war auch anzusehen, daß er nichts von seiner unbeugsamen Härte verloren hatte. „El Draque“, wie ihn die Spanier nicht ohne Respekt nannten, wollte es noch einmal wissen.

      Mit dieser Fahrt, so wurde in der Mannschaft gemunkelt, wollte sich Drake ein Denkmal setzen. Und er wollte den alten Hawkins dabei ausstechen, mit dem er sowieso in ständigem Zank lebte. Für Offiziere und Besatzungen aller 27 Schiffe war dies eindeutig erkennbar.

      Niemand konnte indessen verstehen, warum Hawkins und Drake ihre Zwistigkeiten in aller Öffentlichkeit austrugen. Warum, so fragte man sich, taten sie das nicht im stillen Kämmerlein? Offiziere pflegten sich an die Regel zu halten, Auseinandersetzungen niemals vor niederen Dienstgraden auszufechten.

      Waren die beiden alten Wölfe schon so versponnen, daß sie sich daran weideten, in aller Öffentlichkeit mit Worten aufeinander loszudreschen?

      Die Gedanken, die Sir Francis Drake hinter seinen starren Gesichtszügen bewegten, waren völlig anderer Art. Er hatte um das Gespräch mit Hawkins ersucht, und der alte Erzhalunke hatte wieder einmal lange gezögert, ehe er sich zu einer gnädigen Audienz bequemt hatte. Das sah ihm ähnlich. Erstens wollte er sich aufspielen und seinen Rang als Dienstälterer hervorkehren. Zweitens entsprach es seiner umständlichen Art, hin und her zu überlegen, ehe er zu einer Entscheidung gelangte.

      Auf dem Achterdeck der „Elizabeth Bonaventure“ hatten sie bereits Aufstellung genommen. Hawkins lehnte an der Heckbalustrade, direkt unter der mächtigen Laterne. Zwei junge Lieutenants standen jedoch auf dem Sprung, um ihn zu stützen, sobald er das geringste Anzeichen von Schwäche zeigte.

      Die „Elizabeth Bonaventure“ war ein stolzes Schiff, stark armiert und mit einem aufwendig verzierten Achterkastell. Zusammen mit der „Defiance“, die sich ebenfalls sehen lassen konnte, repräsentierte sie die Stärke Englands, der aufstrebenden Seemacht, die unter ihrer stolzen Königin Elizabeth I. zu immer größerer Schlagkraft ausgebaut wurde.

      Ja, Elizabeth gehörte nach Drakes Meinung alle Zukunft. Er war froh, daß sie dieser Mission, die er gemeinschaftlich mit Hawkins durchführte, zugestimmt hatte. Sir Francis schätzte die Königin als eine Person von brillanter Intelligenz. Dagegen verblaßte der spanische Philipp geradezu als Einfaltspinsel.

      Die Wesensart der beiden Majestäten versinnbildlichte für so manchen Engländer denn auch die Stellung ihres Inselreichs im Vergleich zu Spanien. Auf der einen Seite Elizabeth – klug, stolz, unbeirrbar und vorausschauend. Auf der anderen Seite Philipp II. – dumm, aufgeblasen, wankelmütig und kurzsichtig. Auf die Dauer – davon waren Drake und seine Gesinnungsgenossen felsenfest überzeugt – würde England den längeren Atem haben. England gehörte die Zukunft.

      Der Anfang sollte mit dem Hawkins-Drake-Verband gesetzt werden.

      Die Dons mußten endlich einmal mit Pauken und Trompeten darauf hingewiesen werden, daß die Neue Welt nicht ihnen allein gehörte.

      Drake kehrte in die Wirklichkeit zurück, als die Jolle auf die hoch und wuchtig aufragende Bordwand des Flaggschiffs zuglitt. Die Bootsgasten stellten die Riemen senkrecht, und der Bootssteurer brachte die Jolle so in Position, daß der Admiral nur zwei Schritte zu tun brauchte, um die Jakobsleiter zu erreichen.

      Oben wartete er bei der Pforte im Schanzkleid, bis die beiden First Lieutenants hinter ihm waren. Der Bootsmann der „Elizabeth Bonaventure“ hatte unterdessen sein Erscheinen zum Achterdeck gemeldet. Mit den Adjutanten setzte sich Drake in Bewegung.

      Er genoß die Blicke, mit der die Gentlemen von der Schiffsführung ihm entgegensahen. Sie wußten nicht, was sie von ihm zu erwarten hatten. In gewisser Weise war das gut so, denn vor jemandem, der allzu berechenbar war, hatte man gemeinhin weniger Respekt.

      Drake enterte über den Backbordniedergang auf. Die First Lieutenants folgten ihm und vergrößerten ihren Abstand auf drei Schritte. Die Offiziere des Flaggschiffs entboten dem Admiral einen gezirkelten Gruß. Drake erwiderte die Ehrbezeigungen und salutierte seinerseits vor Hawkins.

      Der alte Admiral hob nur müde die rechte Hand. Seine Gesichtshaut lag bleich, faltig und dünn wie Pergament über den Wangenknochen. Glanzlos ruhten die Augen tief in ihren Höhlen. Sir John Hawkins sah wahrhaftig so aus, wie man sich den wandelnden Tod vorstellte.

      „Sie wollen mich sprechen“, sagte Hawkins. Es war eine Feststellung, keine Frage. Seine Stimme klang wie brüchiges Segeltuch, das von wechselnden Winden geschlagen wird.

      „Ja, Sir“, erwiderte Drake gleichmütig. Er stand kerzengerade, in seinem Gesicht regte sich kein Muskel. „Es handelt sich um die Dauer unseres Aufenthalts.“

      Um Hawkins’ blasse Lippen spielte ein Lächeln.

      „Es geht Ihnen mal wieder nicht schnell genug, Sir Francis, was?“

      „Ich entnehme aus Ihren Worten einen gewissen Spott, den ich für nicht angebracht halte“, entgegnete Drake eisig.

      „Nun, vermutlich können Sie so eine Behauptung auch begründen.“

      „Allerdings, Sir John. Ich meine, San Juan sollte uns jetzt mehr am Herzen liegen als alles andere. Die Zeit drängt. Je schneller wir nach Puerto Rico segeln, desto sicherer ist uns der Erfolg.“

      Das Lächeln schwand aus dem Totenkopf gesteht des alten Admirals.

      „Wir werden nichts überstürzen“, sagte Hawkins mit einer plötzlichen Schärfe, die angesichts seiner mutmaßlichen Schwäche nicht zu erwarten gewesen war. Es zeigte sich damit jedoch, daß er keineswegs schon so gebrechlich war, wie er auf den ersten Blick aussah. „Der Ausbildungsstand der Soldaten ist miserabel. Während der Reise über den Atlantik hatten wir bekanntlich keine Gelegenheit, viel daran zu verbessern.


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