Seewölfe - Piraten der Weltmeere 594. Burt Frederick
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© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-008-4
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Burt Frederick
Sie sind scharf auf das Silberschiff und werfen Don Juan in den Tower
Die Stadt London hatte zwei Gesichter. Der Glanz des Hofes von Königin Elisabeth konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich auch in ihrer engsten Umgebung bemerkenswerte Schurken im feinen Gewand herumtrieben. Und daß sich längs des Themseufers der Abschaum der Insel und jeder Schnapphahn eingenistet hatte, der im Bannkreis der großen Stadt auf leichte Weise reich werden wollte, wußte Philip Hasard Killigrew sehr genau. Wenn es um viel Geld, um eine lockende Beute ging, verlor ein Menschenleben augenblicklich seine Bedeutung.
Gerüchte waren schneller als der Blitz im Gewitter. Im Kielwasser der Schebecke stampfte das spanische Silberschiff. Für diese Prise lohnten sich Überfälle und kaltblütige Morde – und in diesem Fall würden die Seewölfe die Zielscheibe der menschlichen Geier sein, die an dem Ufer der Themse lauerten …
Die Hauptpersonen des Romans:
Revson Akehurst – der Landedelmann ist gar nicht so edel, aber gut im Pläneschmieden.
Harris Shenfield – auch er gehört zum niederen englischen Adel und plant mit seinem Freund Akehurst den ganz großen Coup.
Patrick Towyn – spielt zwar nur einen reitenden Boten, verfolgt dabei aber ein ganz bestimmtes Ziel.
Don Juan de Alcazar – gerät in die Falle abgefeimter Schurken und landet im Tower.
Philip Hasard Killigrew – einer Erpressung gibt er zunächst nach, aber dann schlägt er zu.
Inhalt
1.
Kapitän Philip Hasard Killigrew stand breitbeinig auf dem Achterdeck der Schebecke und genoß den eigentümlichen Geruch der Straße von Dover. Es war kein exotischer oder sonderlich begeisternder Geruch, aber für den Seewolf und seine Crew bedeutete es den lang erwarteten Duft der Heimat.
„Sind das nun die Türme von Ramsgate, Folkestone oder Hastings? Es kann ja sein, daß sie in den letzten Jahren ein paar Kirchen oder Abwehrtürme gebaut haben, die ich nicht kenne“, fragte Stenmark und gab dem Ersten, Ben Brighton, das Spektiv zurück.
Ben zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Woher soll ich wissen, was an Land gebaut wurde? Kann ich nicht sagen. Noch nicht. Welcher Kurs liegt an?“
Die Galeone „Fidelidad“ mit ihrer kleinen Crew segelte im Kielwasser der Schebecke. An Backbord breitete sich, im dünnen Dunst nur schwer zu erkennen, die Küstenlinie der Insel aus.
„Vorhin habe ich klar Nordost gelesen“, antwortete der Schwede.
Der Seewolf schwieg und dachte an die zurückliegenden Abenteuer und Erlebnisse, und er fragte sich, ob sie in London mehr Ruhe haben würden als bisher. Natürlich zweifelte er daran, denn die Zeiten waren alles andere als ruhig. Für ihn war es wichtig, das Silberschiff ohne Komplikationen loszuwerden, die Schebecke zu überholen und seiner Crew an Land jede nur mögliche Annehmlichkeit zu gewähren.
Am Geld sollte es nicht liegen. Die Arwenacks waren keine armen Kirchenmäuse.
Ob sie allerdings das Geld mit vollen Händen ausgaben, war ebenso fraglich wie alles andere.
Nicht mehr als ein Tag Fahrt trennte sie von London, von der London Bridge, vom Liegeplatz am Themseufer.
„Nordost?“ Der Erste überlegte. „Dann muß es wohl Folkestone sein.“
Aber er war nicht völlig sicher.
„In ein paar Stunden wissen wir’s ganz sicher“, tröstete ihn Old Donegal. „Was soll’s! Wir wollen nach London und nicht nach Ramsgate.“
„Man wird ja noch fragen dürfen, nicht wahr?“ knurrte Stenmark und enterte zur Kuhl ab.
Die Stimmung der Mannschaft schwankte so dicht vor dem Ziel zwischen Erleichterung und der Befürchtung, im letzten Augenblick noch von ihrem Ziel abgelenkt zu werden, auf welche Art auch immer das passieren mochte.
„Sind eigentlich alle unverkennbar, die Kirchtürme und die Mauern um die Städte“, meinte der Seewolf. „Fest steht jedenfalls, daß wir hinter Ramsgate hart nach Backbord segeln müssen. Dan?“
„Sir?“
„Laufen wir mit der Flut themseauf?“
„Das kommt ungefähr hin. Bis wir bei Southend-on-Sea sind, wird die Flut eingesetzt haben.“
Vor der Küste segelten kleine Fischerboote langsam nach Südwest. Hinter dem Nebel, der einige Stunden vor Mittag das Land versteckte, hoben sich Rauchsäulen schräg in die Luft. Möwen schwammen auf den Wellen und warfen den beiden Schiffen schräge Blicke zu. Die „Fidelidad“ blieb, langsam und behäbig, auf geradem Kurs. Die Schebecke segelte mit einem Schrick in den Schoten vor der Galeone, verringerte dadurch ihre Geschwindigkeit und bewachte gleichzeitig das unersetzliche Silberschiff.
„Das höre ich gern, Dan“, erwiderte der Seewolf. „Wir bleiben auf Kurs.“
Die ereignisreiche Nacht von Dieppe lag mittlerweile zurück und zählte zu der nicht gerade ärmlichen Erinnerung der Crew. Auch die Mannschaft drüben auf der „Fidelidad“ würde froh sein, wenn sie endlich ihr beschwerliches Kommando abgeben könnte. Die Handvoll Männer war überfordert, erschöpft und sicherlich hocherfreut, wenn sie London erreichten und sich an Land ausschlafen und verwöhnen lassen konnten.
„Aye, aye, Sir.“
Nicht nur der Seewolf, auch jeder Mann dachte darüber nach, was in London passieren konnte und zwangsläufig passieren mußte. Die Vorstellungen, die jetzt laut wurden, gingen natürlich weit auseinander.
Die Arwenacks wußten, daß diese Stadt, für viele von ihnen nicht zu Unrecht als Heimathafen geltend, nur eine Station bleiben würde. Früher oder später legten sie wieder ab und richteten den Bugspriet in eine andere Richtung der Windrose.
Al Conroy stemmte sich den Niedergang hoch und musterte seine Culverinen. Die Hälfte der Geschützrohre trug keine Schutzhüllen mehr. Die Crew blieb wachsam.
„Also“, sagte Dan O’Flynn zu ihm, „viel Gelegenheit, Al, wirst du heute wohl nicht erhalten. Was mich, nebenbei, sehr freut. Irgendwann muß einmal Schluß sein.“
Der Stückmeister der Arwenacks warf einen langen, nachdenklichen Blick zur Galeone zurück.
„Wer weiß? Wir sind noch nicht am Kai