Seewölfe - Piraten der Weltmeere 231. John Roscoe Craig

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 231 - John Roscoe Craig


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seine gekürzte Pike schon halb aus der Schärpe an der Hüfte gezogen, als neben ihm ein Schatten auftauchte. An der Größe des Schattens erkannte er, daß es sich um Batuti handelte.

      „He, ich denke, du pennst“, sagte Dan.

      „Nix pennen.“ Eine Zahnreihe und zwei große Augäpfel blitzten durch die Dunkelheit. „Der Kutscher sein schlaues Aas, aber Batuti sein schlauer.“

      Batutis rechte Hand schob sich vor, und Dan spürte, wie etwas Rundes, Hartes seinen Bauch berührte. Er ließ die Pike los und griff danach.

      Ein leises Pfeifen drang an Sam Roskills Ohr.

      „Was habt ihr da?“ fragte er.

      „Mann, Batuti, du bist der raffinierteste Hund nach mir auf diesem verrotteten Kahn“, sagte Dan. Er lachte leise in sich hinein.

      Sam Roskill wußte immer noch nicht, was los war, doch als die Wolkendekke auf einmal etwas dünner wurde und der Mond wie hinter einem Schleier am Himmel aufzog, sah er, wie Dan eine dickbauchige Flasche an die Lippen setzte. Es gluckerte vernehmlich.

      „Aaaah“, stieß Dan wohlig hervor. „Das Ding ist zwar nur noch halbvoll, aber für mich und dich wird es reichen, Batuti.“

      „He!“ sagte Sam Roskill, und das Grinsen war aus seinem Gesicht wie weggewischt. „Ihr wollt den Rum doch nicht etwa alleine saufen?“

      Er war einen Schritt näher an Batuti herangetreten, und seine empfindliche Nase nahm sofort den scharfen Geruch war, der aus Batutis Mund strömte, als dieser sagte: „Einen Schluck für Sam, Dan. Er sehen ganz krank aus. Vielleicht er haben Skorbut.“

      „Na, meinetwegen“, gab Dan gnädig zurück. „Aber ich werde die Flasche festhalten, damit er sich nicht vollaufen läßt und wir in die Röhre gucken müssen. Schließlich hast du auch noch etwas verdient, Batuti.“

      „Dieser Höllensohn?“ sagte Sam keuchend. „Geh doch mal näher an ihn ran, Dan. Der stinkt aus dem Maul wie zehn besoffene Schweden. Von wegen, die Flasche ist noch halbvoll. Was heißt noch? Nur noch, hättest du sagen müssen. Der Kerl hat sie wahrscheinlich schon in der Kombüse halb ausgesoffen!“

      „Batuti nix besoffen!“ sagte der Gambia-Neger mit beleidigtem Tonfall. „Ich haben nur probiert, ob Rum in der Flasche gut sein.“

      Sam hatte sich der Flasche bemächtig und soviel wie möglich durch die Gurgel laufen lassen, bevor Dan sie ihm wieder aus den Händen reißen konnte.

      Sam keuchte und stöhnte dann wohlig auf. Er leckte sich die Lippen und sagte: „Wenigstens etwas. Aber wenn ich daran denke, daß ich jetzt mit einer vollbusigen Spanierin …“

      Dan, der gerade wieder die Flasche an die Lippen setzen wollte, hielt in der Bewegung inne und spitzte die Ohren. Er hatte ein plätscherndes Geräusch an der gegenüberliegenden Backbordseite vernommen.

      In diesem Moment begann Arwenack im Mars wild zu keckem, und Sir John, der irgendwo in den Wanten einen Platz zum Schlafen gefunden hatte, krächzte laut: „Alarm!“

      Die drei Männer wirbelten herum.

      Batuti rülpste laut, als er die ersten Köpfe über dem Backbordschanzkleid auftauchen sah, Sam Roskill verschluckte sich und kriegte einen Hustenanfall.

      Nur Dan handelte blitzschnell. Er nahm einen hastigen Schluck aus der Rumflasche und schleuderte sie dann quer über die Kuhl.

      Er hatte haargenau gezielt. Das Geschoß zersplitterte am oberen Rand des Schanzkleides, und die Scherben spritzten einem bärtigen Mann, der im schwachen Mondschein wie ein Lama mit breitgeschlagener Schnauze aussah, mitten ins Gesicht.

      Schreiend stürzte der Mann zurück, bis ein lautes Platschen verriet, daß er ins Wasser gestürzt war.

      „Verdammt, wie kommen …“ begann Sam Roskill zu brüllen, doch dann warf er sich vorwärts, hinter Dan und Batuti her, die ihre Waffen schon in den Fäusten schwangen und auf die ersten Kerle eindrangen, die die „Isabella“ entern wollten …

      2.

      Der Mann sah aus, als hätte mal vor längerer Zeit jemand versucht, seinen Kopf in eine untere und eine obere Hälfte zu teilen. Wahrscheinlich war es nicht aus Absicht geschehen, aber der Araber, dem Scarface Callaghan seine fürchterliche Narbe im Gesicht zu verdanken hatte, war tausend Tode gestorben, nachdem Callaghan seine Verwundung überlebt und ausgeheilt hatte.

      Die Narbe, die an manchen Tagen karmesinrot leuchtete, als ob sie immer noch blutete, verlief quer über das Gesicht von einem Ohr zum anderen. Der Hieb mit dem Krummsäbel hatte den unteren Teil seiner Nase abgetrennt, und ein Mann, der seinen Ausspruch nicht lange überlebt hatte, hatte behauptet, Scarface Callaghan sähe aus wie eine Ananas mit Ohren.

      Callaghan war immer schon ein brutaler Mensch gewesen. In seiner Zeit als Profos auf einem Kriegsschiff Ihrer Majestät, der Königin Elisabeth von England, hatte er auf jeder Reise die Mannschaft um einige Leute dezimiert, bis er auf einem Landgang von seiner Crew an einen Baum genagelt worden war, die dann später auf dem Schiff behauptete, ihr Profos sei von Eingeborenen erschlagen worden.

      So war die Königin ihren Profos losgeworden, und Callaghan, der sich hatte befreien können, hatte seiner wahren Veranlagung freien Lauf lassen können, als ihn ein Piratenschiff aufnahm, das an seiner Insel die Wasservorräte auffrischen wollte.

      Bald war Callaghans Name in der gesamten Karibik ein Begriff geworden, aber berühmt wurde er erst, nachdem der Araber ihm das Gesicht gezeichnet hatte. Don Bosco, der Herrscher von Tortuga, hatte ihn in seine Crew geholt, und daß er beim Kampf gegen die Seewölfe nicht dabeigewesen war, lag an einer vollbusigen Schönheit von Hispanola, die er geraubt und nach Tortuga verschleppt hatte. Er war so verknallt in das Weib gewesen, daß er mit ihr auf der Insel verschwand und wochenlang in einer Hütte auf der Nordseite der Insel hauste. Erst vor ein paar Tagen war alles vorbei gewesen. Scarface war auf Jagd gegangen, und bei seiner Rückkehr hatte er seine Rosita in den Armen eines Bukaniers gefunden, der zufällig des Weges gekommen war. Scarface hatte nicht lange gezögert und sie beide erschlagen. Aber noch heute fragte er sich, wie ein Weib so wild sein konnte, daß es nicht einmal einen Tag ohne Liebe aushielt. Er bedauerte, daß die wilde Zeit mit Rosita vorbei war, aber er weinte ihr keine Träne nach.

      Er war zurück zur Südküste gegangen, und da erst hatte er erfahren, was in der Zwischenzeit alles geschehen war. Don Boscos Macht war zerschlagen. Zerschlagen von den Seewölfen, die der Herrscher von Tortuga in Ketten gelegt hatte.

      Scarface Callaghan konnte es nicht begreifen, aber an den verstörten und verängstigten Männern Don Boscos, die den Kampf mit den Seewölfen überlebt und sich versteckt hatten, sah er, daß er es mit Gegnern zu tun hatte, die er nicht unterschätzen durfte.

      Er hatte die restlichen Männer Don Boscos aus ihren Löchern geholt, in die sie sich verkrochen hatten. Einige von ihnen hatten ihm die Gefolgschaft verweigert, aber außer dem Tod hatte es ihnen nichts eingebracht.

      Scarface hatte erkennen müssen, daß die Angst vor den Seewölfen nach Don Boscos Verschwinden riesengroß war. Er war selbst schon soweit gewesen, seinen Plan, den übermächtigen Gegner anzugreifen, aufzugeben, als ihm eine Fügung des Schicksals zu Hilfe geeilt war.

      Von der kleinen Insel Hogsty Reef nördlich von Inagua war eine Brieftaube eingetroffen, die eine Nachricht bei sich trug, daß es Don Bosco, Pablo und Nuno gelungen war, mit einer Schaluppe von der Schlangeninsel zu fliehen. Don Bosco war dabei, alles an Schiffen und Piraten aufzutreiben, was in den Gewässern zwischen Hispanola, Cuba und den Caicos-Inseln herumsegelte.

      Sobald bekannt wurde, daß Don Bosco noch am Leben war und bereits wieder dafür sorgte, daß der Kampf gegen die Seewölfe erneut aufgenommen wurde, weigerte sich niemand mehr, Scarface Callaghans Befehlen Folge zu leisten. Immer mehr Männer tauchten aus ihren Löchern auf, und Scarface begann sich allmählich zu fragen, was für Feiglinge Don Bosco um sich versammelt hatte, wenn es so viele Kerle gab, die vor dem Kampf gekniffen hatten.

      Scarface


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