Seewölfe Paket 23. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.ich richtig?“
„Goldrichtig“, erwiderte Hasard. „Was du sagst und was auch ich mir überlegt habe, gilt insbesondere für die Soldaten und Offiziere der Garnison in Potosi, die mit dem Stadtkommandanten auf Befehl des Gouverneurs nach Sucre in Marsch gesetzt worden sind.“
„Das war ein Befehl“, sagte Mel Ferrow. „Ha, so habe ich mich selten amüsiert!“
Don Ramón de Cubillo verstand kein Wort von dem, was sie sprachen, aber natürlich begriff er, daß sie auch über ihn redeten und sogar lachten. Zu der Schmach und Niederlage kam also auch noch diese Schande. Am liebsten wäre er im Erdboden versunken. Er hörte nicht auf zu schwitzen. Es wurde immer schlimmer. Er war klitschnaß, am’ ganzen Leib.
„Also, diese feinen Soldaten mit ihrem Rübenschwein von Kommandanten kriegen allmählich spitz, daß wir sie geleimt haben, meint ihr?“ Carberry grinste noch ein bißchen mehr als Ribault und die anderen.
Don Ramón stöhnte auf, als er diese Fratze im Mondlicht sah. Nie zuvor in seinem durchlauchten Leben war er einem ähnlich gräßlichen Ungeheuer begegnet, dessen war er sicher.
„So ist es“, erwiderte Dan. „Du hast es mal wieder erfaßt, Ed. Denen muß inzwischen aufgegangen sein, daß es keine fremden Truppen gibt, die angeblich Potosi umstellt haben, wie wir es ihnen vorgegaukelt haben.“
„Wir haben sie bald am Hals“, sagte der Seewolf. „Deshalb sollten wir zusehen, daß wir weiterkommen.“
Sie nahmen ihren Marsch wieder auf, und Hasard trieb den Trupp entsprechend an. Silvester wollte er einen strategisch richtigen Platz erreicht haben. Dort konnten sie sich besser schlagen, falls es erforderlich wurde. Wie sich die Dinge zweifellos entwickelten, war es besser, Vorsorge zu treffen.
Der „Platz“ war die Cordillera de los Frailes – ein wildes, zerklüftetes Berggebiet, in dem man sich gut vor einem Verfolger verbergen konnte und wo dieser es entsprechend schwer hatte, seinen Gegner zu finden.
Don Ramón de Cubillo jedoch schien jeden Augenblick seinen Geist aufgeben zu wollen. Er erhob sich nicht, er blieb auf dem Felsen sitzen, auf den er sich hatte sinken lassen.
„Ich kann nicht mehr“, jammerte er, als Carberry auf ihn zutrat.
Carberry packte den Dicken an dessen verschmutztem Hemd und zog ihn mühelos hoch.
„Du kannst“, sagte er. „Und wie du kannst! Soll ich dir mal beweisen, wie sehr du laufen kannst, du Schmalzfaß?“
Ganz von allein setzte sich Don Ramón wieder in Bewegung. Aber seine Ausdauer war nicht groß. Bald stolperte er wieder, keuchte und ächzte. Er fiel hin, rappelte sich wieder auf und stöhnte. Immer wieder mußte ihm der Profos auf die Sprünge helfen. Der Dicke, so stellte sich heraus, war eher eine Last für sie, und ob sie ihn als eine Art Faustpfand würden einsetzen können, war alles andere als sicher.
Salimbene, El Moreno und Rubirosa drangen in die jetzt offene und unbewachte Casa de la Moneda an der Nordseite der Calle Ayacucho ein. Aufmerksam und lauernd zugleich blickten sie sich nach allen Seiten um.
„Hier ist noch keiner“, raunte Salimbene. „Wir sind die ersten. Los, schnell!“
Sie durchsuchten den ersten Raum, und Rubirosa stolperte fast über einen Silberbarren, der auf dem Boden lag. Dann bückte er sich danach und kicherte. Dafür, dachte er, kann ich mir mehr als nur ein Paar schöner Stiefel kaufen.
„Achtung!“ zischte Rubirosa plötzlich. „Da ist jemand!“
„Ja, ich höre auch Schritte“, brummte Salimbene. „He, wie wär’s, wenn du mal nachsiehst?“
„Immer ich?“ Rubirosas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Wollten die beiden anderen ihn etwa hereinlegen? Nein, sie konnten es nicht tun. Noch waren sie auf ihn angewiesen. Zu dritt waren sie gut aufeinander eingespielt und fühlten sich stark. Wenn einer von ihnen ausfiel, sah das schon anders aus.
Rubirosa huschte zurück zur halboffenen Tür und lauerte. Die Schritte näherten sich – kaum wahrnehmbar. Sie knirschten auf Kies und tappten über Steinplatten, dann waren sie ganz heran. Eine Gestalt schob sich ins Innere des Gebäudes. Ein Kerl, viel größer als Rubirosa, aber wohl nicht ganz so gewitzt.
„He!“ sagte Rubirosa. „Bist du’s, Palmiro?“
„Ja“, brummte Palmiro überrascht. Er war nicht der schnellste Denker und konnte absolut nicht begreifen, wieso ein Bürschchen wie Rubirosa vor ihm hier war.
„Hau bloß wieder ab“, sagte Rubirosa. „Hier gibt’s für dich nichts zu holen.“
„Das mußt du mir gerade sagen“, Palmiro drehte sich halb um und versuchte, den kleinen Mann zu packen. Aber Rubirosa war flink wie ein Wiesel. „Verschwinde du doch“, sagte Palmiro. „Und laß mich in Ruhe, verstanden?“
Rubirosa hatte blitzschnell sein Messer gezückt, sprang auf den großen, wuchtig gebauten Kerl zu und beförderte ihn auf die Tür zu. Bevor Palmiro reagieren konnte, hatte er ihn ins Freie gestoßen und rammte die Tür zu.
Palmiro krümmte sich und griff sich entsetzt mit beiden Händen an den Leib. Brennende Schmerzen durchzuckten ihn. Er hob die eine Hand vor die Augen und sah, daß sie blutig war.
„Santa Madre“, stammelte er. „Er – er hat mich gestochen.“
Gestalten huschten aus dem Dunkel heran und steuerten auf die Casa de la Moneda zu. Ein Kerl mit einem wilden Bartgestrüpp erreichte als erster Palmiro.
„Was ist los mit dir?“ fragte er.
„Er hat mich gestochen“, sagte Palmiro betroffen und erschrocken zugleich.
„Wer?“
„Rubirosa – das Schwein! Sieh mal – hier!“
Der Bärtige untersuchte die Wunde und richtete sich wieder auf.
„Das sitzt nicht sehr tief“, brummte er. „Ist nur ein Kratzer. Hört bald auf zu bluten. Los, komm mit, wir heben den Schuppen aus. Nachher kannst du dich immer noch verbinden.“
Zu fünft rückten sie auf die Tür zu. Sie mußten sie aufbrechen – Rubirosa hatte inzwischen von innen den Riegel vorgeschoben. Die Zeit, die sie für dieses Werk brauchten, genügte Salimbene, El Moreno und Rubirosa, die Silberbarren, die sie hier und dort fanden, nach hinten zu schaffen und auf dem Hof der Casa in einen zweirädrigen Karren zu verfrachten. Sie deckten einen Fetzen Stoff darüber. Dann griffen sie – in Ermangelung von Maultieren – nach der Deichsel und zogen den Karren vom Hof.
Die andere Gruppe von Plünderern hatte unterdessen die Tür aufgebrochen und durchsuchte die Räume. Sie waren gähnend leer. Alle Silberbarren, die hier noch gestapelt gewesen waren und von den Fremden nicht mitgenommen worden waren, befanden sich auf dem Karren des Trios.
Die fünf Kerle fluchten erbittert. Dann forschten sie aber doch weiter und stießen in Schränken auf Münzen, die das Trio nicht gefunden hatte. Lachend und kichernd warfen sie die Münzen, auf einen Tisch und verteilten sie untereinander. Palmiro vergaß vor lauter Entzücken sogar die Messerwunde und die Schmerzen.
Salimbene, El Moreno und Rubirosa zogen mit ihrem Karren durch die Stadt, die wie verlassen vor ihnen lag. Ihr zweites Ziel war die Residenz des Gouverneurs. Immer wieder schauten sie sich nach allen Seiten um. Manchmal erblickten sie Gestalten, die durch die Gassen huschten und darauf bedacht waren, sich nicht zu zeigen.
Die drei grinsten sich zu. Soldaten waren noch nicht zu entdecken, und so gab es immer noch die Möglichkeit, etwas zu erbeuten. Sie hatten die Plaza, an der sich der Palast des Gouverneurs befand, fast erreicht. Plötzlich aber sahen sie zwei Männer, die aus einer Toreinfahrt auf die Straße traten. Daß die nicht zu den Plünderern und Beutelschneidern gehörten, erkannten sie auf Anhieb.
„Verdammt“, zischte El Moreno. „Soldaten!“
„Es sind keine Soldaten“, flüsterte Rubirosa. „Siehst du nicht, daß sie keine Helme tragen?“