Seewölfe - Piraten der Weltmeere 407. Frank Moorfield
Читать онлайн книгу.die Strömungen im Felsentunnel noch nicht möglich war.
Etwas querab von jener Stelle, an welcher der unterirdische Schlangen-Tempel lag, ankerte die „Isabella IX.“, das Schiff der Seewölfe. In einer Reihenfolge, die von Westen nach Osten verlief, schlossen sich die übrigen Schiffe des Bundes der Korsaren an – der Schwarze Segler des Wikingers, die „Wappen von Kolberg“, die „Pommern“ und die „Tortuga“. Ganz hinten, im westlichsten Zipfel der Bucht, war zudem noch die Schebecke Don Juans vor Anker gegangen.
Die Schiffe des Bundes, mit Ausnahme der „Empress of Sea“, die noch in nordwestlicher Richtung unterwegs war, lagen vor dem Buganker in Nordost-Südwest-Richtung versetzt hintereinander. Ihre Backbordseiten waren dem Westbereich der Innenbucht zugewandt, die Steuerbordseiten dem Ostbereich. Auf diese Weise bildeten die fünf Segler schwimmende Batterien, die einschließlich ihrer Bug- und Heckdrehbassen nach allen Seiten feuern konnten.
Die „Caribian Queen“, das sechste Schiff, lag als einziges außerhalb dieser strategisch wichtigen Formation, denn sie hatte ursprünglich die Aufgabe übernommen, durch den Felsentunnel vordringende Gegner abzuwehren. Und das war ihr bisher auch hervorragend gelungen.
Bei der Plazierung aller sechs Schiffe war man von der Überlegung ausgegangen, daß ein Gegner aller Wahrscheinlichkeit nach versuchen würde, nur durch die Nordwestbucht, durch den Felsentunnel oder von Osten bis querab Süden zu landen.
Die westliche Außenseite der Insel war steil und wies keine nennenswerten Buchten auf. Für Landungszwecke war sie deshalb denkbar ungeeignet. Dennoch hatte man nicht versäumt, auch an dieser Seite – verteilt in den Felsen – Batterien einzubauen, die ein hervorragendes Schußfeld auf die See hatten und in der Lage waren, einem von Westen her angreifenden Gegner kräftig zuzusetzen.
Solange die sechs Schiffe wegen des in die Innenbucht setzenden Mahlstroms nicht auslaufen konnten, war es ihre Aufgabe, die gelandeten spanischen Seesoldaten aus dem Zentrum der Insel heraus unter gezieltes Feuer zu nehmen.
Während sich das spanische Flaggschiff und eine weitere Kriegsgaleone auf die „Schwachstelle“ der Insel, nämlich auf die Nordwestbucht, konzentrierten, griffen die übrigen vier Schiffe, die das Eiland umzingelt hatten, pausenlos an. Kein Wunder, daß es auch für die Geschützmannschaften in den Felsenbatterien der Westseite alle Hände voll zu tun gab.
Hatte es auf der Insel bisher lediglich „Gesteinsschäden“ gegeben, so waren die Holzsplitter, die den Dons zuweilen um die Ohren flogen, wesentlich gefährlicher, denn ihre Schiffe glichen an Haltbarkeit nicht annähernd den jahrtausendealten Felsen der Schlangen-Insel.
Dabei waren es nicht nur siebzehn bis zwanzig Pfund schwere Kanonenkugeln, die aus den Inselverschanzungen rasten und die Spanier zu häufigem Positionswechsel zwangen, sondern auch die gefährlichen Brand- und Pulverpfeile, welche die Krieger und Kriegerinnen Arkanas mit unglaublichem Geschick abzufeuern verstanden, sobald sich eins der Schiffe etwas zu nah an die Insel heranwagte.
Auch die Geschützstellung, die im nördlichen Teil der Westseite untergebracht war, um vor Angreifern aus westlicher Richtung zu schützen, schmetterte einer Galeone Feuer und Eisen entgegen.
In der Verschanzung befanden sich Karl von Hutten, Arkana, die Schlangenpriesterin sowie der Wikinger samt seiner vierköpfigen Leibgarde. Hinzu kamen die „Meldegänger“ und Geschützbedienungen.
Der Schwarze Segler, der den poetischen Namen „Eiliger Drache über den Wassern“ führte und seinen Platz in der Innenbucht einnahm, wurde inzwischen vom Boston-Mann befehligt.
Thorfin Njal, der hünenhafte Wikinger, glich mit seiner Fellkleidung und dem unentbehrlichen Helm auf dem bärtigen Haupt einer nordischen Göttergestalt. Er blickte grimmig auf das Kriegsschiff hinunter, vor dessen Backbordseite gischtende Fontänen aufstiegen. Eike, einer seiner Nordmänner, hatte ihn soeben an der Kanone abgelöst.
„Immer schön das Achterdeck anvisieren“, brummte Thorfin. „Vielleicht fällt dann den Señores was auf die Füße.“
Eike warf ihm einen schrägen Blick zu. „Am besten, ich ziele gleich auf die Stiefelspitzen des Kapitäns. Dann kann er seinen Kerlen wenigstens nicht mehr in den Hintern treten.“
„Sehr gut“, sagte Thorfin Njal trocken. „Ich hoffe, du enttäuschst mich nicht.“
Eine der Kriegerinnen Arkanas, die als Meldegängerin unterwegs war, tauchte wie ein Schatten zwischen den zerklüfteten Felsen auf. Das ranke, braunhäutige Mädchen war nur mit einem Lendenschurz bekleidet, sein langes, pechschwarzes Haar reichte fast bis zur Gürtellinie. Die Kriegerin trug einen Bogen und Pfeile bei sich. Im Gürtel, der ihren Lendenschurz festhielt, steckte ein Messer.
Sie erstattete Arkana und Karl von Hutten kurz in der Sprache der Araukaner Bericht und verschwand dann ebenso lautlos, wie sie aufgetaucht war.
„Darf man erfahren, welche Neuigkeiten es gibt?“ fragte der Wikinger und kratzte sich bedächtig an seinem Helm. „Haben sich die Dons etwa neue Schweinereien einfallen lassen?“ Jetzt ballte er die riesigen Pranken zu Fäusten. „Bei Thor und Odin! Da hockt man im Geröll herum und treibt neckische Spielchen mit den Olivenfressern. Dabei könnte man ihnen draußen auf See ein paar prächtige Löcher unter die Wasserlinie pusten.“
Offenbar war dem Wikinger der erzwungene Landaufenthalt zu lästig.
„Du wirst noch genug Abwechslung kriegen“, sagte Karl von Hutten, der die Meldung der Schlangen-Kriegerin verstanden hatte.
„Zum Teufel, die könnte ich auch gebrauchen“, knurrte Thorfin Njal.
„Jawohl, Teufel gebrauchen“, tönte es aus dem Mund des Störs, der neben Arne, Eike und Olig das wildaussehende Quartett der Leibgarde Thorfin Njals vervollständigte. Der Nordmann mit dem langen, schmalen Gesicht verdankte diesem Aussehen seinen Namen, und er hatte außerdem die nervtötende Angewohnheit, Worte oder Satzteile des Wikingers wie ein Echo zu wiederholen.
Karl von Hutten, der blonde, aber dunkeläugige Sohn eines Deutschen und einer indianischen Häuptlingstochter, spannte die Männer nicht länger auf die Folter.
„Die Galeonen vor der Nordwestbucht haben insgesamt drei Jollen an Land geschickt“, berichtete er.
„Hoffentlich sind die Kerle über die Kette gestolpert und ins Wasser gefallen“, sagte der Wikinger. Wie zufällig streichelte seine rechte Hand den Knauf seines „Messerchens“, des riesigen Schwertes, das er stets an der Hüfte trug.
„Leider ist es nicht ganz so“, fuhr von Hutten fort. „Die Kette hat den Spaniern zwar einige Schwierigkeiten bereitet und manchem zu einem unfreiwilligen Bad verholfen, aber sie haben es trotzdem geschafft, unterhalb der Steilfelsen zu landen. Jetzt hängen sie in der Wand und gelangen kaum weiter, weil Siri-Tong sie ständig in Deckung zwingt. Aber erwischen kann man sie kaum, weil sie sich außerhalb des Schußbereiches der ‚Caribian Queen‘ bewegen.“
„Bei Odins Raben!“ entfuhr es Thorfin Njal. „Läuse, die sich irgendwo festgesetzt haben, muß man so schnell wie möglich knacken, jawohl.“
„Läuse – knacken – jawohl“, wiederholte der Stör. Gleichzeitig warf er seinem Kapitän einen um Entschuldigung bittenden Blick zu, denn er wußte nur zu gut, daß dieser seine „Macke“ nicht ausstehen konnte.
Jetzt mischte sich Arkana, die braunhäutige Priesterin des Schlangen-Tempels, ein.
„Vielleicht sollte man die spanischen Krieger einfach heraufklettern lassen und ihnen einen passenden Empfang bereiten.“
Karl von Hutten schüttelte den Kopf. „Das wäre sicherlich eine sehr wirksame Methode. Ich denke jedoch, daß es besser ist, wenn wir nicht gleich alle Kräfte mobilisieren und dem Kampf Mann gegen Mann zunächst ausweichen, um allgemein Kräfte zu sparen. Der eigentliche Kampf gegen die Spanier steht uns noch bevor, sobald unsere Schiffe auslaufen und sich dem Feind stellen können. Zudem mag es auf die übrigen Spanier abschreckend wirken, wenn sie mitansehen müssen, daß ihre Landetrupps es gar nicht erst schaffen, die Steilhänge zu überwinden.“
Arkana