Seewölfe - Piraten der Weltmeere 154. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 154 - Roy Palmer


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auch wir werden älter – wolltest du das sagen?“ Hasard lächelte.

      Ben mußte auch grinsen. Er schob die Mütze etwas weiter zurück und antwortete: „Nein. Ich will auf etwas anderes hinaus. Gerade die letzten Ereignisse haben bewiesen, daß Philip und Hasard auch schon ganz gut um sich beißen können. Wenn Donegal irgendwie um sie bangt, kann ich ihn natürlich verstehen, aber seine Sorgen sind letzten Endes doch unbegründet.“

      Hasard war wieder ernst geworden. „Hoffentlich“, sagte er.

      Der Schlaf nahm Old O’Flynn gefangen und entführte ihn sanft, aber wieder waren es keine rosigen, friedlichen Bilder, die vor seinem geistigen Auge Gestalt annahmen.

      Eine Nußschale im Sturm – nirgends Land, keine Bucht, kein Schiff, das die Rettung brachte. Verlassen im Tosen des Wetters, einsam, verzweifelt – die Hoffnung war eine weiße Möwe, die über den schäumenden Wogen entschwand, und die Panik hatte ihren freien Lauf.

      Er war gefesselt und konnte sich nicht bewegen. Es gab kein Messer, das er zu seiner Befreiung benutzen konnte, und wenn er es gehabt hätte, was hätte es ihm letztlich genutzt, die Taue abzustreifen, die in seine Haut schnitten?

      Keine Pistole, mit der er seinem Leben ein Ende bereiten konnte, ehe der nasse Tod nach ihm griff …

      Wer war er? Der Seewolf? O’Flynn? Er konnte nicht an sich hinuntersehen, sondern blickte nur über den Bug der Nußschale in das Brodeln der Fluten.

      „Seewölfe!“ gellte die Greisenstimme in seinen Ohren. „Dies ist euer Ende! Fahrt zur Hölle, Bastarde, ihr habt es nicht anders verdient! Was glaubtet ihr denn? Mehr zu sein als jeder schmutzige Pirat, der euch auf euren Fahrten begegnet ist? Privilegien zu genießen? Wer steht euch bei, wenn ihr in Not seid? Die Königin? Nein! Keiner will euch, keiner hat euch gerufen! Bastarde sind unerwünscht!“

      Ein irres Lachen folgte.

      „Nein“, sagte er selbst. „Lüge! Wir werden es beweisen, daß wir zu etwas taugen und keine grausamen Glücksritter und Abenteurer sind, Schnapphähne, die jedem die Kehle durchschneiden, der ihnen über den Weg läuft. Trotz allem wissen wir noch, was ein Menschenleben wert ist.“

      Plötzlich sah er vom gischtenden Kamm einer Woge aus Land. Er begann zu lachen und wollte nicht mehr aufhören zu lachen, auch nicht, als das Meer ihn mit Wucht auf dieses Land stieß, als die Nußschale in tausend Stücke zerschellte und er auf dem Sand landete, der rot, nicht gelb oder grau oder weiß war.

      Der Sand glühte wie Feuer. Er wälzte sich darauf, aber die Fesseln erlaubten ihm nicht, sich aufzurappeln und davonzulaufen. Er wollte schreien, aber er brachte keinen Laut heraus. Was war schlimmer – der nasse oder der heiße Tod?

      Unvermittelt wurde er von jemandem an den Beinen gepackt und fortgezerrt. Er sah zwei Gestalten, die in Lumpen gehüllt waren und ihre Haare schulterlang trugen, und als sie sich nach ihm umdrehten und kicherten, stellte er fest, daß sie Mädchen waren.

      Sie schleppten ihn fort von dem heißen Sand, eine Anhöhe hinauf, in einen schattigen Wald, dessen Baumstämme wie marmorne Säulen wirkten. Hier ließen sie ihn vor einer geduckten Hütte aus Reisig liegen. Die Tür der Hütte öffnete sich knarrend, eine dicke Frau trat heraus. Sie trug das Schwert eines Henkers in den Händen und schritt mit verschlossener Miene auf ihn zu.

      „Es gibt nicht nur einen nassen oder einen heißen Tod“, sagte sie mit Greisenstimme. „Man kann auf vielerlei Art krepieren.“

      „Nein“, stieß er hervor.

      Die Mädchen liefen im Kreis um ihn herum, es waren nicht nur zwei, sondern jetzt viele, so viele, daß er sie nicht zählen konnte. Sie tanzten und kicherten und verhöhnten ihn.

      „Nein“, keuchte er. „Nicht so. Nicht auf eine so schimpfliche Weise.“

      Das dicke Weib lachte und hob mit beiden Händen das Richtschwert. Schrille Laute tönten in seinen Ohren, dann krachten die marmornen Bäume gegeneinander, es brach und splitterte, das Dach der Welt stürzte ein. In seinem Schädel toste und kreiste es. Er fiel in einen Abgrund, aber das Schwert eilte ihm nach und holte ihn ein.

      Old O’Flynn schlug die Augen auf und atmete schwer. Er vermochte kaum mehr zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Taumelnd bewegte sich das Schiff in der See, höher schlugen die Wellen. Er mußte sich mit beiden Händen am Rand der Koje festklammern, um nicht wieder hinauszufallen.

      Draußen, im Mittelgang des Achterkastells, auf der Kuhl, überall war das Trappeln von Schritten. Die Männer riefen sich etwas zu, das er nicht verstand, und doch wußte er, was geschehen war.

      Der Sturm war über sie hergefallen, noch in dieser Nacht.

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