Seewölfe - Piraten der Weltmeere 536. Fred McMason

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 536 - Fred McMason


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ließ Kurs auf eine andere Insel nehmen, die größer war und höher aus dem Wasser ragte. Sie wies einige Hügel auf, die ebenfalls mit üppiger Vegetation ausgestattet waren. Dazwischen lag eine tiefdunkle Stelle. Den Erfahrungen nach konnte es da Trinkwasser geben.

      Noch waren sie zwar gut eingedeckt, aber in diesen südlichen Breiten verdarb das Wasser bei der schwülwarmen Luft rapide, und dann bildeten sich ebenso schnell grünliche Algen. Daher war es besser, das Trinkwasser vor der Weiterreise noch einmal zu wechseln.

      Daß sie bald wieder umkehren würden, sprach sich mittlerweile schon unter den Arwenacks herum. Hatten sie erst einmal die Südspitze von Afrika gerundet, begann der lange und eintönige Törn über den Atlantik. Dort aber waren die Inseln nicht halb so interessant wie hier, und diese Tatsache löste lebhaftes Bedauern aus.

      „Dafür werden wir aber in der Karibik wieder entschädigt“, sagte der Decksälteste Smoky. „Da haben wir alles ungefähr wieder wie hier, außerdem sind wir dann im Stützpunkt, wo es ganz sicher eine Menge Neuigkeiten geben wird.“

      Old O’Flynn, der neben Smoky mit ein paar anderen am Steuerbordschanzkleid der Kuhl stand, löste seinen Blick vom Land und drehte sich langsam um.

      „Ich weiß nicht, ich weiß nicht“, murmelte er dumpf und rieb seine Finger gegeneinander. „Ich habe so ein merkwürdiges Gefühl, als würden wir die Karibik noch lange nicht erreichen. Ich kann das nicht erklären. Es ist mehr so eine Ahnung, versteht ihr?“

      Sie alle verstanden Old O’Flynns „Ahnungen“, denn die hatten es oftmals in sich und boten Anlaß zu endlosen Diskussionen, bei denen gewöhnlich nicht viel herauskam.

      „Aber wir gehen auf Gegenkurs, wenn wir die Inseln ein bißchen durchforscht haben“, wandte Smoky ein.

      „Schon, schon. Aber auf diesen Gegenkursen liegt meist der Hund begraben. Ich kann mich auch täuschen. Warten wir’s ab.“

      Damit war für Old Donegal das Thema vorläufig erledigt. Er wolle sich nicht festlegen, meinte er, das sei alles so ungewiß.

      Edwin Carberry wollte den Alten erst ein bißchen auf den Arm nehmen, doch dann würde der granitharte alte Bursche sich nur wieder unnötig aufregen, und das brachte nichts ein. So warf er ihm nur einen langen und nachdenklichen Blick zu. Dann drehte er sich wieder um. Er musterte die Insel, auf die sie zusegelten. Sie war in ihrer Unberührtheit von einmaliger Schönheit. Auch er sah den Feenseeschwalben, den Kormoranen und anderen Vögeln nach, die ruhig ihre Kreise zogen. Sehr sorgfältig musterte der Profos das alles.

      Er war in den Anblick so vertieft, daß er ein bißchen zusammenfuhr, als ihn eine Hand berührte und eine Stimme fragte: „Was suchst du denn so emsig, Ed?“

      Es war der Kutscher. Hager, tiefbraun von der Sonne verbrannt, stand er grinsend neben ihm. Offenbar hatte er heute ganz besonders gute Laune.

      „Ich suche gar nichts“, sagte der Profos. „Überhaupt nichts.“

      „Aber etwas scheinst du doch zu suchen, sonst würdest du nicht so eifrig Ausschau halten.“

      „Na gut, dann suche ich eben etwas“, brummte der Profos, „wenn du es schon so genau wissen willst.“

      „Und was ist das?“ Der Kutscher war etwas neugierig, doch mit der Antwort hatte er nicht gerechnet.

      „Ich suche Affenärsche, die auf Bäumen wachsen.“

      „Deine Antworten auf höfliche Fragen sind ja immer von besonderem Liebreiz“, sagte der Kutscher. „Eigentlich hätte ich nichts anderes erwarten dürfen.“ Er stemmte die Arme in die Hüften und schüttelte den Kopf. „Aber bitte, ich will dir dabei keinesfalls im Wege stehen, um deinen botanischen Entdeckergeist zu bremsen. Such nur weiter“, setzte er etwas höhnischer hinzu. „Wer suchet, der findet.“

      Dem Profos entging, daß der Kutscher bei den Worten ein eigentümliches Lächeln auf den Lippen hatte.

      „Klar, so steht’s auch geschrieben“, brummte Carberry.

      Die „Santa Barbara“ lief weiter auf die Insel zu, um einen günstigen Ankergrund zu finden. Nachdem eine Barriere aus Korallen passiert war, wurde das Wasser so klar, daß sie bis auf den Grund sehen konnten. Von unten leuchtete weißer Sand herauf. Die Entfernung zum breiten Strand betrug bestenfalls noch drei Kabellängen.

      Kurze Zeit später schwoite die Galeone an langer Ankertrosse, die von einer neugierigen Schildkröte intensiv in Augenschein genommen wurde. Sie schwamm ständig drumherum und glotzte die Trosse an.

      „Hier werden wir zwei oder drei Tage bleiben“, sagte der Seewolf. „Wir sehen uns alles an und decken uns mit dem ein, was die Insel hergibt. Das scheint mir schon auf den ersten Blick eine ganze Menge zu sein.“

      „In der Tat, eine üppige und phantastische Vegetation“, sagte Don Juan, „und alles von so unglaublicher Friedfertigkeit. Vielleicht war das früher einmal der Garten Eden.“

      „Sieht fast so aus. Nun, dann fiert mal die Boote ab, damit wir uns die Insel näher ansehen können.“

      „Wer darf denn alles an Land?“ erkundigte sich Batuti mit einem freundlichen Grinsen.

      „Jeder, der Lust hat. Es genügt völlig, wenn zwei Ankerwachen an Bord bleiben. Wir haben einen unbegrenzten Blick über das Meer, und Einwohner scheint es hier nicht zu geben.“

      Hasard und Philip junior standen erwartungsvoll daneben. Sie waren schon seit jeher von Expeditionen und Spähunternehmungen fasziniert und begeistert, wenn es darum ging, Neuland zu entdecken. Natürlich durften sie auch mit. Hasard bat sich lediglich aus, die Wolfshündin diesmal an Bord zu lassen, damit sie die Idylle und Ruhe dieser Insel nicht störe. Sie sollte zusätzlich die beiden Bordwachen verstärken. Später sollte sie dann auch mal an Land herumschnüffeln.

      Gegen Nachmittag brach der erste Trupp auf.

       2.

      Der Marsch über die Insel ähnelte einem Spaziergang durch ein Märchenparadies. Es gab immer wieder Neuigkeiten zu entdecken.

      Sie gingen durch eine Ansammlung von Kokoswäldern, in denen es lieblich duftete. Über der ganzen Insel lag der Geruch nach Vanille und anderen Gewürzen, eine Mischung, die sich nicht definieren ließ.

      Ein drosselähnlicher Vogel mit wohlklingendem Gesang begleitete sie fast den ganzen Weg. Später verschwand er in einer Kokospalme, wo er sein Nest hatte. Von oben ertönte Gezwitscher herab.

      Auf der Insel wuchsen eine Menge Früchte und Beeren. Manche waren allerdings unbekannt, so daß der Kutscher vor ihrem Verzehr warnte.

      Sie fanden eine Quelle mit klarem sprudelndem Wasser. Das war ein willkommener Anlaß zur ersten Rast.

      Später, in südlicher Richtung, stießen sie auf dichte Mangrovenwälder. Ganze Kolonien von weißlichen Tölpeln hockten regungslos auf den Zweigen. Die grauen Schnäbel hatten sie weit vorgereckt und starrten die Arwenacks aus ihren dunklen Augen vertrauensvoll und neugierig an, als würde ihnen niemand etwas zuleide tun. Sie sahen etwas dümmlich aus, was ihnen auch ihren Namen eingetragen hatte. Vielleicht aber zogen sie auch nur so dümmliche Gesichter, weil die Fregattvögel ihnen ständig die Fische abjagten.

      Der Kutscher blieb dicht vor den Vögeln stehen, die sich so gut wie gar nicht rührten. Nur ihre Augen waren in Bewegung. Dann deutete er auf die Fregattvögel, die ebenfalls auf den Ästen der Mangroven dicht beieinanderhockten.

      „Das nennt man Friedfertigkeit. Sie hocken in aller Eintracht nebeneinander, und doch gibt es jeden Tag Streit zwischen ihnen. Die Fregattvögel jagen den Tölpeln die Fische ab, es gibt ein bißchen Ärger, und danach sitzt man wieder friedlich zusammen.“

      „Wie bei uns“, sagte Carberry anzüglich. „Da streiten wir uns, und später sitzen wir auch einträchtig beieinander. Jetzt wirft sich nur die Frage auf, wer sich für den Fregattvogel und wer für den Tölpel hält. Was meinst du, Kutscherlein?“


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