Seewölfe - Piraten der Weltmeere 109. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 109 - Roy Palmer


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      Impressum

      © 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-433-3

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

      1.

      Fong-Ch’ang beugte sich über die Lagerstatt seines zweijährigen Sohnes Tsao. Er streckte die Hände vor und berührte behutsam das Gesicht, die Arme und die Finger des Jungen. Schließlich legte er ihm die Linke auf den kleinen, fast kahlrasierten Kopf, auf dem nach chinesischer Tradition nur Haarbüschel stehen durften.

      Fong verhielt den Atem.

      Tsaos Körper gab schwache Wärme ab, aber er hatte keine Reflexe mehr. Seine Augen hatten sich wie in tiefem Frieden geschlossen – und würden sich nie wieder öffnen.

      Langsam, wie in Trance, drehte sich Fong-Ch’ang zu seiner Frau Tao-t’ien um. Er blickte ihr in die dunklen Augen.

      „Du brauchst nicht zu sprechen“, flüsterte sie. „Ich begreife auch so.“

      „Der ewige Fluch der Verdammnis scheint über diesem Haus, diesem Dorf zu schweben“, sagte Fong erstickt.

      Tao-t’ien tat zwei stockende Schritte auf das Bettchen des Kleinen zu, erst dann erfolgte in ihr die heftige, naturgegebene Reaktion. Die Beherrschung fiel von ihr ab wie ein dünnes Seidengewand. Sie stürzte auf die Knie, rutschte schluchzend auf das Lager des Kindes zu und warf sich über die kleine, reglose Gestalt.

      Fong-Ch’ang fuhr zu ihr herum, griff nach ihren Schultern und riß sie zurück.

      „Sei vernünftig“, herrschte er sie an. „Willst du, daß dich das gleiche Schicksal trifft?“

      „Du hast Tsao auch berührt.“

      „Ich habe größere Widerstandskräfte in mir.“

      „Wer sagt dir das?“

      „Die Ärzte!“ Er schrie sie fast an.

      „Die Ärzte – Könige der Medizin“, wimmerte sie. „Sie haben ihn nicht retten können, meinen armen, über alles geliebten Tsao. Jetzt will auch ich nicht mehr am Leben bleiben.“

      Fong zog sie gewaltsam zu sich hoch. „Ich kann es verstehen, daß die seelische Not dich so verwerflich reden läßt“, stieß er hervor. Er selbst mußte sich hart zusammennehmen, um nicht in Tränen auszubrechen. „Aber du darfst nicht nur an dich denken. Mit deinem Tod wären all die furchtbaren Probleme nicht gelöst, es ist eigensüchtig von dir, so daherzureden.“

      Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie. Ihre hochgesteckte Frisur löste sich auf, die Haare fielen über ihre schmalen Schultern. Sie schrie auf, dann sank sie wieder auf die Knie und umklammerte seine Beine.

      „Vergib mir, o geliebter Fong!“ rief sie. „Wir haben unseren Sohn verloren, und die bösen Geister sind in mich gefahren, um mich meiner Sinne zu berauben. Nie wieder werde ich etwas Derartiges sagen.“

      „Und du darfst die neue Frucht nicht vergessen, die du in deinem Leib trägst“, erwiderte er. So sehr er sich auch bemühte, er konnte das Beben in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken.

      „Niemals“, hauchte Tao-t’ien. Ihr weiches Gesicht war vom Grauen und von der Verzweiflung gezeichnet.

      Fong befürchtete, sie könne das Kind, das gegen Ende der heißen Jahreszeit das Licht der Welt erblikken sollte, durch den Schock verlieren.

      „Geh jetzt und wasche dich gründlich“, sagte er sanft. „Benutze viel flüssige Seife, um deinen Körper zu reinigen. Auch ich werde mich säubern. Und ich werde auch Tsaos Bettstatt vernichten müssen, um den Fluch von unserem Hause zu nehmen.“

      „Ja“, antwortete sie.

      Still begab sie sich in den Nebenraum. Er vergewisserte sich, daß sie ihn nicht beobachtete, und zog seine kostbarsten Gewänder an. Sie waren mit Drachensymbolen und anderen Sinnbildern bestickt.

      Er hob den Leichnam des Kindes aus dem Bett und trat aus seinem Steinhaus ins Freie.

      Viele Menschen befanden sich draußen; sie hatten ihre Hütten und Häuser verlassen, als bestünde die Aussicht, dem Unheil unter freiem Himmel besser zu begegnen. Ihre Köpfe ruckten herum, und sie schauten auf Fong-Ch’ang, den Vorsitzenden des Dorfrates, der seinen toten Sohn Tsao in stummer Anklage durch den Ort trug.

      Cookie, der mit richtigem Namen Rod Bennet hieß, fuhr sich mit der Hand über die Stirnpartie und pappte sich die öligen Haare zum wiederholten Male fest.

      „Verflucht und zugenäht“, sagte er ärgerlich. „Ich könnte aus der Haut fahren und mich danebensetzen.“

      Er versuchte schon den ganzen Morgen über, Ordnung in seine bemerkenswerte „Frisur“ zu bringen. Aber es wollte ihm nicht gelingen. Immer wieder lösten sich Strähnen und hingen ihm wild ins Gesicht. Sie behinderten ihn bei der Arbeit an Kübeln und Holzkohlefeuern. Aber nicht nur das stimmte ihn nervös. Da war mehr.

      Muddy hatte sich beim Angriff der chinesischen Piraten mit ihm zusammen in die Kombüse verdrückt. Sie hatten sich eingeschlossen und waren so den Hieben entgangen, die diese verrückt gewordenen Kerle mit ihren Bambusstöcken ausgeteilt hatten – was dann zur Folge gehabt hatte, daß Thorfin Njal, der Wikinger, ausgerechnet Muddy gleich am nächsten Tag zum Kombüsendienst eingeteilt hatte.

      „Ihr paßt ja so gut zusammen“, hatte er gesagt. „Bei Odin, die Freundschaft wollen wir doch nicht kaputtmachen, oder?“

      O ja, der Spott in Njals Worten war unüberhörbar gewesen. Obwohl Cookie und Muddy bei dem Kampf in der Felsenkaverne auch nicht mehr entscheidend hätten eingreifen können – so ganz hatte es ihnen noch keiner aus der Crew verziehen, wie sie sich verhalten hatten.

      So hatte eins das andere ergeben.

      „Das hab ich nun davon“, murmelte Cookie. „Immer auf die Kleinen.“

      „Was hast du zu nörgeln?“ fragte Muddy.

      Wütend äugte Rod Bennet zu ihm hinüber. „Auspeitschen sollte man dich“, erwiderte er. „Das ist alles deine Schuld. Und nun sieh dir doch mal an, was für eine Schweinerei du angerichtet hast.“

      „Halt die Luft an, Dicker“, sagte Muddy warnend.

      Cookie war auch nicht gerade die Reinlichkeit in Person. Seine Pfannen galten nicht als die saubersten, und seine Töpfe klebten mitunter etwas. Siri-Tongs Männer hatten ihn auch schon mal mit dem Allerwertesten ins Kombüsenfeuer gesetzt, wenn das Essen mißlungen war.

      Aber Muddy übertraf den Koch noch, was die Reinlichkeit anging. Eigentlich hatte man ihn Robinson getauft, als er – was nach Meinung der Crew allein schon ein Fehler des Allmächtigen gewesen war – das Licht


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