Seewölfe - Piraten der Weltmeere 554. Burt Frederick

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 554 - Burt Frederick


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ist.“

      Der Spanier lächelte.

      „Natürlich bin ich deinen Argumenten wieder einmal nicht gewachsen.“

      Hasard klopfte ihm auf die Schulter.

      „Nimm es nicht krumm. Ich will nur, daß wir nicht zu guter Letzt noch eine Pechsträhne erwischen.“

      Die beiden Männer wandten sich ab und gingen auf das Stallgebäude zu. Mit dem Versiegen der Sonne wurde es spürbar kühl. Die ersten Wachen waren aufgezogen.

      Luke Morgan und Bob Grey patrouillierten abwechselnd am Gatter und außen am Stall entlang. Sie waren mit Pistolen und Entersäbeln bewaffnet. Musketen hielt keiner für angebracht, da sie die Beweglichkeit eines Mannes erheblich einschränkten.

      Im offenen Tor der Stallung hatten die Männer ein Feuer entfacht. Am Dreibein hing ein Kessel mit siedendem Wasser. Der Kutscher, Mac Pellew und die Zwillinge füllten den Arwenacks die Mucks mit Rum, braunen Zuckerkristallen und heißem Wasser.

      Old Donegal Daniel O’Flynn war in der Stimmung, Geschichten zu zählen. Doch niemand wollte ihm zuhören – wie üblich. An Schauermärchen bestand kein Bedarf. Man zog es vor, sich mit der nahen Zukunft zu befassen und über den weiteren Weg bis zum großen Meer zu spekulieren.

      Es wurde keine ausgedehnte Nachtsitzung. Hasard und seine Gefährten wußten, daß sie ihren Schlaf dringender brauchten als alles andere. Nicht einmal im Traum dachten sie an die Möglichkeit, daß vor ihrem Aufbruch noch ein fast unüberwindbares Hindernis liegen würde.

      Um Mitternacht war längst Stille eingekehrt.

      Auf ihren Nachtlagern atmeten die Männer tief und regelmäßig. Auch Luke Morgan und Bob Grey hatten sich zur Ruhe begeben. Sie waren von Smoky und Al Conroy abgelöst worden.

      Niemand schnarchte. Weder Edwin Carberry noch Ferris Tucker oder Big Old Shane ließen ihre Stimmgewalt in nächtlichem Raspelbaß ertönen.

      Die Glut des niedergebrannten Feuers hatten sie mit Sand erstickt. Im Stallgebäude brannte keine Lampe mehr. Die Maultiere waren ruhig, was wohl von der Nähe der Menschen herrührte. Auch Plymmie, Arwenack und Sir John gaben keinen Laut von sich.

      Der Papagei hockte auf einer Proviantkiste, hatte ein Bein angezogen, den Kopf nach hinten gedreht und in seinem Federkleid vergraben. Arwenack schlummerte lang ausgestreckt neben der Kiste. Lediglich die Wolfshündin befand sich abseits, auf der anderen Seite des Stalls bei den Zwillingen.

      Vor den Strohsäcken, auf denen die Söhne des Seewolfs schliefen, hatte sich die graue Hündin zusammengerollt, die einst in Finnland als Bordhund der „Isabella IX.“ von den Arwenacks aufgenommen worden war.

      Den Zwillingen hatte es Plymmie nie vergessen, daß sie sie in der finnischen Hafenstadt davor gerettet hatten, von Gassenjungen gesteinigt zu werden. Seitdem waren Philip und Hasard und die Wolfshündin unzertrennlich.

      Einer der beiden Wachtposten ging mit leisen Sohlen außen, an der Straßenseite des großen Holzgebäudes entlang. Seine Schritte entfernten sich nach Osten, zur Stirnseite des Stalls und zur Toreinfahrt.

      Das Unheil brach von einer Sekunde zur anderen herein.

      Niemand hörte das leise Knirschen von Holz, als Außenplanken an der westlichen Schmalseite des Stalls gelöst wurden.

      Doch jäh wurde die Stille zerfetzt.

      Die Mulis stießen schrille Laute der Angst aus und gerieten in wilde Bewegung. Ihre Hufe stampften den Boden, und nur die gatterartige Abgrenzung verhinderte, daß sie in panischer Flucht über Kisten und Ballen und über die Schlafenden hinwegstürmten.

      Die Männer, die als erste von ihren Lagern hochfuhren, hörten ein tiefes, heiseres Grollen.

      Wegen der Dunkelheit konnte keiner sehen, was sich abspielte. Niemand bemerkte demzufolge, wie Plymmie blitzartig von ihrem Platz losschnellte, über die Packstücke hinweg, auf das Gatter zu. Die Angstlaute und das Durcheinanderstampfen der Maultiere wollten nicht enden.

      „Licht an!“ brüllte Edwin Carberry. „Verdammt noch mal, steckt die Tranfunzeln an!“

      Von draußen waren die Alarmrufe Smokys und Al Conroys zu vernehmen.

      Während Flints hastig aneinandergeschlagen wurden und Funken in Zunder sprühten, lief den Arwenacks unvermittelt ein Schauer über den Rücken.

      Plymmies Knurren war scharf und voller Zorn.

      Was darauf antwortete, klang haargenau so, als ob es aus dem tiefsten Schlund der Hölle herauftöne. Dieses Grollen hätte von einem zehn Fuß großen Braunbären stammen können. Aber diese Riesenmonstren, denen die Arwenacks im nördlichen Teil der Neuen Welt begegnet waren, gab es hierzulande wohl kaum.

      Die Mulis schienen jetzt in starrer Todesangst zu verharren.

      Endlich flackerte die erste Öllampe auf. Gleich darauf zwei weitere. Unwillkürlich suchten die Zwillinge die Nähe ihres Vaters, als sie alle gemeinsam auf das Gatter zugingen.

      Der Seewolf hielt seinen Radschloßdrehling schußbereit, und auch die meisten anderen hatten Pistolen mitgenommen. Wenn es dort bei den Maultieren etwas zu klären gab, dann half eine präzise gezielte Kugel zweifellos am schnellsten.

      Das Grollen und das Knurren hielten an. Noch versperrten die Mulis die Sicht.

      Ein Wolf?

      Sicher, die Isegrims gab es in diesen Breiten. Aber schon im nächsten Moment sahen die Männer, daß es keine solche Bestie sein konnte. Wölfe waren schließlich nicht in der Lage, fein säuberlich vier Außenplanken aus einer Holzwand zu lösen – noch dazu so leise, daß eine ganze Schiffscrew nichts davon mitkriegte.

      Hasard und die Arwenacks schoben sich nach links, da sich die Maultiere in der anderen Ecke zusammengedrängt hatten. Mit zitternden Flanken standen die großohrigen Grauen da. Batuti, Bob Grey und Big Old Shane, die die Lampen trugen, näherten sich dem Gatter als erste.

      Gleich darauf hatten sie alle freies Blickfeld. Der Lampenschein reichte eben aus.

      Es verschlug ihnen die Sprache.

      Plymmie stand einem Ungeheuer gegenüber.

      Das Ungetüm mit der tiefen Grollstimme hatte die Größe eines Kalbs, doch es war doppelt so massig. Es fletschte seine Reißzähne, und die Männer hatten den Eindruck, ein Löwengebiß zu sehen.

      Plymmie harrte mit gesträubten Nackenhaaren aus, die Läufe fest gegen den Boden gestemmt. Ihre gespannten Muskeln zeigten, daß sie zum Angriff bereit war.

      Das Untier war riesengroß und grau, mit einem glatten Fell. Die tückischen kleinen Augen in dem mächtigen Schädel sahen blutunterlaufen aus.

      „Ein Mastino“, flüsterte Philip Killigrew junior.

      „Was, zum Teufel, ist das?“ sagte Ferris Tucker, der ganz in der Nähe stand.

      „Ein römischer Kampfhund“, erklärte Hasard junior. Mit Hunden kannten sein Bruder und er sich schließlich aus.

      Doch es blieb keine Zeit für einen weiteren Wortwechsel. Das Geschehen zog die Männer in seinen Bann.

      Ohne die kleinste erkennbare Ankündigung setzte das Ungeheuer zum Sprung an. Wenn die Arwenacks geglaubt hatten, der schwergewichtige Riesenhund müsse auch schwerfällig und unbeweglich sein, so sahen sie sich in diesem Moment getäuscht.

      Mit einer Art wilder Eleganz schnellte der Mastino auf die Wolfshündin zu. Für den Bruchteil einer Sekunde schien es, als reagiere Plymmie zu spät.

      Doch sie schaffte es. Ihr Zur-Seite-Schnellen ließ den Kampfhund mit ungebremster Wucht gegen das Gatter prallen. Das krachende Geräusch veranlaßte die Maultiere zu erneuten schrillen Angsttönen. In der jenseitigen Ecke drängten sie heftiger gegen das Gatter. Es knarrte und ächzte bedrohlich.

      Das Grollen des Mastino steigerte sich zu einem wütenden, heiseren Schnappen, als er sich herumwarf, um zu einem erneuten Angriff anzusetzen.


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