Seewölfe - Piraten der Weltmeere 396. Fred McMason

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 396 - Fred McMason


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beiden anderen Gefangenen brutal nach draußen geschleift wurden, flüchteten auch die restlichen Männer, denn auch ihnen drohten Festnahmen durch die Soldaten. Was das bedeutete, das wußte jeder von ihnen zur Genüge. Die Soldateska war nicht zart besaitet, es störte sie nicht, wenn einer bei der Folter sein Leben aushauchte oder in den Verliesen hungernd vergammelte.

      Überall in den Straßen und Gassen rannten Gardisten, Soldaten und andere Kerle herum, die sich unbedingt die ausgelobte Belohnung in Höhe von hundert Goldtalern verdienen wollten. Havanna glich in dieser Nacht einem Tollhaus.

      Don Ruiz ließ hinter sich einen Trümmerhaufen zurück. Die Kneipe war verwüstet, der Wirt verhaftet, und die Zecher waren geflüchtet. Auf den Straßen rottete sich der Mob zusammen und brachte Schmährufe auf die Soldaten aus. In den Kneipen war der Teufel los. Der Stadtkommandant übersah großzügig ein paar Soldaten, die ausgiebig eine zerschlagene Kneipe plünderten.

      „Weiter“, befahl er, „weiter! In diesem Chaos kann sich ein Mann vorzüglich verbergen. Denkt an die Belohnung. Da hinein!“

      Von der Calle habañero stürmte der Trupp in den Camino de los Rojas, ein Gäßchen, das direkt an den Hafen anschloß. Dort ging es etwas ruhiger zu. Das nächste Ziel des Kommandanten war die Kneipe „Los Molinos“, ein Etablissement, das einen besseren Ruf genoß als die anderen Spelunken.

      Auf dem Holzschild über der Tür waren zwei Mühlen eingebrannt. Welchen Bezug das zu der Kneipe hatte, wußte allerdings in Havanna kein Mensch.

      In das „Los Molinos“ verirrten sich nur selten Seeleute. Die Spelunke war zu hausbacken. Aber hier verkehrten Macheteros, Händler, Kaufleute aller Schattierungen und das Volk von Havanna.

      De Retortilla trat ein, gefolgt von seinen Soldaten.

      „Sitzenbleiben!“ befahl er, „niemand rührt sich von seinem Platz.“

      Ein paar Leute aßen, andere tranken und unterhielten sich. Die Unterhaltung verstummte jedoch beim Anblick des Kommandanten schlagartig. Lähmende Stille breitete sich aus. In einigen Gesichtern stand nackte Angst.

      Sie alle kannten diesen hinterhältigen, brutalen Kerl, der rücksichtslos gegen alle vorging, deren Nasen ihm nicht paßten. Sie wußten auch, daß er Leute oft zu Unrecht verdächtigte. Seinetwegen hatten schon viele Leute nicht sehr angenehme Nächte im Kerker zugebracht.

      Die Soldaten schwärmten aus, während de Retortilla es beliebte, den Leuten in die Gesichter zu blicken und sie erschauern zu sehen. Blieb sein harter Blick mal länger auf einem haften, dann hatte er etwas zu beanstanden, und der Betroffene fühlte sich unangenehm berührt.

      „Haben Sie einen Mann versteckt, Wirt?“ fragte der Kommandant. „Geben Sie es lieber gleich zu, das erspart Ihnen viel Ärger. Es handelt sich um einen Frauenmörder, der geflohen ist.“

      „Nein, ich habe niemanden versteckt“, jammerte der Wirt. „Die Soldaten waren schon viermal hier und haben alles durchsucht. Sie hatten sogar Bluthunde dabei. Ich werde mich beschweren, denn die Soldaten haben eine Menge Schaden angerichtet. Wer ersetzt mir das alles?“

      „Beschwerden nehme ich entgegen. Aber Sie haben sich nicht zu beschweren, denn Sie stehen in dem Verdacht, einem Frauenmörder Unterschlupf gewährt zu haben.“

      „Das ist nicht wahr, ich verstecke keine Mörder.“

      „Trotzdem sind Sie verdächtig, gerade Sie, denn Don Juan de Alcazar verkehrte auch in Ihrer Kneipe.“

      „Er war noch nie hier, mein Ehrenwort darauf.“

      „Ich weiß es besser.“

      Aus der Küche war das Klirren von Geschirr zu hören. Eine Frau begann laut zu kreischen. Gepolter erklang, dann klirrte es wieder.

      Einer der Kaufleute an dem hinteren Tisch erhob sich. Es war ein hagerer sehniger Mann mit kantigem Gesicht. Seine Lippen umspielte ein etwas spöttisches Lächeln.

      „Ich kenne Don Juan“, sagte er, „aber ich glaube nicht, daß er ein Mörder ist. Das bezweifle nicht nur ich, sondern auch andere ehrbare Bürger von Havanna.“

      „Wie können Sie wagen, so zu reden?“ schrie de Retortilla. „Sie bezweifeln die Worte des Gouverneurs! Es gibt Augenzeugen, die den Mord gesehen haben!“

      „Trotzdem zweifle ich das an“, sagte der hagere Kaufmann gelassen. „Don Juan ist ein ehrbarer Mann und über jeden Zweifel erhaben. War er es nicht, der den Widerstand gegen die Bande Catalinas organisiert hatte? Wir erinnern uns noch sehr gut daran, Señor. Die Bürger vergessen so etwas nicht. Dieser Mann hat gekämpft, als die Bande mordend und plündernd durch die Stadt zog. Er und der deutsche Kaufherr sind es, denen die Bürger ihre Rettung zu verdanken haben.“

      De Retortilla lächelte, obwohl in seinen Augen ein eiskaltes Licht schimmerte.

      „Sie reden sich um Kopf und Kragen“, sagte er fast freundlich.

      „Ich sage nur meine Meinung, und das werde ich wohl noch ungestraft tun dürfen.“

      „Dann reden Sie nur weiter“, empfahl der Kommandant höhnisch.

      „Setz dich wieder hin, Alberto“, sagte ein anderer, „reg dich nicht auf, es bringt dir nichts ein.“

      Der Kaufmann hörte nicht auf die warnenden Worte. Er redete sich in Eifer. Einmal muß man dieser korrupten Bande die Wahrheit sagen, dachte er. Daß das für de Retortilla ein gefundenes Fressen war, kam ihm nicht in den Sinn.

      „Soso“, sagte der Kommandant, „Don Juan hat also die Stadt gerettet. Sehr interessant. Und die anderen haben geschlafen, das wollten Sie doch sagen, oder?“

      „Genau das meine ich. Als nämlich die Mordbande durch die Stadt zog, haben sich der Gouverneur und seine Günstlinge feige in die Residenz zurückgezogen und verbarrikadiert. Für die Stadt haben sie jedenfalls nichts getan.“

      Die Soldaten kehrten zurück und meldeten, sie hätten nichts gefunden.

      Don Ruiz de Retortilla nickte. Dann zog er seine Pistole und richtete sie auf den hageren Kaufmann.

      „Nehmt ihn fest. Er ist ein Verschwörer. Er hat den Gouverneur als Feigling bezeichnet. Er hält zu Don Juan. Wir werden alles aus ihm herausholen, was wir wissen wollen. Feststellen, wo er wohnt. Sein Eigentum wird beschlagnahmt, sein Haus durchsucht.“

      „Nur weil ich die Wahrheit sagte?“ fragte der Kaufmann empört.

      „Weil Sie ein Verschwörer sind und mit schändlichen Frauenmördern paktieren“, erklärte der Kommandant kalt.

      Bei dem Kaufmann rastete etwas aus. Seine Augen funkelten wild.

      „Ihr korruptes, vollgefressenes Pack!“ schrie er. „Ihr habt Don Juan den Mord in die Schuhe geschoben. Ihr verdammten Intriganten! Da steckt eine grenzenlose Schweinerei dahinter.“

      Er holte tief Luft, um sich weiter seine Wut von der Seele zu reden, doch Don Ruiz nickte einem der Soldaten schnell zu.

      Der Spanier holte mit der Muskete aus und schlug sie seinem Landsmann hart über den Schädel. Wie vom Blitz getroffen, brach der Kaufmann zusammen.

      Zwei Soldaten ergriffen seine Beine und schleppten ihn wie ein Stück Vieh aus der Kneipe. Die anderen blieben betroffen und von ohnmächtigem Zorn erfüllt zurück.

      „Bringt ihn in den Kerker“, befahl Don Ruiz, „ich werde mich später persönlich um ihn kümmern. Ihr drei bleibt bei mir, wir suchen weiter, und wir werden diesen Kerl auch finden.“

      Die anderen zogen ab. Sie trugen den Kaufmann nicht, das fiel ihnen gar nicht ein. Sie schleppten ihn einfach hinter sich her und rissen dabei gemeine Witze.

      Unterwegs begegneten dem Kommandanten weitere Trupps, die Kneipe um Kneipe und Haus um Haus durchsuchten. Auf einen weiteren Trupp mit Bluthunden stießen sie weiter unten am Hafen. Die Hunde hechelten, als hätten sie bereits eine Spur aufgenommen.

      Aus den Fenstern der Häuser drang mitunter Gebrüll. Bürger beschwerten


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