Seewölfe - Piraten der Weltmeere 518. Fred McMason
Читать онлайн книгу.dieser Gegner verteilte empfindliche Nadelstiche und war kaum zu packen.
Auf den beiden im Kielwasser hängenden Schaluppen wurde der Feuerbefehl für die Drehbassen gegeben. Drüben waren die Engländer immer noch mit dem Nachladen beschäftigt.
Da krachte es wieder. Viermal hintereinander donnerte brüllend und heulend ein Eisenhagel über das Wasser.
Auf der „Holy Virgin“ zogen sie fluchend die Köpfe ein, als Blei und Eisenbrocken heranjaulten. Die Geschützführer gingen hinter dem Schanzkleid in Deckung und lauschten den prasselnden Einschlägen, die das Achterkastell trafen. Die Bleiglasfenster der Kapitänskammer gingen klirrend zu Bruch. Holz splitterte, im Besansegel ratschte es, als kleine Bleibrocken hineinschlugen und das Tuch durchlöcherten.
Der aus Norden wehende Wind tat ein übriges, um das Besansegel zu zerfetzen. Innerhalb kurzer Zeit hing es in Streifen am Liek. Sofort nach dem Feuern setzten sich die beiden Schaluppen ab und fielen etwas zurück.
Auf der englischen Galeone fluchten sie erbittert. Die Drehbassen waren nachgeladen und feuerten wieder. Diesmal auf die Schaluppe an Backbord. Explosionen hallten über die See, eine dunkle Wolke aus Qualm zog über die Schaluppe hin.
„Treffer!“ brüllten die Spanier. Sie rissen die Arme hoch, als Holzsplitter aus dem Achterkastell flogen, und die Engländer erneut in Deckung gingen.
Sie feuerten zwar zurück, doch beide Schüsse donnerten dicht vor der Schaluppe harmlos ins Meer.
So schnell wie ein Windhund war jetzt die andere einmastige Schaluppe am Gegner. Sie war nicht viel größer als ein mittleres Beiboot und konnte zusätzlich noch gerudert werden. Dadurch war sie besonders schnell und wendig.
Sie hetzte heran. Beide Drehbassen spuckten Feuer und Rauch. Auf der „Holy Virgin“ warf der Rudergänger die Arme hoch und stieß einen lauten Schrei aus. Die „Holy Virgin“ schickte sich an, in den Wind zu schießen, doch da war der Kapitän schon zur Stelle. Für ein paar Augenblicke übernahm er das Ruder selbst, dann übergab er es an den Zweiten Offizier, der auf dem Achterdeck erschien.
„Diese giftigen Kröten!“ schimpfte er. „Sie sind nicht zu fassen. Sie manövrieren heran, feuern und setzen sich sofort danach ab. Gleichzeitig tauchen die nächsten auf. Sehen Sie nach, was mit dem Rudergänger passiert ist, Mister Driscill.“
Driscill war der Feldscher an Bord und gleich auf dem Achterdeck erschienen, als er den Schrei gehört hatte. Jetzt kümmerte er sich um den Mann, der auf den Planken lag. Aus seinem rechten Oberarm tropfte Blut und färbte das Leinenhemd dunkelrot. Er biß sich vor Schmerz auf die Lippen.
„Nicht weiter schlimm, Sir“, meldete Driscill nach der kurzen Untersuchung. „Eine Fleischwunde, sehr schmerzhaft und unangenehm. Als Rudergänger wird er vorläufig ausfallen.“
„Dann bringen Sie ihn nach unten.“
Der verletzte Rudergänger wurde unter Deck gebracht. Der Kapitän sah mit zusammengepreßten Lippen der Blutspur nach, die sich über das Deck zog. Dann drehte er sich ruckartig um.
An den Drehbassen standen die Geschützbedienungen und warteten auf den Feuerbefehl.
„Noch eine halbe Schaufel Pulver nachladen“, befahl der Kapitän. „Dann nehmen Sie den Bastard achtern unter Feuer, der im Kielwasser hängt.“
Das Erhöhen der Pulverladung für die kleinen Drehbassen war riskant, denn es konnte passieren, daß eine Drehbasse auseinanderflog. Aber der Kapitän wollte es diesen Dons zeigen und nicht ständig wie ein Opferlamm vor der Schlachtbank stehen.
Inzwischen hingen sechs Schaluppen um sie herum. Der Zweite wandte nervös den Kopf und sah, wie die giftigen Hornissen immer näher aufsegelten. Sie waren fast wieder auf Schußweite heran. Sechs weitere Schaluppen bildeten die zweite Welle, die sofort vorpreschen würde, sobald die ersten gefeuert hatten. Die drei restlichen Schaluppen segelten weit auseinandergezogen mit der „Holy Virgin“ auf gleicher Höhe, hüteten sich aber, in den Bereich der weitertragenden Culverinen zu gelangen.
Der Kapitän sah das mit Zähneknirschen.
„Feuer frei!“ rief er gepreßt.
Der Knall war ohrenbetäubend. Das Schanzkleid zitterte, als Blei und Eisen aus den Rohren jagten.
Trotz der erhöhten Pulvermenge war der Erfolg dürftig. Es hagelte kleine Brocken in das Segel, das jetzt zahlreiche Löcher aufwies, aber nicht zerfetzte. Weitere kleine Brocken fetzten Splitter aus dem Holz, und offenbar war ein Spanier getroffen worden. Der Mann krümmte sich zusammen und kniete anschließend auf den Planken.
Jetzt folgte wieder das, was den englischen Kapitän so nervte. Noch während seine Männer mit dem Nachladen beschäftigt waren, jagte die nächste Schaluppe heran und näherte sich auf Schußweite. Das war der kritische Augenblick, in dem sie völlig hilflos waren.
Noch einmal schluckte die „Holy Virgin“ Blei und Eisen, das über das Achterdeck prasselte.
Aber da änderte sich ganz überraschend das Bild und damit auch die Situation.
Aus einer Bucht schob sich unerwartet und plötzlich eine schlanke dreimastige Galeone hervor. Sie lief unter vollen Segeln mit dem Nordwind.
Der Kapitän und seine Männer starrten verwundert zu ihr hinüber. So ein Schiff hatten sie noch nie gesehen. Sie bemerkten auch, daß die anderen Kapitäne und Mannschaften jetzt aufmerksam wurden. Das Schiff war wirklich ungewöhnlich. Im Topp seines Großmastes flatterte eine schwarze Flagge. Auf dem Tuch waren zwei gekreuzte Säbel zu erkennen. Die Stückpforten der Galeone waren geöffnet, alle Kanonen ausgerannt.
Drohend, unheimlich und überraschend erschien das Schiff.
„Was ist das?“ fragte ächzend der Zweite Offizier. Völlig entgeistert blickte er auf die Galeone.
„Ich – ich weiß nicht. Der Flagge nach zu urteilen könnten das Korsaren sein, aber ich habe diese Flagge noch nie gesehen.“
„Die Bauweise entspricht nicht dem spanischen Galeonentyp“, sagte der Zweite verunsichert. „Sie ist sehr rank gebaut. Die Dons bauen plumper und schwerfälliger.“
Der Kapitän nickte. Während er noch überrascht zu dem fremden Schiff blickte, sah er, daß die Galeone ein wenig den Kurs änderte und jetzt genau in den Verband der Schaluppen hineinstieß. Wie ein selbstmörderischer Angriff sah das aus.
Die schlanke Galeone verwandelte sich unmittelbar darauf in ein feuerspeiendes Ungetüm. Von ihrem Vor- und Hauptmars lösten sich rauchende und glühende Pfeile, die zielsicher über das Wasser stachen. Gleichzeitig mit den rauchenden Feuerlanzen torkelten flaschenähnliche Gebilde durch die Luft. Sie rauchten ebenfalls stark und senkten sich über die Schaluppen.
Dann begann sich die Hölle aufzutun.
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