Seewölfe - Piraten der Weltmeere 223. Burt Frederick

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 223 - Burt Frederick


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hatte geduldig zugehört, mehrmals verständnisvoll genickt und sah den Deutschen nun mit bedauernder Miene an.

      „Ich weiß, Señor, daß Sie in gutem Glauben gehandelt haben, und es tut mir aufrichtig leid, daß Sie Ihre Reise in die Neue Welt unter völlig falschen Voraussetzungen angetreten haben. Dieser Vertrag, von dem Sie reden – wissen Sie, wann der abgeschlossen wurde?“

      Von Echten preßte die Lippen aufeinander. Natürlich wußte er es. Im Jahr 1528 hatte Kaiser Karl V. dem Augsburger Bankhaus Welser das Land Venezuela zur Ausbeutung von Edelmetallvorkommen überlassen. Karl V. hatte damit einen Teil eines Darlehens beglichen, das er von den Bankiers erhalten hatte. Mehr als sechs Jahrzehnte waren seitdem vergangen.

      Die Spanier, die ihren Einfluß in Venezuela durch immer neue Ansiedlungen ausdehnten, zogen es jetzt vor, jenen Vertrag für Geschichte zu halten. Für sie war es nicht länger ein gültiges Fundament, an das sie sich bei ihren Begegnungen mit deutschen Expeditionen zu halten hatten. Noch bei seiner letzten Venezuela-Reise vor fünf Jahren hatte Gerhard von Echten keine Zusammenstöße mit spanischen Truppen erlebt.

      Wie entschlossen die Dons jetzt aber versuchten, das Land unter ihre Kontrolle zu bringen, war von Echten und seinen Gefährten klargeworden, als sie nach zwei Tagesmärschen auf venezolanischem Boden den Schergen des Capitán Gutiérrez in die Hände gefallen waren.

      Gutiérrez preßte die Fingerspitzen gegeneinander und blickte den hochgewachsenen Deutschen mitleidig an.

      „Die Zeiten haben sich geändert, Señor von Echten. Und ein Vertrag ist nur so lange gut, wie die Voraussetzungen dafür gelten. Aber in diesem Land vollzieht sich mittlerweile ein gewaltiger Umbruch. Wir, die wir im Dienst der spanischen Krone stehen, sorgen hier für einen Aufschwung, wie es ihn nie zuvor gegeben hat. Sollen wir bei dieser aufopfernden Tätigkeit etwa Verständnis dafür aufbringen, daß andere auftauchen, die nichts weiter im Sinn haben, als die Bodenschätze Venezuelas zu plündern und für die Menschen, die hier leben, eine Wüste zurückzulassen? Nein, mein Lieber, da spielen wir nicht länger mit. Denn wir tragen letzten Endes die Verantwortung.“ Gutiérrez räusperte sich. „Falls Sie noch irgendwelche Fragen haben, bin ich gern bereit, sie jetzt zu beantworten. Später wird es keine Gespräche mehr zwischen uns geben.“

      Von Echten schüttelte stumm den Kopf. Jeder Wortwechsel mit diesem aufgeschwemmten Schinder war sinnlos. Die Art und Weise, wie er das Sinnen und Trachten der spanischen Krone darzustellen versuchte, war sowieso eine Unverschämtheit.

      Capitán Ramón Marcelo Gutiérrez nickte, schnaufte und gab seinen Soldaten einen Wink. Zwei Männer sprangen vor. Einer packte den Deutschen, und der andere versetzte ihm einen Stoß mit dem Musketenkolben. Von Echten stolperte. Wegen der hinderlichen Ketten hatte er Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren. Aber er tat den Spaniern nicht den Gefallen, vor ihnen den Dreck zu küssen.

      Auch die übrigen Gefangenen wurden jetzt vorangetrieben. Barsche Befehle klangen wie Peitschenhiebe in der heißen Luft, und zu jedem Schritt klirrten die Ketten im Takt. Gerhard von Echten biß die Zähne zusammen. Welche Torturen ihm und seinen Männern bevorstanden, konnte er sich leicht ausmalen.

      Den Hafen der Festung hatten sie bereits gesehen, als sie hierher verschleppt worden waren. Es gab dort eine kleine, aber prunkvolle Flotte von Galeeren, die unter dem Kommando des Capitán Ramón Marcelo Gutiérrez standen.

      Die Luftfeuchtigkeit lag wie mit Zentnerlasten auf seiner Brust und ließ jeden Atemzug zur Mühsal werden. Aus dem Dickicht stieg der Geruch faulender Pflanzenreste auf. Die schrillen Stimmen zeternder Urwaldvögel begleiteten den einsamen Mann.

      Das Haumesser war sein kostbarster Besitz, denn es allein ermöglichte ihm die Flucht durch den Dschungel. Die rasiermesserscharf geschliffene Klinge, fast so lang wie ein Männerarm, stammte aus der Werkstatt eines Augsburger Waffenschmieds. Schlingpflanzen, die wie undurchdringliche Vorhänge waren, zertrennte diese Klinge, als handele es sich um Bindfäden.

      Das Dickicht lichtete sich. Keuchend hielt der Mann inne, unvermittelt schien das Haumesser dreifaches Gewicht anzunehmen. Erst die unverhoffte Pause ließ ihn spüren, welche Knochenarbeit er bis jetzt geleistet hatte. Jähe Müdigkeit ergriff Besitz von ihm.

      Zwei umgestürzte Baumriesen hatten die Lichtung entstehen lassen. Die mittlerweile moosbewachsenen Stämme lagen kreuzweise übereinander. Der obere ragte schräg empor und schien zum Himmel deuten zu wollen, der durch das tiefgrüne Blätterdach des tropischen Regenwaldes doch nicht zu erkennen war. Unterhalb der abgestorbenen Baumstämme kroch die üppige Vegetation bereits wieder herauf. Vielleicht schon in einem Jahr würde auch diese Lichtung verschwunden sein.

      Johannes Lederer wankte vorwärts und ließ sich bäuchlings auf den unteren Baumstamm sinken. Seine Knochen waren wie mit Blei ausgegossen. Er schalt sich einen Narren, daß er seinen Weg nicht augenblicklich fortgesetzt hatte. Wenn er in Bewegung blieb, spürte er die Erschöpfung weniger. Jetzt aber konnte es leicht geschehen, daß ihn die Müdigkeit übermannte.

      Er legte den Kopf auf die Seite, damit der Modergeruch des Mooses weniger intensiv in seine Nase drang. Er war überzeugt davon, daß er genug Willenskraft hatte, um nicht einzuschlafen. Nur ein wenig Ruhe brauchte er, mehr nicht. Das Geschrei der Tropenvögel stach zunehmend schriller in sein Gehör und klang wie in einem Schacht, der sich enger um ihn schloß. Seine Gedanken begannen zu versiegen. Der Schlaf überschattete sein Bewußtsein. Die Strapazen, die hinter ihm lagen, forderten ihren Tribut.

      Johannes Lederer war ein mittelgroßer und schlanker Mann, nicht älter als fünfundzwanzig Jahre. Das dunkelblonde Haar bedeckte seinen Kopf in zerzausten Strähnen. Auf dem Leib trug er nur noch die Hose mit dem breiten Ledergurt, das zerrissene Hemd und die Stulpenstiefel. Über seine rechte Schulter zog sich eine blutverkrustete Furche – eine Erinnerung an die Begegnung mit den Spaniern, die sich ihm und seinen Gefährten plötzlich in den Weg gestellt hatten. Lederer hatte als einziger fliehen können. Der Streifschuß, den er sich dabei eingehandelt hatte, war für ihn nicht der Rede wert.

      Seine Sinne schlugen jäh Alarm.

      Er schrak hoch, riß die Augen auf und unterdrückte einen Fluch, weil er sich selbst nicht unter Kontrolle gehalten hatte. Aber er hatte noch immer dieses besondere Gespür für drohende Gefahr, das ihn auch im Schlaf nicht verließ. Ein Instinkt, der in den zurückliegenden Jahren ein Teil seiner Natur geworden war.

      Atemzüge lang lauschte er aufmerksam.

      Längst waren ihm die Geräusche des Dschungels vertraut geworden. Auf Anhieb erkannte er jene, die fremd waren und nicht zur gewohnten Kulisse gehörten.

      Die Verfolger hatten aufgeholt!

      Lederer wirbelte herum. Behende schwang er sich über den unteren Baumstamm und fand auf der anderen Seite Deckung. Regungslos verharrte er. Deutlich hörte er jetzt das leise Rascheln und Scharren heraus, wie es Männer verursachten, die sich möglichst unbemerkt vorwärts zu bewegen versuchten.

      Über die Richtung, aus der sie vordrangen, bestand kein Zweifel. Sie hatten es einfach gehabt, ihm auf den Fersen zu bleiben, denn den Pfad hatte er vorgezeichnet. Sie brauchten sich nicht einmal mit ihren Haumessern abzumühen. Wenn sie ihn bislang noch nicht erwischt hatten, so vielleicht nur deshalb, weil sie mit ihren schweren Brustpanzern, den Stiefeln und der Ausrüstung weniger beweglich waren als er selbst.

      Die Geräusche näherten sich rasch.

      Deutlich vernahm Johannes Lederer bereits die Schritte. Er runzelte die Stirn. Täuschte er sich, oder handelte es sich tatsächlich nur um zwei Verfolger? Ursprünglich waren es ein Dutzend Soldaten gewesen, die sich an seine Fersen geheftet hatten. Jetzt aber vermochte er aus den Geräuschen zumindest herauszuhören, daß ihre Zahl beträchtlich geschrumpft war. Möglich aber auch, daß sie eine Vorhut geschickt hatten.

      Einen Moment dachte er an die doppelläufige Radschloßpistole, die er noch am Gürtel trug. Zwei Kugeln befanden sich in den Läufen, vielleicht genug. Aber er verwarf den Gedanken wieder. Das Risiko war zu groß. Zum einen war das Pulver höchstwahrscheinlich feucht geworden, zum anderen würde er durch Schüsse eine etwaige zweite Verfolgergruppe alarmieren.

      Während


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