Seewölfe - Piraten der Weltmeere 408. Fred McMason
Читать онлайн книгу.noch rot. Daß du nicht schämst, rot zu werden! Du bist schließlich nicht Erik der Rote.“
Der Stör wußte kaum noch, was er sagen sollte. Der Wikinger warf mit Argumenten um sich, die er einfach nicht kapierte. Ausgerechnet in dieser extremen Situation – kurz vor dem Angriff – begann ihn wieder seine Eifersucht zu plagen.
„Ich werde immer mißverstanden“, beklagte sich der Stör. „Dabei meine ich es nur gut. Ich will deiner Frau doch nur den Ehemann erhalten, deshalb passe ich auf dich auf, damit sie nicht trauert. So, jetzt weißt du es!“
„Da steckt was anderes dahinter“, sagte Thorfin mißtrauisch, der einfach nicht begreifen wollte, daß es dem Stör wirklich um sein Wohl und Heil ging.
„Sturer Knochen“, murmelte der Stör leise. „Und trotzdem passe ich auch weiter auf dich auf.“
Thorfin blickte den Stör immer noch mißtrauisch an. Er hörte zwar nicht die Worte, die der Stör sprach, aber er vernahm sein Grummeln, das ziemlich erbittert klang und ein Zeichen war, daß er sich ärgerte.
Gerade wollte der Wikinger wieder von dem leidigen Thema anfangen, da krachten zwei Schüsse. Die Kugeln fuhren an die Felsen und jaulten kreischend davon.
Achteraus pirschten sich die Arwenacks heran. Big Old Shane wechselte seine Position, dann der Profos Carberry, schließlich Smoky und noch ein paar Männer. Batuti näherte sich der mit Steinen verbarrikadierten Höhle lautlos von der Seite.
Der Riese aus Gambia trug seinen Langbogen, mit dem er besser umzugehen verstand als mit einer Muskete oder Pistole. Er legte einen Pfeil auf die Sehne, spannte den Bogen, sprang aus seiner Deckung und schoß. Das alles ging blitzschnell, denn sofort nach Batutis Schuß krachten wieder die Musketen der Dons.
Der Pfeil flog durch eine der Ritzen, die als provisorische Schießscharten dienten, und verschwand dahinter.
Der Pfeil hatte getroffen, denn ein greller Schrei drang hinter der Steinbarriere hervor. Gleich darauf brach der Schrei abrupt ab.
Diesen kurzen Augenblick der Verwirrung nutzten die Inselverteidiger sofort aus.
Allen voran stürmte der Wikinger los. In seinen rauchgrauen Fellen bot er einen schrecklichen und schaurigen Anblick. Wie ein Relikt aus grauer Vorzeit sah er aus. An der Seite trug er sein „Messerchen“, ein yardlanges scharfes Schwert. Seine riesigen Schultern waren mit Bandeliers behangen, aus denen die Griffe doppelläufiger Pistolen hervorragten.
Das war nicht nur die Wut auf die Spanier, die ihn vorantrieb, da war auch die Tatsache, daß er immer wieder an den Stör und dessen verrücktes Gefasel dachte. Wut und Eifersucht waren es, die ihn brüllend vorantrieben. Er schoß aus zwei Pistolen gleichzeitig, drehte dann ab und wollte in Deckung gehen.
Die nachfolgende Welle aus Seewölfen und Kriegern feuerte ebenfalls ihre Waffen ab. Zäher Pulverqualm entstand wie Nebel vor ihren Augen, bis die leichte Brise ihn verwehte.
Aus dem Innern der großen Höhle klangen wieder Schreie. Ein getroffener Mann stöhnte und wimmerte und schrie laut um Hilfe.
Dann wurde das Feuer erwidert. Aus den Ritzen und Spalten im Gestein blitzte es grell auf. Pulverwölkchen folgten. Einer der Krieger Arkanas brach mit einem Schuß im Bein zusammen. Die Schlangen-Kriegerinnen zerrten ihn eilig in Deckung. Auch die anderen Männer verschwanden wie Schemen hinter den schützenden Felsen.
„So ein Scheiß!“ fluchte Carberry laut. „Das bringt uns überhaupt nichts ein. Wir verlieren nur Leute. Die Dons können uns bequem abknallen, wenn wir wieder vordringen. Wir sollten uns weiter auf die Südseite des West-Ost-Kammes zurückziehen.“
„Dann brechen die Dons vielleicht aus“, sagte Shane bedächtig.
„Sollen sie ruhig“, sagte Ed erbost. „Damit gewinnen sie gar nichts.“
„Damit gewinnen sie eine ganze Menge“, erwiderte Shane immer noch mit kühler und ruhiger Stimme.
„Streitet euch nicht“, sagte Arkana. „Die Situation ist für beide gleich. Wir können die Höhle nicht stürmen, und die Spanier können nicht angreifen oder ausbrechen. Es ist besser, wir ziehen uns ein kleines Stück zurück. Dann haben wir sie unter Kontrolle und können sie an einem Ausbruch hindern, ohne selbst viel zu riskieren.“
Der Wikinger fand das gar nicht gut und betonte, man müsse den Strolchen immer wieder auf die Pelle rücken und sie so lange nerven, bis man sie überrumpeln könne.
Schließlich zogen sich die Verteidiger doch ein Stück zurück. Sie bezogen eine Stellung auf dem Hügelkamm, der sich von Westen nach Osten quer zu den anderen Kämmen des nördlichen Westmassivs erstreckte.
Die Höhle, in der sich die Spanier verbarrikadiert hatten, befand sich dem Kamm gegenüber am Südhang des westlichen Massivs. Von diesem Grat aus konnten sie die Höhle mit Musketenfeuer bestreichen und hatten die Dons unter Kontrolle. Felsengestein bot ihnen genügend Deckung.
Ein nervenaufreibender Kleinkrieg begann.
Mal feuerten die Spanier aus ihrer sicheren Deckung heraus zwischen die Felsen, mal feuerten die Verteidiger. Erfolge waren so gut wie keine zu verbuchen, denn jeder hütete sich, auch nur die Andeutung einer Zielscheibe abzugeben.
Thorfin Njal ging das schließlich mächtig gegen den Strich.
„Sollen wir hier bis zum Sankt Nimmerleinstag warten?“ schrie er. „Oder die Dons aushungern, was ungefähr eine Woche dauert? Ohne mich, das bindet nur unsere Kräfte. Inzwischen gelingt es den nächsten Truppen, Land zu erreichen.“
Er war wieder mal am Aufbrausen und Poltern, und er hätte auch liebend gern die Barriere überrannt und die Höhle im Sturm genommen.
„Seht mal nach unten“, sagte er, „die haben jetzt noch vier Galeonen, mehr nicht. Das Flaggschiff ist abgesoffen, und die vier lausigen Schiffchen haben sich aus dem Schußbereich verholt. Jetzt liegen sie nordwestlich der großen Bucht und sind damit beschäftigt, die absaufenden Strolche einzusammeln. Die können im Augenblick gar keine Truppen an Land bringen. Deshalb bin ich dafür, daß wir diese verdammte Höhle jetzt stürmen.“
„Sei doch vernünftig, Thorfin“, sagte Old Shane. „Du willst immer mit dem Schädel durch die Wand. Aber es geht nun einmal nicht. Wir müssen uns noch etwas gedulden. Auch wir können keine Felsen einreißen.“
„Wir können keine Felsen einreißen“, plapperte der Stör nach, denn er fand diesen Satz besonders gut.
Thorfin fand das gar nicht gut, und so packte er den Stör am Hals und beutelte ihn hin und her. Der Stör wurde bis auf die Knochen durchgeschüttelt, wobei Thorfin schrie: „Was können wir nicht? Meine Vorfahren haben ganze Kontinente erobert, und da soll ich so eine lausige Kakerlakenhöhle nicht einrennen? Los, Arne, Eike, Olig, vorwärts! Den Bastarden werden wir es zeigen.“
Dem Stör brauchte er nichts zu befehlen, der hing selbstverständlich wieder mal am Wikinger, obwohl der ihn immer noch beutelte.
Da gab auch Big Old Shane auf, denn mit dem sturen Poltermann war genauso schlecht zu reden wie mit Old O’Flynn, wenn der seinen biestigen Tag hatte.
Arkana rief auch noch etwas, doch die Worte gingen im wilden Angriffsgebrüll des Wikingers einfach unter. Er hatte es sich nun mal in den behelmten Schädel gesetzt, die Spanier auszuräuchern, und jetzt hielt ihn auch nichts mehr davon ab. Sie waren es schon gewohnt, daß er sich ständig die Hörner einrannte, darin stand er Old O’Flynn in nichts nach.
Die Wikinger stürmten los wie eine alles vernichtende Riesenwoge. Den Dons mußte bei dem Gebrüll angst und bange werden, und wenn sie diese behelmten und in Felle gekleideten Kerle dann auch noch vor sich sahen, wirkte das demoralisierend. So ähnlich dachte jedenfalls Thorfin Njal.
Die Spanier waren zwar auch beeindruckt, ließen sich jedoch nicht einfach überrennen.
Schüsse krachten auf beiden Seiten. In der Höhle blitzte es auf, das Gebrüll wurde noch lauter. Thorfin und seinen Mannen gelang es zwar, etliche Schüsse abzufeuern, aber