Seewölfe - Piraten der Weltmeere 324. Burt Frederick

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 324 - Burt Frederick


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heute auf morgen kannst du es nicht überwinden.“

      „Mein Gott“, flüsterte Arne von Manteuffel kaum hörbar, „ich fange an zu begreifen, welche Kraft du aufgebracht haben mußt. Erst der Tod deiner Mutter, dann das schreckliche Ende deines Vaters, meines Onkels. Und schließlich, als du geglaubt hast, ein kleines persönliches Glück erlangt zu haben …“ Abermals versiegte seine Stimme.

      Hasard schüttelte den Kopf.

      „Du bist in der Stimmung, die Dinge düster zu sehen. Das ist mehr als verständlich. Auch ich habe damals nicht daran geglaubt, daß das Leben noch einen Sinn haben könnte. Aber du bist nicht so schwach, daß du daran zerbrechen würdest.“

      „Wenn ich mir diese Frage stelle, weiß ich im Augenblick keine Antwort darauf.“ Arne atmete schwer. „Es ist nicht allein die Trauer. Was vielleicht noch schwerer wiegt, sind die Selbstvorwürfe. Hätte ich nicht Giselas Tod verhindern können? Trifft mich nicht eine gewisse Schuld?“

      Hasard und Nils Larsen wechselten einen Blick.

      „Dann sind wir alle mitschuldig“, sagte Nils, der sich sonst nicht in das Gespräch einmischte.

      „Allerdings.“ Der Seewolf nickte. „Warum hat keiner von uns daran gedacht, daß Erich von Saxingen und Bruno von Kreye uns auflauern könnten? Der Gedanke lag schließlich nahe, da wir Hugo von Saxingen als Gefangenen bei uns hatten.“

      „Um Himmels willen, nein!“ rief Arne erschrocken. „Das habe ich damit nicht sagen wollen. Ich stehe tief in deiner Schuld, Hasard – nach allem, was du für mich getan hast. Das gilt ebenso für deine Männer. Und schließlich wart ihr es, die Erich von Saxingen zur gerechten Strafe für den Mord verholfen habt.“

      Der Seewolf beugte sich vor und blickte Arne eindringlich an.

      „Was für meine Männer und mich gilt, gilt ebenso für dich. Keiner von uns hat einen Grund, sich mit Vorwürfen zu plagen. Die Schicksalsschläge des Lebens kann man nicht überwinden, indem man sich selbst zerfleischt. Du mußt das begreifen. Und du wirst es begreifen. So gut habe ich dich mittlerweile kennengelernt.“

      Arne senkte den Kopf. Minutenlang schwieg er. Dann hob er das Glas, nahm einen Schluck und setzte es mit einem entschlossenen Ruck wieder ab.

      „Ich danke dir, Hasard. Ich verstehe alles, was du mir erklärt hast. Ich bin auch sicher, daß ich mich danach richten werde. Nur mußt du Geduld mit mir haben. Denn auch damit hast du recht: Von heute auf morgen läßt sich das alles nicht überwinden.“

      „Aber du bist auf dem besten Weg dazu“, entgegnete der Seewolf. „Laß uns jetzt nicht mehr darüber reden. Ich habe etwas anderes zu sagen: Du brauchst Abstand von den Dingen, die dich belasten. Räumlichen und auch zeitlichen Abstand. Wie wäre es, wenn du uns begleitest?“

      „Oh, es ist meine Pflicht, dir bei der Erfüllung deines Auftrags im Ostseeraum zu helfen. Bislang hast du immer nur etwas für mich getan. Es wird Zeit, daß ich mich auch ein wenig revanchieren kann.“

      Hasard schüttelte den Kopf.

      „Davon rede ich nicht. Ich meine die Zeit nach diesem Auftrag. Wir werden nach England zurückkehren und dann in die Neue Welt aufbrechen. Die Karibik wird unser Ziel sein. Und dann die Schlangen-Insel.“ Hasard konnte sich eines leisen Gefühls von Sehnsucht nicht erwehren, als er seinem Vetter von jener Insel berichtete, auf der freie Menschen wirklich noch frei sein konnten.

      Tief in den Augen Arne von Manteuffels entstand ein Leuchten, kaum erkennbar noch, doch es war vorhanden. Hasard wußte, daß sein Vetter trotz des Schmerzes härter werden würde. Aber diese Härte würde sich nicht in Bitterkeit äußern.

      „Du meinst“, sagte Arne schließlich, „ich sollte dich auf deinen Reisen begleiten?“

      „Warum nicht? Du bist ein freier Mann.“

      Arne zog die Schultern hoch und sog die Luft tief ein.

      „Ich muß gestehen, der Gedanke ist verlockend. Und er trifft mich überraschend. Ich muß darüber nachdenken.“

      „Natürlich. Ich will dich nicht überreden und dir nicht irgendwelche Träume vorgaukeln. Aber bedenke, daß du auch Nutzen für dein Kolberger Handelshaus ziehen könntest. Die Neue Welt ist in weiten Gebieten noch unerforscht. Da gibt es unbegrenzte Möglichkeiten. Du könntest Beziehungen anknüpfen und Bezugsquellen erschließen für Güter, die es in Deutschland bislang kaum gibt – Edelmetalle, Perlen und Edelsteine, Gewürze und Tabak, Zucker, Kakao, Indigo und vieles mehr.“

      „Ich habe von diesen Gütern gehört“, sagte Arne und nickte, „aber der Handel damit wird doch von den Spaniern beansprucht.“

      Hasard und Nils Larsen lächelten.

      „Dieser Machtanspruch besteht für uns als Engländer nicht“, entgegnete Hasard, „das Recht, auf das sich die Spanier berufen, ist das Recht der Gewalt. Denke an Polens König Sigismund und sein Bernsteinmonopol. Nichts anderes treiben die Spanier auf ihre Weise. Diesem Machtstreben haben wir seit Jahren den Kampf angesagt. Mit Erfolg.“

      „Daran zweifele ich nicht“, sagte Arne. Er leerte sein Glas. „Ich werde über deine Worte nachdenken. Im Augenblick habe ich das Gefühl, ein neues Ziel vor Augen zu sehen. Aber ich weiß auch, daß man nicht aus einer anfänglichen Begeisterung heraus entscheiden sollte.“

      Kurze Zeit später verabschiedete Hasard seinen Vetter. Eine bleierne Müdigkeit hatte Arne ergriffen. Die seelischen Qualen, die er an diesem Tag durchgestanden hatte, blieben auch für einen Mann wie ihn nicht ohne Folgen.

      Schon bei Sonnenaufgang setzten die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“ Segel und verließen den Hafen von Rügenwaldermünde. Der 8. April zeigte sich von einer freundlicheren Seite. Die Wolkendecke war aufgerissen und ließ weite Flächen blauen Himmels durchscheinen. Der Wind blies handig aus Nordwest. Die dünnen Schaumkronen der Wellen glitzerten im frühen Sonnenlicht. Beide Galeonen liefen rauschende Fahrt über Backbordbug.

      Etwa zwei Stunden nach dem Auslaufen aus Rügenwaldermünde wurden die Männer auf dem Achterdeck der „Isabella“ von der „Wappen von Kolberg“ angepreit. Der Seewolf folgte dem Beispiel seines Vetters und ließ die Segel ins Gei hängen. Arne ließ die Jolle abfieren und enterte Minuten später über die Jakobsleiter der „Isabella“ auf. Hasard begrüßte ihn an der Pforte im Schanzkleid.

      „Mir ist verschiedenes durch den Kopf gegangen“, sagte Arne, „ich muß es mir von der Seele reden.“

      „Dafür habe ich Verständnis“, erwiderte der Seewolf. Abermals zog er Nils Larsen hinzu, als er sich gemeinsam mit seinem Vetter in die Kapitänskammer begab.

      Währenddessen wurde die Jolle zur „Wappen von Kolberg“ zurückgerudert. Dort hatte Renke Eggens, Arnes Erster Offizier, das Kommando übernommen. Auf dem Achterdeck der „Isabella“ war es Ben Brighton, der Erste Offizier, der die erforderlichen Kommandos gab. Befehle hallten über die Decks der beiden Galeonen, und sehr bald füllte der Wind wieder das Tuch.

      „Es ist gut, wenn man die Dinge überschläft“, sagte Arne, „ich werde dieses Ziel ins Auge fassen, das du für mich umrissen hast. Vor allem muß ich mit meinem Vater und meinen Brüdern darüber reden. Schließlich gibt es das Handelshaus unserer Familie in Kolberg und außerdem …“ Er unterbrach sich, und es gelang ihm, zu lächeln. „Nun, da ist noch etwas, das mir erst nach unserem Gespräch von gestern abend eingefallen ist. Es handelt sich um unser Gut in Alt-Quetzin. Das ist östlich von Kolberg, ein alter Familienbesitz. Dein Vater, Godefroy von Manteuffel, sollte dieses Gut damals übernehmen.“

      Hasard verspürte einen Stich. Er mußte an seine eigenen Worte vom vergangenen Abend denken. Der Schmerz blieb für alle Zeiten. Und selbst wenn man glaubte, ihn vergessen zu haben, drang er doch gelegentlich wieder an die Oberfläche.

      „Sprich weiter“, bat er leise.

      „Ein Gutshof und ein Handelshaus, das klingt nach einer merkwürdigen Zusammenstellung. Aber die von Manteuffels waren in vielen Generationen Seefahrer und Bauern,


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