Seewölfe - Piraten der Weltmeere 340. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.er. „Es muß schneller gehen, oder wir saufen alle ab, ihr Satansbraten! Bringt den verfluchten Kahn in Ordnung, oder ihr kriegt die Neunschwänzige zu spüren!“
Einer der Kerle fuhr zu ihm herum. Er schien protestieren zu wollen, doch Mardengo war mit einem Satz bei ihm und brachte ihn mit einem Hieb zu Fall. Der Mann rutschte bis zur Kuhlgräting, hier rappelte er sich stöhnend wieder auf. Sein haßerfüllter Blick war auf Mardengo gerichtet. Auch die anderen Männer hatten sich ihrem Anführer zugewandt und begannen zu murren.
Mardengo riß den Säbel aus dem Gurt und ließ ihn durch die Luft pfeifen.
„Der erste, der zu meutern versucht, springt über die Klinge!“ schrie er. „Ich dulde keine Schlamperei! Wir halten den Westkurs, zur Hölle, und wenn der Teufel persönlich an Bord steigt!“ Er trat an die Luke und brüllte: „Ihr da unten, an den Pumpen! Wie lange braucht ihr noch, um den elenden Kahn trocken zu kriegen?“
„Das Wasser steht uns immer noch bis zu den Hüften!“ schrie einer der Männer aus dem Laderaum.
„Wartet, ich zeige euch, wie man das anpackt!“ schrie Mardengo und enterte in den Laderaum ab. Wie wahnsinnig begann er eine der Pumpen allein zu bedienen. Seine Energien hatten kaum gelitten, sein Tun war von urwüchsiger Kraft bestimmt.
Mit verzerrten Gesichtern, aber auch voll heimlicher Bewunderung verfolgten seine Kerle, wie er den Pumpenschwengel immer schneller auf und ab hievte. Mardengo schuftete, bis ihm der Schweiß in Bächen über das Gesicht und über den Oberkörper lief, und er setzte keinen Augenblick aus.
Allmählich begann der Wasserspiegel im Schiffsbauch abzusinken. Das Beispiel, das Mardengo ihnen gab, spornte auch die anderen zu schnellerem Arbeiten an. Es gab noch eine Chance – die „San Carmelo“ richtete sich ganz langsam wieder auf.
War sie erst von dem Leckwasser befreit, konnten die Lecks in der Wasserlinie abgedichtet werden. Nur dieses Ziel hatten die Piraten vor Augen, während die Galeone mit zunehmender Fahrt nach Westen segelte und eine immer größere Distanz zwischen sich und die Küste von Florida legte.
2.
Eine zweite Dreimast-Galeone – größer und schlanker gebaut, schneller und wendiger als die „San Carmelo“ – segelte von der Ponce-de-León-Bucht her auf westlichem Kurs durch die Nacht.
Die „Isabella IX.“ hatte den Schauplatz des Gefechts gut zweieinhalb Stunden nach dem Schiff der Piraten verlassen, denn als erstes hatte der Seewolf sie durch Warpen von der Untiefe ziehen lassen, auf der sie festgesessen hatte, dann waren die schwersten Schäden in aller Eile ausgebessert worden.
Wakulla und seine Seminolen-Krieger hatten den Männern Aufschub gewährt und sich neutral verhalten, so daß sie unbehelligt in See gehen konnten.
Mit grimmigen Mienen standen Hasard, Ben Brighton, Big Old Shane, die beiden O’Flynns und Ferris Tucker auf dem Achterdeck. Nils Larsen hatte das Ruder übernommen, er blickte genauso verbiestert drein. Auf dem Hauptdeck und auf der Kuhl versahen Carberry und die Crew fluchend ihre Arbeit.
„Der Teufel soll dieses verfluchte Florida holen“, sagte der Profos wieder einmal. „Die Sache mit den Seminolen hätte mir schon dicke gereicht, aber dann mußte ausgerechnet dieser triefäugige, saftärschige Bastard Mardengo auftauchen. Ja, verreckt dieser dämliche Hund denn eigentlich nie?“
„Das frage ich mich auch!“ rief Blacky. „Aber falls er wirklich abkratzen sollte, würde ich vorher gern noch ein Wörtchen mit ihm reden!“
„Da kannst du lange warten“, sagte Smoky. „Der Kerl ist zäh, und im Gefecht wird er kaum so schwer verletzt worden sein, daß er daran krepiert.“
„Mit anderen Worten, wir könnten wieder Ärger mit ihm kriegen“, sagte Luke Morgan.
Jack Finnegan ließ einen verächtlichen Laut vernehmen. „Wenn ihr mich fragt – der Hund hat vorläufig die Schnauze voll. Er hat den Schwanz eingekniffen und verkriecht sich irgendwo.“
„Das glaub’ man bloß nicht“, sagte Little Ross mit dumpfer Stimme. „Mardengo ist gefährlicher als eine Pütz voll Schlangen und eine Piek voll Alligatoren. Der hat Indianerblut in den Adern und gibt so schnell nicht auf. Er hat einen gewaltigen Haß gegen euch, und er wird nicht ruhen, bis er sich an euch gerächt hat.“
Carberry wandte sich zu ihm um und musterte ihn von oben bis unten, als müsse er erst überlegen, ob er seinen Worten glauben schenken sollte. „Wenn das so ist, wie du sagst, wäre es wirklich besser, den Kerl zu verfolgen und ihm den Rest zu geben – damit wir endlich unsere Ruhe vor ihm haben.“
„Darauf läßt sich Hasard nicht ein“, sagte Matt Davies. „Er kämpft nur, wenn er angegriffen wird oder es sich aus anderen Gründen nicht vermeiden läßt.“
„Das wissen wir, Mister Davies, du Schlaukopf“, sagte der Profos schroff. „Natürlich hat es mit den Prinzipien zu tun, aber einem Galgenstrick wie Mardengo gegenüber sollte man keine Fairneß anwenden, er hat sie nämlich nicht verdient.“
„Da bin ich mit euch einer Meinung“, sagte der Seewolf. Er hatte sich inzwischen auf das Quarterdeck begeben und war an der Holzbalustrade, die den Querabschluß zum Hauptdeck bildete, stehengeblieben. Er hatte fast jedes Wort von dem, was die Männer gesprochen hatten, verstanden. „Aber wir sind andererseits auch keine blindwütigen Schlagetots, vergeßt das nicht. Wir dürfen uns mit Kerlen wie Mardengo nicht auf eine Stufe stellen, das wäre grundfalsch. Und noch etwas: Ich habe nicht vor, die Piraten zu suchen. Vielmehr ist mir daran gelegen, so schnell wie möglich die Bucht der Timucua-Indianer zu erreichen. Klar?“
„Klar, Sir“, erwiderte Carberry sofort. „Das ist ja auch unser Bestreben, denn wir brauchen die Leute für unsere Plantageninsel.“
„Fein hast du das gesagt, Mister Carberry“, erklärte Smoky spöttisch. „Aber wir dürfen nicht zu voreilig sein. Noch wissen wir nicht, ob die Timucuas damit einverstanden sind. Was wird, wenn sie Florida gar nicht verlassen wollen?“
„Was? Wie?“ knurrte der Profos und schob sein Rammkinn drohend vor. „Tamao hat doch deutlich genug gesagt, daß sein Stamm aus diesem sogenannten Blumenland, das in Wirklichkeit ein Schlick- und Moskitoland ist, abhauen will. Oder? Sag bloß, ich habe mich verhört. Ich habe doch keinen Tang in den Ohren.“
„Das hat Tamao gesagt.“ Der Seewolf nickte. Dunkel hoben sich die Umrisse seiner Gestalt auf dem Quarterdeck ab. „Aber er kann sich auch täuschen. Das Ergebnis unseres Unternehmens müssen wir den Verhandlungen mit dem Häuptling Shawano überlassen, davon hängt nämlich alles ab. Jedenfalls aber werden wir die Timucuas von ihrem Sklavendasein, das sie an der Waccasassa-Bay fristen, erlösen. Alles andere ist noch ungewiß.“
„Na schön“, sagte Blacky. „Aber was dort oben auch geschieht, eins steht fest: Wir bleiben nicht auf dem westlichen Kurs, nicht wahr?“
„Das allerdings nicht“, entgegnete Hasard. „Wir entfernen uns nur etwa zwanzig Meilen von der Küste, ich will genügend Abstand gewinnen, damit wir vor weiteren üblen Überraschungen zumindest heute nacht einigermaßen sicher sind. Anschließend gehen wir auf Kurs Norden und kreuzen, später dann können wir wahrscheinlich, wenn meine Berechnungen stimmen, auf Kurs Nordosten gehen.“
Der Wind blies frisch aus Norden, die „Isabella IX.“ segelte derzeit also mit Steuerbordhalsen und über Backbordbug liegend. Sie lief trotz der Schäden, die sie im Gefecht erlitten hatte, gute Fahrt. Es war den Männern gelungen, sie noch in der Ponce-de-León-Bucht so herzurichten, daß sie wieder voll seetüchtig, manövrierfähig und gefechtsbereit war.
Hasards Entschluß stand fest, er wollte unverzüglich die Waccasassa-Bucht anlaufen. Tamao und Asiaga waren ein junges Liebespaar vom Stamme der Timucua, beide erst siebzehn Jahre alt. Die Seewölfe hatten sie südlich von Fort St. Augustine durch einen Zufall im Sumpf gefunden – und sofort hatte Hasard ihnen seine Hilfe angeboten, denn Asiaga, das Mädchen, war am Sumpffieber erkrankt. Sie hatten sie beide zu sich an Bord der