Seewölfe - Piraten der Weltmeere 76. Roy Palmer

Читать онлайн книгу.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 76 - Roy Palmer


Скачать книгу
an Bord zu nehmen, außerdem verstehen sie nichts von der Seefahrt.“

      „Wir könnten uns nach Hispaniola wenden. Dort finden wir Weiße, die wir für unsere Zwecke pressen können.“

      „Kein schlechter Gedanke, aber wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.“ Der Kapitän blickte wieder zur Kuhl hinunter. Dort hatte Buacel mit dem Auspeitschen aufgehört. Der Seemann Santino hatte seine Strafe abgebüßt, aber damit gab sich Garcia y Marengo noch nicht zufrieden.

      Er suchte förmlich nach einem Vorwand, Santino noch weiter zu traktieren und zu erniedrigen.

      Vollgestopft mit Eßbarem hatte sich dieser Bastard, und dann hatte er sich auch noch die Taschen mit Proviant aus der Vorratskammer gefüllt, um die Kameraden zu versorgen. So hatte Ortuno ihn ertappt. Für den Kapitän war es eine fluchwürdige, zutiefst zu verabscheuende Tat, waren doch die Nahrungsmittel an Bord der „Libertad“ ohnehin knapp bemessen.

      So knapp, daß die Rationen für die schwer arbeitende Mannschaft einfach nicht ausreichten. Überdies war die Qualität der Verpflegung miserabel. Aber diese Tatsachen unterschlug Rolando Garcia y Marengo auch sich selbst gegenüber, sie belasteten nur unnötig sein Gewissen.

      „Ortuno“, sagte er zu seinem Ersten. „Geh nach unten und jage dieses Drecksvolk weg. Ich will es nicht mehr sehen. Buacel soll einen Kübel Seewasser über dem Verbrecher ausleeren, damit der Hund zu sich kommt.“

      Ortuno salutierte zackig, stieg den Niedergang zur Kuhl hinunter und gab seine barschen Anweisungen. Es erfüllte ihn mit Befriedigung, die Mannschaft auseinanderspritzen und verschwinden zu sehen. Wie die Kerle parierten! Der Kapitän sollte zufrieden mit ihm sein und keinen Grund zur Kritik finden. Einzig und allein das war für Juan Maria Ortuno wichtig. Nur solange er kompromißlos unterwürfig und brutal die Befehle Garcia y Marengos befolgte, durfte er oben auf dem Achterdeck auch mal ein Wörtchen mitreden.

      Buacel hatte Seewasser in einem Holzkübel von außenbords heraufgezogen. Jetzt eilte er heran, baute sich breitbeinig vor dem immer noch festgeschnallten Santino auf und goß das Naß auf Ortunos Wink hin über dem armen Teufel aus. Es deckte den zerschundenen Körper ein, rauschte über Deck und lief durch die Speigatten wieder ab.

      Der Kapitän stelzte den Niedergang hinunter.

      Santino war zu sich gekommen. Er hielt die Zähne immer noch zusammengebissen und blickte durch einen nebelartigen Schleier. Das Salz brannte in seinen Wunden.

      Garcia y Marengo drehte sich neben der Kuhlgräting um und schaute ihm in die Augen. Er las kalten Haß darin. O ja, Santino hätte sich sehr wohl auf ihn gestürzt, wenn er gekonnt hätte.

      „Du Hund“, sagte der Kapitän. „Dein Widerstand und deine Aufsässigkeit sind immer noch nicht gebrochen. Glaubst du, du kannst mir etwas vorheucheln?“

      „Nein“, sagte Santino kaum verständlich.

      Garcia y Marengo fuhr zu seinem Ersten und dem Profos herum. „Ihr habt es gehört. Das Schwein hat mich beleidigt. Das ist ungeheuerlich.“

      „Si, Senor“, erklärte Ortuno prompt. „Ich habe es auch vernommen. Ganz deutlich.“

      „Senor“, sagte Buacel. „Ich …“

      „Was willst du?“ fragte der Kapitän. Sein Gesicht hatte einen verschlagenen, lauernden Ausdruck angenommen. „Sprich ruhig weiter.“

      Buacel ließ eine Art Seufzer vernehmen. „Ich wollte nur fragen, ob ich den Mann weiter auspeitschen soll.“

      „So billig kommt er nicht davon“, entschied Garcia y Marengo. „Seine Dreistigkeit ist unglaublich. Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Ein Exempel muß statuiert werden.“

      „Knüpfen wir ihn an der Großrahnock auf“, sagte der erste Offizier.

      Der Kapitän schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist zu wenig. Ich erwarte einen besseren Vorschlag, Ortuno. Laß dir was Originelles einfallen, zum Teufel noch mal.“

      „Kielholen.“

      „Ich beginne an deiner Intelligenz zu zweifeln, Ortuno.“

      Juan Maria Ortuno trat jetzt auch der Schweiß auf die Stirn. So wie dem Profos. Krampfhaft dachte er nach und verlagerte dabei das Körpergewicht von einem Bein auf das andere.

      „Ich hab’s“, sagte er schließlich. „Wir setzen ihn in dem kleinsten Beiboot aus, das wir mitführen. Wir können es entbehren. Der Zimmermann soll den Boden des Kahns anbohren. Der Schurke hier wird gefesselt, damit er sich nicht bewegen kann. Und dann, wenn wir ihn los sind, kann er raten, welche Todesart eher eintritt, das Ertrinken oder das Zerreißen durch die Tiburones, die Haie.“

      Der Kapitän lachte. „Sehr gut. Wir brauchen jeden Mann an Bord, aber auf Diebe, Mörder und Rebellen müssen wir verzichten. Es soll den anderen eine Lehre sein. Buacel!“

      „Senor?“

      „Verfrachte diesen Delinquenten in das Beiboot und fiere es ab. Ich lasse das Schiff in den Wind gehen, damit wir an Fahrt verlieren und die Nußschale nicht gleich umkippt, wenn sie im Wasser aufsetzt. Ich will nicht, daß dieser Hund sofort absäuft, verstanden? Sobald er treibt, kappst du die Vorleine, die das Boot hält. Und daß du mir nicht vergißt, den Boden anbohren zu lassen, sonst lasse ich dich zur Abwechslung mal fesseln und dir das Fell gerben.“

      Buacel hatte nicht übel Lust, diesem Sadisten von einem Kapitän die Neunschwänzige durchs Gesicht zu ziehen. Aber er bezwang sich. Er sah, daß Ortuno die Hand auf die kostbare Radschloßpistole in seinem Gurt gelegt und den Hahn bereits gespannt hatte.

      Nein, Buacel wollte nicht sterben. An diesem Vorsatz änderte auch der flehende Blick nichts, den Santino, der Todeskandidat, ihm zuwarf.

      Die „Isabella VIII.“ hatte einen neuen Schiffsjungen, einen richtigen Moses, der erst fünfzehn Jahre alt und „noch nicht ganz trocken hinter den Ohren“ war, wie Edwin Carberry das ausdrückte. Der Junge hieß Bill. Er nahm Dans alten Platz ein, aber das änderte nichts an Dans Funktion als bester Ausguck.

      So hockte Dan O’Flynn nach wie vor im Großmars und ließ seine adlerscharfen Augen nach allen Seiten schweifen. Er fand, daß Bill ein feiner Kerl war, aber er wäre eifersüchtig auf den Neuling geworden, wenn dieser ihm den luftigen Posten streitig gemacht hätte.

      Dan blickte zu Arwenack, der ihm gegenüber auf der Segeltuchverkleidung des Großmarses saß. Der Schimpanse leistete ihm Gesellschaft wie meistens. Sie waren so gut wie unzertrennlich geworden. Arwenack hatte, bevor er aufgeentert war, der Kombüse einen Besuch abgestattet und etwas von seinem Lieblingsfutter ergattert: getrocknete Weintrauben. Aus den Geheimvorräten des Kutschers.

      Rosine um Rosine schob Arwenack sich zwischen die Zähne. Ganz uneigennützig bot er auch Dan ein paar von den süßen Dingern an, aber Dan schüttelte den Kopf.

      „Nein, danke, das süße Zeug mag ich nicht. Bin mehr für handfeste, herbe Sachen. Rotwein, Rum, Bier.“

      Arwenack traf Anstalten, wieder nach unten zu sausen, aber Dan hielt ihn zurück. „Laß das bloß. Ist ja nett von dir, daß du was zu trinken besorgen willst. Aber das Saufen im Dienst gestattet Hasard nur, wenn er es selbst angeordnet hat. Und ich will keinen Ärger mit dem Seewolf, kapiert?“

      Arwenack nickte so ernsthaft, als hätte er wirklich verstanden.

      Dan schickte wieder seinen Blick in die Runde. „Tja, scharfe Augen muß man haben, dann ist man dem Gegner immer um Längen voraus. Ich sage dir, nichts ist mehr wert als ein anständiges Paar Glotzwerkzeuge, mein Junge.“

      Arwenack legte die eine Vorderpfote abschirmend über die Augen, blähte die Lippen und plierte angestrengt nach Norden – dorthin, wo die Windwardpassage lag.

      Dan bemerkte es und lachte. „Gib dir keine Mühe, du siehst ein anderes Schiff ja doch erst, wenn es auf eine Kabellänge heran ist.“

      Empört begann der Affe zu schnauben. Irgendwie entnahm er dem Tonfall Dans, daß die Bemerkung abwertend war.

      Dan


Скачать книгу