Seewölfe - Piraten der Weltmeere 75. Kelly Kevin

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 75 - Kelly Kevin


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sehen, nur die Luft flimmerte noch über dem roten Felsen, der das Feuer verdeckte. Wind wühlte in den Federwipfeln der Palmen, das trockene Reiben der aneinanderklatschenden Wedel füllte die Luft.

      Hasards Blick streifte über die dunkle, abweisende Wand des Dikkichts. Wenn der Urheber der Rauchzeichen tatsächlich Hilfe brauchte, hätte er sich jetzt eigentlich zeigen müssen. Aber der weiße, sanft geschwungene Bogen des Sandstrands lag leer in der Sonne. Kein menschliches Wesen ließ sich sehen – und jetzt wurde auch Hasard allmählich neugierig.

      Er hatte es nicht eilig und konnte sich den Abstecher leisten. Auf der Schlangen-Insel würde er ohnehin auf Siri-Tong und Jean Ribault warten müssen. Die Rote Korsarin hatte sich entschlossen, den schwarzen Segler El Diablos zu übernehmen, jenes geheimnisvolle Schiff, dessen Rätsel längst noch nicht alle gelöst waren. Thorfin Njal, der Wikinger, dessen Schaluppe bei dem Unglück am Auge der Götter zerstört worden war, würde als Steuermann unter Siri-Tong fahren. Aber um den schwarzen Segler instandzusetzen, war noch eine Menge an Ausrüstung nötig, und die „Isabella VIII.“ würde die Schlangen-Insel auf jeden Fall früh genug erreichen.

      Hasard befahl, ein Boot auszusetzen.

      Minuten später pullten sie zum Strand hinüber: der Seewolf, Ben Brighton, Ed Carberry und Dan O’Flynn.

      Vom Deck der „Isabella“ sahen ihnen die anderen nach und beobachteten gespannt die Bucht. Immerhin konnten sie Ben Brightons Meinung, daß es sich vielleicht um eine Falle handelte, nicht ganz von der Hand weisen. Notfalls würde es nur Sekunden dauern, ein zweites Boot abzufieren, und Hasard hatte vorsichtshalber die Drehbassen besetzen lassen.

      Kräftige Riemenschläge trieben das Boot durch das Wasser, dessen dunkles Blau beträchtliche Tiefe ahnen ließ. Erst unmittelbar am Strand veränderte sich die Farbe und spielte ins Gelblich-Grüne.

      Sand knirschte unter dem Kiel. Die Männer sprangen ins seichte Wasser. Der bärenstarke Ed Carberry zog das Boot mit einem einzigen kräftigen Ruck auf den Strand.

      Hasard sah sich aufmerksam um. Er spürte die Hitze wie ein Gewicht, das auf sie niederfiel. Der Wind, der die Palmenwipfel bewegte, war hier unten im Schutz der roten Felsen nicht zu spüren, die Luft schien zu kochen.

      Carberry wischte sich den Schweiß von der zernarbten Stirn und fluchte.

      „Verdammter Backofen! Wer bei dieser Hitze noch Feuer macht, muß wirklich sehr dringend Hilfe brauchen.“

      „Und warum versteckt sich der Kerl dann?“ fragte Dan O’Flynn.

      „Wir werden ihn fragen, wenn wir ihn treffen.“ Hasard grinste matt und vollführte eine ausholende Bewegung. „Ben und ich marschieren direkt zu dem Felsen. Dan und Ed, ihr haltet euch etwas weiter rechts und deckt uns notfalls den Rücken.“

      „Aye, Sir …“

      Der stämmige Profos und der schlanke blonde Dan O‘Flynn wandten sich ab und schlugen einen Bogen. Hasard und Ben Brighton gingen durch den heißen Sand direkt auf den Felsen zu, einen riesigen, scharf gezackten Brokken, der von irgendwelchen Naturgewalten auf den Strand geschleudert worden war.

      Unmittelbar dahinter stieg das Gelände terrassenförmig an, die Palmen folgten dem Verlauf der Bucht wie ein Gürtel. Aus dem Wald dahinter drangen das Lärmen von Affen und das Kreischen tropischer Vögel.

      Hasard lauschte angespannt und konzentrierte sich ganz auf die Umgebung, aber er wußte, daß es so gut wie ausgeschlossen war, irgendwelche leisen Geräusche rechtzeitig zu hören.

      Mit ein paar Schritten umrundete er den Felsblock.

      Ben Brighton blieb dicht hinter ihm. Eine flache, fast kreisrunde Mulde lag vor ihnen. Rundgewaschene Steine schützten die Feuerstelle in der Mitte. Das Treibholz, das das Feuer gespeist hatte, glomm noch schwach, und die herumliegenden Zweige bewiesen, daß Batuti recht gehabt hatte mit seiner Vermutung über „grünes Blätter“.

      Jemand hatte auf diese einfache Weise versucht, Rauchzeichen in einem bestimmten Rhythmus zu geben.

      Aber warum war er geflohen? Und wo steckte er jetzt? Hasard runzelte die Stirn und spähte aufmerksam in die Runde. Dann winkte er Dan und Carberry zu, die sich in einiger Entfernung postiert hatten.

      Jetzt traten die beiden ebenfalls heran. Kopfschüttelnd betrachtete der Profos die verlassene Feuerstelle.

      „Verrückt“, brummte er. „Glaubt dieses Rübenschwein vielleicht, wir würden die ganze Insel nach ihm absuchen? Der will uns wohl auf den Arm nehmen?“

      „Jedenfalls hat es keinen Sinn, hier herumzustehen“, sagte Hasard. Mit einer ärgerlichen Bewegung strich er sich das schwarze Haar aus der Stirn. „Rudern wir zurück! Offenbar sind wir auf einen Witzbold hereingefallen.“

      Er wollte sich schon abwenden, da hielt ihn Dan am Ärmel fest.

      Dan O‘Flynn hatte sich umgesehen. Und er hatte nun einmal von allen Männern der Isabella-Crew die schärfsten Augen. Für ihn war auch die grüne Wildnis jenseits des Palmengürtels nicht völlig undurchdringlich. Seine Augen funkelten erregt, als er sich zu Hasard beugte.

      „Da drüben“, flüsterte er. „Hinter dem Stamm der umgestürzten Palme!“

      Der Seewolf spähte aus den Augenwinkeln hinüber. Er glaubte, einen Schatten wahrzunehmen, aber er war seiner Sache nicht sicher.

      Dan O‘Flynn dagegen wußte genau, was er gesehen hatte.

      „Ein Gesicht“, flüsterte er. „Da war ein Gesicht zwischen den Zweigen. Irgend jemand versteckt sich da drüben in den Büschen.“

      2.

      Für ein paar Sekunden blieben die Männer ruhig stehen, ohne sich anmerken zu lassen, daß sie den unbekannten Beobachter bemerkt hatten.

      „Ein Indianer?“ fragte Hasard leise.

      „Nein, ein Weißer. Glaube ich jedenfalls“, schränkte Dan ein. „Ziemlich jung. Besonders kampflustig sah er nicht aus.“

      „Sehr beruhigend“, sagte Hasard sarkastisch. „Also sehen wir uns den Burschen mal an. Oder wollt ihr lieber erst Verstärkung holen?“

      Er grinste, als er Dans verdattertes Gesicht sah. Ed Carberry brummelte etwas, das sich nach seinem Lieblingsspruch anhörte, bezogen auf den Achtersteven des Unbekannten. Der Seewolf war bereits herumgeschwungen. Ohne Hast ging er auf die Stelle zu, wo er eine Bewegung und Dan ein verängstigtes Gesicht gesehen hatte.

      Der Felsengrund wurde hier nur von einer dünnen Schicht Erde bedeckt, die Palmen stürzten um, wenn sie eine bestimmte Höhe erreicht hatten. Hasard flankte über einen der toten Stämme – und in derselben Sekunde wurde es vor ihm im Gebüsch lebendig.

      Die Zweige teilten sich.

      Wie ein Kastenteufel schnellte eine magere Gestalt hoch, warf sich herum und zeigte die Fußsohlen. Für ein paar Sekunden hatte Hasard das bleiche, schreckverzerrte Gesicht eines Jungen erkannt, der nicht älter als vierzehn oder fünfzehn Jahre sein konnte – jetzt schien das Kerlchen nur noch aus wirbelnden Beinen zu bestehen.

      Und noch jemand verwandelte sich von einer Sekunde zur anderen in einen leibhaftigen Wirbelwind: Dan O‘Flynn, der wie ein geölter Blitz hinter dem Jungen hersauste.

      Auch Ben Brighton, Ed Carberry und der Seewolf setzten sich in Bewegung. Hasard war grimmig entschlossen, dem seltsamen Zwischenspiel jetzt auf den Grund zu gehen. Er hatte nicht den Kurs geändert und mit der „Isabella“ diese Bucht angelaufen, um sich von einem halbwüchsigen Bürschchen auf der Nase herumtanzen zu lassen.

      In einem raumgreifenden, beinahe lässigen Wolfstrab lief er über den felsigen Boden, sprang über ein paar Palmenstämme und überholte mühelos Dan O‘Flynn, der sich mit seinem Laufstil viel zu sehr verausgabte.

      Der Flüchtende riß entsetzt den Kopf herum, als er die Schritte des Verfolgers hörte. Seine Augen wurden weit, das schmale Gesicht verzerrte sich vor Schrecken.


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