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unten. Die Knopfaugen glitten in die Runde – und weiteten sich etwas, da die volle Gefechtsbereitschaft der „Isabella“ nicht zu übersehen war.

      Er faßte sich schnell wieder.

      „Ich wünsche den Kapitän dieses Schiffs zu sprechen“, erklärte er in fließendem Spanisch.

      Es klang unglaublich arrogant. Edwin Carberry holte Luft und stemmte die Fäuste in die Hüften. Sein wüstes Narbengesicht rötete sich, das Rammkinn schob er auf eine Art vor, die der Selbstherrlichkeit des Besuchers sichtlich einen Dämpfer aufsetzte.

      „Ah!“ knurrte er. „Und wer will den Kapitän dieses Schiffs sprechen?“

      Der kleine Mann straffte sich. „Bej Kinoshan, im Auftrag des ehrwürdigen Moguls von Annampar, Abu Bashri.“

      Na denn, dachte Hasard.

      Er enterte bereits den Niedergang hinunter. Der gute Bej Kinoshan sollte getrost auf der Kuhl bleiben, um sein Sprüchlein aufzusagen. Dort fühlte er sich nämlich sichtlich unwohl, was an der Versammlung wilder Gestalten lag, die einen Halbkreis um ihn bildeten.

      Matt Davies polierte angelegentlich den scharfen Stahlhaken der Prothese, die ihm die rechte Hand ersetzte. Ferris Tucker streichelte liebevoll den Griff seiner riesigen Zimmermannsaxt. Blacky betrachtete seine Fäuste, Ed Carberry brauchte nur dazustehen, um bedrohlicher zu wirken als alle zusammen. Der Anblick der Zwillinge war zwar nicht besonders einschüchternd, aber recht verwirrend, und zu allem Überfluß mischte sich jetzt auch noch der karmesinrote Ara-Papagei Sir John ins Geschehen.

      „Hijo de puta!“ krähte er auf spanisch, da er soeben ein paar Worte in dieser Sprache gehört hatte. „Bastardo! Hijo de perro!“

      Was sonst noch folgte, klang zwar etwas wirr, aber ausgesprochen blutrünstig. Der Besucher mußte den Eindruck gewinnen, daß man auf diesem Schiff ausgesprochen schnell mit Kielholen, An-die-Rahnock knüpfen, Hautabziehen und ähnlich unerfreulichen Gesten bei der Hand war. Bej Kinoshan wurde etwas blaß um die Habichtnase und sah Hasard mit einem gar nicht mehr so arroganten Blick entgegen.

      „Philip Hasard Killigrew“, stellte sich der Seewolf vor. „Ich bin der Kapitän der ‚Isabella‘. Sie haben versucht, uns in die Zange zu nehmen, und Sie haben uns mit einer Kugel vor den Bug gestoppt. Ich bin verdammt gespannt auf Ihre Erklärung.“

      Weißer Strand säumte die blaue, tief eingeschnittene Bucht.

      Im Sonnenlicht schimmerte das Wasser makellos blau, umspülte den roh gezimmerten Bootssteg und ließ die Karavelle mit den aufgegeiten Segeln sacht um die Ankertrosse schwojen. Jenseits des Strandstreifens stieg das Gelände an. Struppige, hüfthohe Sandheide wucherte zwischen den Klippen, weiter oben ragten ein paar einzelne Eukalyptusbäume in den Himmel. Zum Landinneren hin schloß sich eine kleine grasbewachsene Hochfläche an, auf der ein Dutzend weidender Ziegen wie helle Flecken wirkten.

      Ein paar einfache Pfahlhütten schmiegten sich in den Schutz der Felsen.

      Wasserrinnen aus ausgehöhlten Baumstämmen führten von der Süßwasserquelle zu den Behausungen. Am Strand waren Holzgerüste aufgebaut, auf denen Fisch trocknete. Über einer großen Feuergrube drehten sich Fleischstücke am Spieß. Die beiden Männer, die daneben auf den Fersen kauerten, beschäftigten sich damit, Fischreusen zu reparieren.

      In einer der Hütten prüften drei weitere Männer ihre Musketen, weil sie einen Streifzug ins Landesinnere planten, um ihr Jagdglück zu versuchen.

      Erland Surraj hing sich die Waffe über die Schulter und befestigte den Riemen der Wasserhaut an seinem Gürtel. Er war ein großer Mann, sehnig und muskulös, bekleidet mit Hose und Hemd aus weichem Ziegenleder, die ihn unterwegs vor dem Dornengestrüpp schützen sollten. Struppiges Haar und ein dichter, schon ergrauter Bart umgaben ein noch junges Gesicht, in dem die malaiischen Züge mit den wasserhellen Augen einen sonderbaren Kontrast bildeten. Erland Surraj hatte asiatische, spanische und skandinavische Vorfahren, und so abenteuerlich wie seine Ahnenreihe war auch sein Lebensweg gewesen, der ihn hierher an den äußersten Nordwest-Zipfel Australiens verschlagen hatte.

      Seine Begleiter, ein knappes Dutzend kräftiger jüngerer Männer, waren Malaien, Inder und Polynesier. Einfache Menschen, denen das karge, harte Leben hier nichts ausmachte. Sie hätten auch größere Strapazen in Kauf genommen, denn alles erschien ihnen besser als das, was hinter ihnen lag. Die Narben der Peitschenstriemen auf ihren Rücken und die Brandzeichen an ihren Schultern zeigten, was sie gewesen waren: Sklaven eines grausamen Tyrannen, der Menschen wie Vieh behandelte.

      Erland Surraj verließ die Hütte und atmete tief die frische, salzige Luft ein.

      Seine Augen leuchteten auf, als sein Blick auf die beiden Kinder fiel, die gerade ihre kleinen, selbstgefertigten Schleppnetze in eins der Boote packten. Braunhäutige, blauäugige Kinder mit lachenden Gesichtern. Der zehnjährige Yabu trug nur ein weißes Lendentuch. Das blauschwarze Haar fiel ihm frei über die Schultern. Seine achtjährige Schwester Yessa hatte sich aus den Resten ihres alten Sari ein höchst praktisches Kleidungsstück genäht, das nur über den Kopf gezogen und in der Taille mit einer Lederschnur gehalten wurde. Beide waren vergnügt und gesund, kräftig, zäh und geschickt, und nichts erinnerte mehr daran, daß sie sich einmal in perlenbestickten Prunkgewändern in einem Palast gelangweilt hatten.

      Mit geübtem Schwung schoben sie die Piroge ins Wasser und richteten den Mast auf. Erland Surraj winkte ihnen zu. Die Kinder winkten fröhlich zurück.

      „Wir gehen fischen!“ schrie der kleine Yabu.

      „In Ordnung! Aber seid vorsichtig und fahrt nicht zu weit hinaus!“

      „Wir passen schon auf …“

      Yabu wandte sich dem Segel zu. Yessa übernahm die Ruderpinne. Geschickt steuerten die beiden das Boot aus der Bucht, und Erland Surraj sah ihnen nach, bis sie hinter der vorspringenden Landzunge verschwanden.

      Mit einem tiefen Atemzug wandte er sich ab und begann, zusammen mit seinen Begleitern, den steilen Trampelpfad zum Plateau hinaufzusteigen.

      Bej Kinoshan, sichtlich eingeschüchtert von der furchtlosen Haltung der Seewölfe, brachte sein Anliegen ganz manierlich und bescheiden vor.

      „Der ehrwürdige Mogul Abu Bashri, Herrscher von Annampar, hat zwei Enkelkinder“, erklärte er auf Spanisch.

      „Wie schön für ihn“, sagte Hasard trocken.

      Bej Kinoshan blinzelte irritiert.

      „Die Kinder seiner verstorbenen Tochter Rhana, der Freude seines Herzens, die schön wie ein Stern war und allzufrüh dahingerafft wurde“, fuhr der kleine Mann fort. „Der junge Prinz ist des ehrwürdigen Moguls einziger Erbe, die kleine Prinzessin der Trost seines Alters und die Freude seiner Seele. Ruchlose Schurken haben die Kinder aus ihrem heimatlichen Palast entführt. Seit Monaten ist der ehrwürdige Mogul auf der Suche nach ihnen – vergeblich …“

      Der Seewolf fuhr sich mit dem Handrücken über das Kinn.

      Das klang zwar alles etwas geschraubt und albern, aber an der Tatsache als solcher war durchaus nichts lächerliches. Hasard fühlte eine gewisse Sympathie für den dicken Turbanträger, der vermutlich die gleichen bitteren Erfahrungen durchlebte, die auch der Seewolf hatte sammeln müssen. Er dachte daran, wie er den Entführern seiner Söhne durch das ganze Mittelmeer nachgejagt war und schließlich von einem widerlichen, gewissenlosen Halunken erfahren hatte, daß sie angeblich tot seien.

      „Ich verstehe“, sagte er ruhig. „Aber ich sehe nicht, wie wir dem ehrwürdigen Mogul in dieser Sache helfen können.“

      „Sie können!“ versicherte der kleine Mann. „Sie können es bestimmt. Der Entführer, dieser Hund, treibt sich mit seiner Karavelle in dieser Gegend herum. Der ehrwürdige Mogul war ihm dicht auf den Fersen, aber der Schurke ist entwischt. Ihr müßt ihm begegnet sein, irgendwo an diesen Küsten.“

      Hasard sah die zwingende Logik dieses Gedankengangs nicht ganz ein. Aber grundsätzlich war er durchaus bereit, dem ehrwürdigen Mogul zu helfen.

      „Wir haben eine lange


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