Seewölfe - Piraten der Weltmeere 247. Fred McMason
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Impressum
© 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-583-5
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Inhalt
1.
Den Ärger gab es eigentlich nur aufgrund eines Mißverständnisses, eines kleinen navigatorischen Fehlers wegen. Aber dieser Fehler im verwirrenden Vorfeld Ägyptens konnte jedem unterlaufen, auch einem Philip Hasard Killigrew, der Seewolf genannt.
Von dem Feluken-Händler Ibrahim, der mit richtigem Namen Ali Abdel Rasul hieß, wußte Hasard, daß der mächtige Nil im Delta viele Arme hatte. Man konnte in Rashid hineinsegeln oder in El Iskandariya, aber es gab auf ihrem Kurs noch einen kürzeren Weg, und das war Damietta, Dumyat genannt, in der Nähe der ägyptischen Stadt Bûr Sa’id gelegen.
Für den Seewolf stand damit die Route zu den geheimnisvollen Gräbern und riesigen Bauwerken fest: die „Isabella VIII.“ würde bei Damietta in das Nildelta segeln.
An jenem kühlen Januarmorgen im Jahre 1592 inspizierte der Waffen- und Stückmeister Al Conroy die Pulverkammer der „Isabella“.
Es war eine reine Pflichtübung, eine Sache, die zur Routine geworden war. Pulver wurde kontrolliert, ob es nicht feucht geworden war. Die Flaschenbomben wurden überprüft, und was der Dinge mehr waren.
Brach hier einmal durch eine Verkettung unglückseliger Umstände ein Feuer aus, dann würde sich der stolze ranke Rahsegler in des Teufels Höllenbombe verwandeln, und alle Seewölfe würden den gemischten Chor der Englein singen hören – oder das Schwefelgebrüll des Teufels, je nachdem, wie sie in ihrem Leben gesündigt hatten. Der Profos Edwin Carberry behauptete zwar, daß keins der Rübenschweine in den Genuß der himmlischen Chöre gelangen würde, aber so sicher war das auch nicht, denn im Grunde genommen hielten sich die meisten für fromme Pilger.
Der stämmige, schwarzhaarige Stückmeister mit den braunen Augen hatte seine Kontrolle fast abgeschlossen, als sein Blick auf die kleinen Fäßchen fiel, die Ibrahim, dessen wahren Namen an Bord niemand kannte, ihnen verkauft hatte.
In den Fäßchen befand sich „Griechisches Feuer“, eine Mixtur, die ein gewisser Kallinikus aus Heliopolis in Syrien erfunden hatte.
Conroy und der Schiffszimmermann Ferris Tucker, der sich ebenfalls in der Pulverkammer aufhielt, wußten, aus was das Zeug bestand, nämlich aus Pech, Schwefel, Naphta, Holzkohle und etwas ungebranntem Kalk. Das alles zusammen gab zwar noch kein Griechisches Feuer, dazu bedurfte es einer weiteren Ingredienz. Aber diese Zusammensetzung war geheim, und sie befand sich in einem anderen Fäßchen. Erst das alles zusammengemixt ergab die Höllenmischung, die schon durch die Berührung mit Wasser aufloderte.
Conroy kontrollierte auch diese Fässer sorgfältig, während Ferris Tucker am Schott lehnte und laut gähnte.
Dann sah er es in Als dunkelbraunen Augen plötzlich aufleuchten, und die Lippen des Stückmeisters verkniffen sich leicht.
„Ist was?“ fragte Ferris.
Al starrte nochmals in die Fäßchen. Dann sah er Ferris an und hob die Schultern.
„Von dem Zeug fehlt was, Ferris. Mindestens ein paar Hände voll.“
„Weiß ich“, sagte Ferris gelangweilt. „Und du solltest es auch wissen. Wir haben doch versucht, aus dem Zeug neue Brandsätze herzustellen.“
„Das weiß ich ja alles“, brummte Al gereizt. „Aber nach unseren Versuchen fehlt noch mal was. Ich weiß ganz genau, wieviel in den Fässern drin war.“
„Glaubst du etwa, einer von uns klaut das Zeug?“
„Glaubst du denn an den Weihnachtsmann?“ fragte Al zurück.
„Seit er mir letzten Monat nichts gebracht hat, glaube ich an den Kerl sowieso nicht mehr. Vielleicht hast du dich geirrt, Al.“
„Nein, da fehlen ein paar Hände voll“, beharrte Al Conroy.
Etwas später glaubte es auch Ferris Tucker, denn der Stückmeister war gewissenhaft und genau, was die Pulverkammer, Kanonen, Musketen und Munition betraf. Da verließ er sich nie auf andere, sondern immer auf sich selbst.
Alle beide rätselten herum, aber es gab an Bord niemanden, der aus der Pulverkammer oder dem danebenliegenden Magazin Pulver oder Griechisches Feuer klaute.
Wer sollte damit schon etwas anfangen?
Schließlich, nach langer Diskussion, waren sich Ferris Tucker und Al Conroy darüber einig, daß das Zeug durch die Stampf- und Schlingerbewegungen des Schiffes etwas gesackt sei. Eine Art Schwund sozusagen, wie Ferris sich ausdrückte.
An Bord war es allgemein üblich, daß der Kutscher morgens mühsam und in aller Herrgottsfrühe das Holzkohlenfeuer entzündete. Bis es im Kombüsenherd dann richtig brannte, dauerte es eine Weile, und bis genügend Glut da war, dauerte es noch länger.
Dann stand der Kutscher müde, verpennt und fluchend vor dem Herd und blies mit dem Blasebalg hinein.
Aber seit einiger Zeit hatten diese Arbeit Hasards Söhne übernommen, und so konnte der geplagte Kutscher eine halbe Stunde länger schlafen.
Aber etwas war ihm bei der ganzen Sache nicht geheuer. Die beiden Kerle zauberten das Feuer fast aus dem Ärmel. Womit er sich elend lange plagte, das schafften die Burschen in einem atemberaubenden Tempo. Verdammt, er kannte doch alle Tricks und Raffinessen, aber gegen Philip und Hasard war er direkt lahm.
Einerseits freute er sich darüber, andererseits wurmte es ihn, daß sie ihn dabei mühelos ausstachen, denn wenn er in der Kombüse erschien, dann glühten schon die Herdplatten, das Wasser kochte, und die Glut schien bereits stundenlang zu lohen.
„Wie kriegt ihr das bloß immer so verdammt schnell hin?“ fragte er.
Die cleveren Bürschchen, jetzt ins zwölfte Lebensjahr gehend, grinsten überlegen.
„Kleine Holzspäne, etwas Zündkraut, ganz wenig zerriebene Holzkohle und ein paar Funken. Dann pusten wir alle beide in die Glut. Das ist eigentlich schon alles“, erklärte Hasard junior.
„Ja, und wir lassen die Feuertür auf, damit es Durchzug gibt“, setzte Philip hinzu.
„Aha“, sagte der Kutscher und kratzte sich nachdenklich das Kinn. Und dieses „Aha“ zog er ziemlich lang.
So ähnlich verfuhr der Kutscher auch, aber trotzdem dauerte es bei ihm wesentlich länger. Und als er den beiden Lümmeln in die Augen sah, entdeckte er wieder mal alle Harmlosigkeit dieser