Seewölfe - Piraten der Weltmeere 143. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 143 - Roy Palmer


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nicht, wie knapp sie dem Unheil schon entronnen waren. Keine Meile weiter nördlich erstreckte sich das gefährliche Riff, das schon manchem Schiff, das sich zu dicht unter Land gewagt hatte, zum Verhängnis geworden war. Auf die scharfkantigen Unterwasserfelsen zu laufen, wäre auf jeden Fall ein größeres Verhängnis gewesen als eine Auseinandersetzung mit den Spaniern oder Portugiesen.

      2.

      Alvaro Monforte, der Kapitän der portugiesischen Kriegsgaleone „Sao Sirio“, hatte allen Grund, auf die Seefahrt, auf den Sturm und auf Lucio do Velho zu fluchen und den Auftrag, der ihn und seine Männer hierher geführt hatte, bis in die tiefsten Schlünde der Hölle zu verdammen.

      Das Flaggschiff „Candia“ war seit einer halben Stunde nicht mehr zu sehen. Und die Galeone „Sao Joao“, die Karavellen „Extremadura“ und „Santa Angela“? Auch über ihr Schicksal war Monforte nichts bekannt, denn er hatte auch sie längst aus den Augen verloren.

      Unaufhaltsam strebte die „Sao Sirio“ der portugiesischen Küste entgegen. Monforte hatte natürlich Sturmsegel setzen lassen, aber es gelang ihm nicht, den Nordkurs zu halten. Zu heftig orgelte der Westsüdwest-Wind.

      Die „Sao Sirio“ taumelte als Nachzügler des Verbandes in den Wogen des Atlantiks allein, den Naturgewalten ausgeliefert.

      Monforte wünschte dem Kommandanten Lucio do Velho die Pest an den Hals, denn seiner Meinung nach verhielt sich der Mann geradezu unmenschlich. Rechtzeitig beim Schlechterwerden des Wetters hätte der Comandante sich darum bemühen müssen, einen geschützten Platz an der Küste anzulaufen. Es war verantwortungslos, einen ganzen Verband dem Sturm preiszugeben.

      Aber so war es immer gewesen, wenn do Velho Jagd auf den Seewolf gemacht hatte. Ohne Rücksicht auf Mann und Material ging er vor, und damit handelte er sich den Haß seiner Untergebenen ein. In der Tat war er der starrsinnigste, skrupelloseste Geschwaderführer, den die Armada je gesehen hatte. Bis zur Meuterei hatte do Velho seine Männer getrieben, ohne jedoch seine Fehler einzusehen. Der einzige Mann, der in unerklärlicher Treue und Ergebenheit zu ihm hielt, war Ignazio, der Bootsmann der „Candia“.

      „Senor!“ rief der erste Offizier der „Sao Sirio“ von der Kuhl zum Achterdeck hinauf. „Der Fockmast hat eine Bruchstelle. Wir wissen nicht, wie lange er noch hält!“

      „Bis zur Küste ist es nicht mehr weit!“ schrie Alvaro Monforte zurück. „Solange müssen wir durchhalten, um jeden Preis! Wir suchen einen geschützten Ankerplatz und warten das Ende des Sturms ab!“

      Der Erste blickte ihn sekundenlang schweigend an.

      „Sagen Sie das den Männern“, befahl Monforte gereizt.

      „Si, Senor.“

      Der Erste verschwand in den Gischt- und Regenschleiern, die die Kuhl überzogen. Er wußte so gut wie sein Kapitän, daß sie es nicht schaffen würden, irgendwo vor Anker zu gehen. Bei jedem Versuch, sich vor den weiteren Entwicklungen des Sturmes zu schützen, mußten sie mit ihrem Schiff an der Küste zerschellen, von der sie wußten, daß sie in dieser Gegend steil und felsig war.

      Aber es war gut, sich an seine Hoffnung zu klammern. So vermessen es auch war, an einen glücklichen Ausgang des Abenteuers zu denken – die Männer der „Sao Sirio“ hielten mit aller Macht daran fest.

      Ein neuer Brecher tobte über die Decks des Schiffes. Alvaro Monforte mußte seinen Platz auf dem Achterdeck räumen, wenn er nicht außenbords gespült werden wollte. In den Manntauen hangelte er auf die Kuhl hinunter und verständigte sich mit seinen Seeleuten und Soldaten, die in ungewohnter Einigkeit darum kämpften, die Masten und Rahen, das laufende und stehende Gut vor den Hieben des Wetters zu retten.

      Monforte arbeitete sich mit seinem ersten Offizier, dem Schiffszimmermann und zwei Helfern bis zur Back vor. Sie versuchten, den Fockmast durch zusätzliche Laschungen zu sichern. Der Zimmermann klomm in den Luvwanten des Fockmastes hoch, um eine der Laschungen anzubringen.

      Wild tanzte das Schiff in den Wogen. Es heulte und pfiff, knarrte und dröhnte, und das Rufen der Besatzung ging in dieser immer lauter werdenden Höllenmusik unter.

      Längst hatte der Ausguck der „Sao Sirio“ auf Monfortes Befehl hin den Großmars geräumt. Aber er hätte die geschützt liegende Felsenbucht an der nahen Küste auch dann nicht erkannt, wenn er sich noch auf seinem Posten befunden hätte. Zu dunkel war es geworden. Die Portugiesen konnten auf diese knappe Distanz nicht einmal die drohend aufragenden Klippfelsen sehen.

      Plötzlich brach der Fockmast.

      Mit ihm gingen auch die Wanten, die Pardunen, Schotten, Brassen und Fallen außenbords. In den Webeleinen der Luvwanten hing der Schiffszimmermann. Sein Gesicht war in Todesangst verzerrt, er versuchte, sich zu retten, indem er bis auf die Rüsten der Backbordseite hinabgelangte, doch es mißlang.

      Ein einziger Aufschrei gellte über Deck, als der Zimmermann in den Fluten versank. Er tauchte nicht wieder auf. Alle hatten sein Ende mitverfolgt, und die Furcht vor einem ähnlich schrecklichen Tod wuchs ins Uferlose.

      Monforte wußte, daß er die Panik nicht mehr bremsen konnte, wenn er nicht eisern blieb. Mit barscher Stimme erteilte er seine Befehle. Die Männer kappten das laufende und stehende Gut des Fockmastes und hieben schließlich mit Äxten auf den Stumpf ein, an dem er noch hing. Zu sehr krängte die „Sao Sirio“ jetzt nach Steuerbord, sie drohte wegen der Last des zerstörten Mastes querzuschlagen.

      Wütend hackten die Männer auf das splitternde Holz ein. Der Fockmast war ihr Feind geworden, er führte ihren Untergang herbei. Je rascher sie sich seiner entledigten, desto größer wurde die Chance, das Unglück weiter hinauszuzögern.

      Wie lange dauerte es aber noch, bis der Sturm sie endgültig vernichtete? Keiner dachte darüber nach, keiner äußerte die gräßliche Ahnung, die sie alle gepackt hatte.

      Der Fockmast lag frei. Er löste sich von Bord der Galeone, rutschte ganz in die aufgewühlte See und war wenig später samt seiner Rahen und seinem übrigen Beiwerk in den Fluten untergetaucht.

      Die Galeone richtete sich wieder ein wenig auf. Ein erlöster Ausdruck stand auf den Gesichtern der Männer zu lesen – jedoch nur für kurze Zeit.

      Es war noch nicht vorbei. Das Inferno stand ihnen noch bevor. Fast zielstrebig jagte die „Sao Sirio“ auf ihr Verhängnis zu. Sie schien die Nähe der gefährlichen Unterwasserfelsen zu suchen, und doch, es war ein furchtbarer Zufall, daß das Schiff ausgerechnet in Richtung des Riffs gedrückt wurde.

      Von der Existenz des Riffs erfuhren die Portugiesen erst, als sich das Schicksal nicht mehr abwenden ließ. Giganten und Dämonen der Tiefsee schienen jäh mit riesigen Hämmern auf den Kriegssegler einzuschlagen, so hörte es sich an. Da war ein Dröhnen und Krachen, das alles andere übertönte, und ein gewaltiger Ruck lief durch das ganze Schiff. Monforte spürte, wie seine Galeone hochgehoben wurde, und er wußte sofort, was das zu bedeuten hatte.

      Dann schrie es auch der erste Offizier: „Wir laufen auf!“

      Niemand konnte sich auf den Beinen halten. Alle fielen, als die „Sao Sirio“ ihren Rumpf auf das schartige Riff setzte, die Felsen die Planken wie lächerliches Weichholz knackten und Wasser rauschend durch die Lecks eindrang.

      Das Schiff krängte mehr und mehr. Alvaro Monforte sah Männer über das Deck schießen und hörte sie brüllen, als sie im Strudel der Fluten übers Schanzkleid glitten und in der See verschwanden. Er klammerte sich an einem Manntau fest, schloß die Augen in ohnmächtigem Entsetzen und flüsterte: „Ave Maria, heilige Mutter Gottes, barmherzige Jungfrau Maria, steh uns bei.“

      Urmächte richteten sich zu allen Seiten der Galeone auf, Klauen der Finsternis schienen sich nach den Männern auszustrecken. Die „Sao Sirio“ brach auf dem, Riff auseinander, neue Schläge trafen sie. Seeleute, Soldaten und Offiziere wurden wild durcheinandergewirbelt.

      „Die Beiboote abfieren!“ rief der Kapitän noch. Aber er selbst war sich im klaren darüber, wie unsinnig diese Order war. Auch die Boote zerschellten. Alles ging im Brüllen


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