Seewölfe Paket 17. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 17 - Roy Palmer


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sagte er, „Stolpmünde.“

      „Ich verstehe, aber ich will nach Rügenwalde. Bin ich hier auf dem richtigen Kurs? Rügen-wal-de?“

      Der Fährmann nickte, zeigte dann mit seiner schwieligen Hand zum Strand und wiederholte den Namen der Ortschaft.

      „Wie lange?“ brüllte Gary. „Wie viele Meilen?“

      Durch sein Brüllen wurde die Verständigung zwar auch nicht besser, doch zum Glück begriff der Fährmann, was er wollte.

      „Rügenwalde“, sagte er, hob dann die Hand, spreizte die Finger auseinander, überlegte es sich dann aber anders und zeigte noch einen Finger der anderen Hand vor. Zusammen also sechs.

      „Sechs Stunden noch?“

      Die Antwort bestand aus einem heftigen Nicken, als Gary ebenfalls die Finger hob, zum Strand und damit nach Westen deutete.

      Nun ist alles klar, dachte er zufrieden. In etwa sechs Stunden konnte er Rügenwalde erreichen.

      „So übel seid ihr Burschen gar nicht“, sagte Gary grinsend. „Auch wenn ihr uns schon eine Menge Ärger bereitet habt.“

      Der Fährmann nickte und grinste mit, als hätte er alles verstanden.

      Gary verließ die Fähre, schwang sich auf eins der Pferde und führte die drei restlichen wieder mit sich. Jetzt hatte er es immer eiliger, nach Rügenwalde zu gelangen, und er ritt erneut am Wasser entlang. Überall gab es Seen dicht am Strand, und hin und wieder watete er durch knietiefes Wasser flacher Tümpel, die sich bis an den Strand zogen.

      Drei Stunden später tauchte direkt am Wasser wieder eine kleine Ortschaft auf. Gary sah zwei Männer, die das erste saftige Gras auf einer Wiese mähten. Auf der anderen Wiese standen und lagen wiederkäuende fette Kühe.

      Die Männer stellten ihre Arbeit ein, als sich der einsame Reiter ihnen näherte.

      Das komplizierte Frage-und-Antwort-Spiel begann erneut, als sich Gary nach Rügenwalde durchfragte. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er ein paar handfeste Fakten zusammenhatte.

      Da müsse er erneut über einen Fluß, wurde ihm beschieden, über die Wipper nämlich, auch mit einer Fähre. Den Gesten entnahm er, daß der Hafen von Rügenwalde auf der anderen Seite läge also nicht direkt an der See. Von Rügenwaldermünde aus müsse er dort hinreiten, das sei der eigentliche Hafen.

      Die Bauern waren ausnehmend freundlich, und ihr anfängliches Mißtrauen verschwand auch sehr rasch. Nur hin und wieder musterten sie seine abgerissene und schmutzige Jacke, den seltsamen Schlapphut und die Pferde.

      Gary verabschiedete sich freundlich von ihnen und ritt weiter. Sein Ziel rückte jetzt immer näher, und er spürte, wie die Freude über das bevorstehende Wiedersehen in ihm hochstieg.

      Er brauchte gut eine Stunde weniger als errechnet, als er die nächste Fähre erreichte. Da war es nachmittags und ungefähr drei Uhr. Er fühlte sich verdreckt, übermüdet, schmutzig und staubig, und so wollte er seinen Kameraden denn doch nicht unter die Augen treten, dachte er. Deshalb nahm er in einem der Seen noch schnell ein Bad und fühlte sich augenblicklich frischer.

      Der Fährmann, der ihn über die Wipper setzte, erwies sich als aufgeschlossener Mann, und er nahm auch grinsend das Silberstück, das Gary ihm als Passage über den Fluß bot.

      Was für ein Landsmann er sei, wollte der Fährmann gestenreich wissen, als er auf das Silberstück blickte.

      „Engländer“, sagte Gary, „von einer großen Insel.“

      Der Mann nickte, obwohl er sich unter England absolut nichts vorstellen konnte. Er palaverte drauflos und war sehr geschwätzig. Gary nickte immer wieder lächelnd, bis sie endlich drüben waren und er sich wieder unter Menschen befand.

      Jetzt wurde er ganz offen angestarrt. Sie sahen ihm nach und tuschelten, denn er war unrasiert, mit zwei Tage alten Bartstoppeln, und wirkte wie ein seltsamer Heiliger. Und dazu hatte er noch vier Pferde, was den Argwohn der Leute nur noch mehr erregte.

      Gary Andrews kümmerte das nicht. Er war am Ziel und ritt weiter durch die Gassen, bis er in einem großen Bogen an den Hafen gelangte. Dort sah er sich neugierig um, aber von den beiden Schiffen war noch nichts zu sehen. Sie befanden sich für ihn noch in einer Art totem Winkel durch den Bogen, den er geschlagen hatte und der ihn von See zuerst ins Landesinnere und dann wieder zurückgeführt hatte.

      Er ritt weiter bis an die Pier, wo ein paar Fischerboote und ein kleiner Handelsfahrer lagen.

      Jetzt war er richtig müde, der lange Ritt und das bißchen Schlaf wirkten sich aus. Er beachtete die Leute nicht, die ihn neugierig anstarrten, sich immer wieder um ihn scharten und ihn von allen Seiten argwöhnisch musterten.

      Mit dem Gaul lehnte er sich gegen einen alten Schuppen. Die drei anderen Pferde standen an den Zügeln zusammengebunden daneben und dösten ebenfalls vor sich hin.

      Diese allgemeine Döserei wirkte ansteckend. Dazu gesellten sich noch das verhältnismäßig warme Wetter und Garys große Müdigkeit. Immer mehr sank er im Sattel in sich zusammen, bis er schließlich einnickte.

      Hin und wieder schreckte er auf, aber er wich um keinen Inch von seinem Platz, blickte hoch, starrte auf die See hinaus und wartete wie einer, der alle Zeit der Welt gepachtet hat.

      Dann, am späten Nachmittag, sah er sie endlich, und die Freude fuhr ihm so durch die Knochen, daß es ihn fast vom Gaul gehauen hätte.

      Stolz segelten sie heran, die neue „Wappen von Kolberg“, die vormals ein polnisches Flaggschiff gewesen war, und die „Isabella“ in ihrer ganzen Pracht.

      Gary konnte nicht anders. Er schluckte ein paarmal hart und war so gerührt, daß ihm zwei Tränen aus den Augen kullerten, im Gesicht eine kleine Spur hinterließen und im Bart versickerten.

      Mann, ist das ein Gefühl, wieder zu den Lebenden zu gehören, dachte er selig.

      Dann wartete er weiter.

      9.

      Gesprochen wurde auf der „Isabella“ immer nur noch das Nötigste, denn an der traurigen Stimmung hatte sich nichts geändert.

      Die Seewölfe ließen die Köpfe hängen, bis auf den alten O’Flynn, der „mal wieder was an der Kimm sah“, wie er sich ausdrückte.

      „Ein Gary Andrews ersäuft nicht in so einem Ententeich wie der Ostsee“, sagte er zum Profos, der geknickt und mit gesenktem Schädel auf dem Quarterdeck stand.

      Für das Hafenstädtchen, das sie gerade anliefen, hatte er keinen Blick übrig.

      „Ich wünschte, du hättest recht“, sagte Ed niedergeschlagen. „Aber diesmal trügt dich wohl dein Zweites Gesicht. Wir alle wollen es einfach nicht wahrhaben, daß Gary ertrunken ist.“

      „Ich spür das“, sagte Donegal eindringlich. „Für so was hab ich einfach ein Gefühl.“

      „Dann hätten wir ihn längst gefunden.“

      „Man findet nicht immer das, was man sucht. Mitunter gibt es widrige Umstände“, deutete der Alte geheimnisvoll an.

      „Du tust so, als wüßtest du es ganz genau“, sagte Stenmark, der sich zu den beiden Männern gesellte.

      Old O’Flynn schüttelte nachdrücklich den Kopf.

      „Ich habe doch gesagt, daß ich es nicht genau weiß, ich spüre das eben, es liegt mir im Blut. Gary ist irgendwo, der lebt und ist ganz munter.“

      Donegal, das alte Rauhbein, hatte schon oft bewiesen, daß er über eine Art sechsten Sinn verfügte. Das konnte niemand an Bord abstreiten. Er übertrieb dabei manchmal nur ein wenig, und das rief dann meist die Skeptiker auf den Plan.

      „Dein Wort in Gottes Ohr“, sagte der Profos. „Wenn das stimmt, dann werde ich dir wieder mal eine Menge abbitten müssen.“

      „Das


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