Seewölfe Paket 6. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.wurde gebraucht.
Man konnte keine der üblichen Disziplinarstrafen über ihn verhängen, ohne daß die gesamte Mannschaft darunter litt. Aber die rauhen Kerle hatten da im Laufe der Zeit ihre eigene Methode entwickelt.
Dazu brauchten sie nichts weiter als die heiße Herdplatte in der Kombüse.
Und danach wurde meist sogar das Essen, das der Koch zustande brachte, etwas besser. Allerdings nur für eine Weile. Ungefähr genauso lange, wie Cookie auf dem Bauch schlief und es sorgfältig vermied, sich hinzusetzen.
Das Geschrei verstummte allmählich.
Dabei polterte es – vermutlich flogen Töpfe und Pfannen durch die Kombüse. Ein paar Minuten später war auch das vorbei, und die Männer, die leicht zerrauft auf die Kuhl zurückkehrten, widmeten ihre Aufmerksamkeit nun ebenfalls dem Schiff, das der Ausguck gesichtet hatte.
Nur Cookie ließ sich nicht sehen.
Er heulte fast vor Wut. Am liebsten hätte er sich mit einer Kakerlaken-Suppe oder etwas ähnlichem revanchiert, aber dafür hatte ihm die Herdplatte als Sitzplatz denn doch zu wenig gefallen.
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte in der Vorpiek der „Isabella VIII.“ eine Stille geherrscht, wie man sie im Zentrum, im „Auge“ eines Wirbelsturms findet.
Esmeraldos Aufschrei und die Art, wie sich Pepe le Moco jählings herumwarf, wirkten als Signal. Dann ging alles so schnell, daß die Männer des Bretonen es im einzelnen erst viel später begriffen.
„Arwenack!“ schrie Dan O’Flynn, obwohl er an Händen und Füßen gefesselt war und überhaupt nichts unternehmen konnte.
„Arwenack!“ brüllten Batuti, Stenmark und Big Old Shane im Chor, und die Piraten erhielten endgültig den Eindruck, als habe die Hölle selber ihre Dämonen ausgespuckt.
Vier Mann wollten sich gleichzeitig zur Flucht wenden.
In dem engen Durchlaß des Schotts war das etwas schwierig. Für einen Moment behinderten sich die Kerle gegenseitig, und der erste, der handelte, war Big Old Shane.
Wie ein angreifender Stier senkte er den Schädel und stürmte einfach in die schwankende Front seiner Gegner.
Die beiden mittleren Kerle torkelten zurück wie von einem Rammsporn getroffen. Einer von ihnen stieß einen gurgelnden Schrei aus und klappte zusammen. Der zweite ruderte verzweifelt mit den Armen, um nicht zu fallen. Dabei ließ er die Öllampe los, die er getragen hatte. Im Bogen flog sie durch den kleinen Laderaum unter dem Vordeck der „Isabella“, knallte auf den Boden und ging in Scherben.
„Feuer!“ kreischte einer der Piraten entsetzt. „Feuer! Feu …“
Er verstummte, weil Ben Brighton ihm die Faust in die Zähne geschlagen hatte.
Dem letzten Mann, der noch völlig verdattert im Schott stand und nicht wußte, wie ihm geschah, verpaßte Stenmark ein Ding in die Magengrube.
„Uuuiiie“, gurgelte der Kerl. Dabei quollen ihm fast die Augen aus den Höhlen. Den Weg gab er erst frei, als Stenmark ihn am Kragen packte und kurzerhand in die Vorpiek beförderte.
„Was soll das denn?“ schrie Dan O’Flynn aufgebracht, als der Bursche über ihm landete.
„Feuer!“ schrien jetzt auch andere Stimmen. Tatsächlich tanzten ein paar Flämmchen auf den Planken des Laderaums. Feuer stellte auf einem Schiff eine furchtbare Gefahr dar. Vor allem auf einem Schiff mit schwerer Armierung und entsprechenden Pulvervorräten, die verhältnismäßig trocken gehalten werden mußten, damit sie im Bedarfsfall funktionierten.
Ben Brighton wollte sich auf die Flammen stürzen, aber einer der kopflosen Piraten rannte ihm – vielleicht in gleicher Absicht – vor die Füße.
Der ruhige, besonnene Bootsmann brauchte immer einen kleinen Anlauf, um richtig in Fahrt zu geraten. Jetzt war es soweit. Nur mit halbem Ohr nahm Ben Brighton das Gebrüll an Deck wahr, wo Pepe le Moco vermutlich den Rest der Crew alarmierte. Er sah das Feuernest, und er sah den keuchenden Kerl dicht vor sich. Es war der, den sie den „anderen Burgunder“ nannten, aber das konnte Ben Brighton nicht wissen.
Er trat den Burschen mit Wucht vor das Schienbein, rammte ihm die Faust ins Gesicht, als er sich jaulend zusammenkrümmte, und schlug ihm zum Abschluß noch von oben aufs Haupt – was entschieden mehr war, als der „andere Burgunder“ vertragen konnte.
Er sackte sang- und klanglos in sich zusammen.
Ben Brighton wirbelte herum, suchte das Feuer und sah statt dessen einen um sich schlagenden Schatten durch die Luft fliegen. Der einäugige Esmeraldo überschlug sich zweimal und krachte auf die Planken. Die riesige Faust des Waffenmeisters von Arwenack hatte den Piraten genau dahin befördert, wo Shane ihn hinhaben wollte: auf die Flammen, die unter dem Anprall zum Glück erstickten.
Jäh breitete sich Dunkelheit aus.
Eine Dunkelheit, die erfüllt war von Stöhnen, Geschrei und keuchenden Atemzügen.
„Da!“ knurrte Stenmarks Stimme. „Und da – und da – und das auch noch …“
Jedes „da“ wurde von einem klatschenden Geräusch begleitet. Der Empfänger der Hiebe wimmerte zum Steinerweichen. Irgendwo erklangen tiefe, grollende Atemzüge, die nur aus dem mächtigen Brustkasten von Big Old Shane stammen konnten. Ben Brighton riß sich die Jacke vom Leib, um den Rest des brennenden Öls zu löschen.
Als er die letzten Funken austrat, sprang ihm jemand von hinten in den Nacken.
Ben spürte heißen Atem über sein Ohr streichen und feuerte einen Ellenbogen nach hinten. Der Pirat ließ los. Nicht nur das: Er segelte auch noch ein Stück durch die Luft. Unglücklicherweise prallte er im Dunkeln gegen Big Old Shane, und der graubärtige Alte lehrte den Burschen endgültig das Fliegen.
Wo der Kerl landete, war nicht zu überhören, weniger wegen des Aufpralls als wegen des Empörungsschreis, der aus der Vorpiek ertönte. Dan O’Flynn fand es ausgesprochen unfair, daß man ihm ständig Leute auf die Figur warf, statt ihn endlich zu befreien, damit er sich in den Kampf stürzen konnte. Was Dan O’Flynn von sich gab, war allerdings nicht zu verstehen. Denn mindestens zwei von den Piraten, die noch auf eigenen Beinen stehen konnten, ergriffen jetzt blindlings die Flucht und verursachten ein fürchterliches Gepolter.
Sie kannten den vorderen Laderaum der „Isabella“ nicht so gut. Im Gegensatz zu Ben Brighton und Big Old Shane, die keine Schwierigkeiten hatten, den Flüchtenden auch im Dunkeln nachzusetzen.
„Ihr seid vielleicht Kameraden!“ schrie Dan O’Flynn mit etwas gequetschter Stimme. „Verdammt, wollt ihr uns nicht endlich …“
„Losbinden!“ forderte der hünenhafte Neger mit Donnerstimme. „Batuti fressen Bretonen zum Frühstück. Gottverdammt, ihr nicht ganzes Vergnügen für euch allein!“
„Mist!“ schrie Stenmark im selben Moment.
Nicht wegen Batutis berechtigter Forderung, sondern wegen des bewußtlosen Piraten, über den er gestolpert war. Nach der Bauchlandung fühlte sich der blonde Schwede sekundenlang benommen, und bei dieser Gelegenheit wurde ihm bewußt, daß Batuti ständig etwas von „Frühstück“ und „Vergnügen“ schrie.
Stenmark verstand das nicht so recht, aber er verfiel von selbst auf den Gedanken, daß es von Vorteil war, die beiden Gefesselten in der Vorpiek zu befreien.
Der blonde Schwede hatte nicht geahnt, daß sich noch zwei Männer aus der Crew auf der „Isabella“ aufhielten. Mit Dan und Batuti, fand er, waren sie so gut wie unschlagbar. Fünf Seewölfe gegen einen Haufen lausiger Piraten, da würden die Fetzen fliegen. Aber nicht bei den Seewölfen, sondern bei ihren Gegnern.
Stenmark grinste und rappelte sich hoch – etwas taumelig, da er unglücklicherweise mit dem Kinn auf eine Querplanke geschlagen war.
Die völlige Finsternis wurde ihm zum Verhängnis. Er griff bereits zum Messer, während er auf das Schott zuschwankte, aber weder er noch Batuti, noch selbst Dan mit seinen scharfen