Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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      Weniger sechs, waren vierundzwanzig. Noch mal weniger sechs, blieben achtzehn. Und die Seewölfe waren zwanzig. Damit war das Verhältnis mehr als ausgeglichen, wenn man bedachte, daß selbst der schmalbrüstige Kutscher und der alte O’Flynn mit seinen Krücken zwei Spanier aufwogen und daß Kerle wie Ferris Tucker oder Ed Carberry notfalls ganz allein ein halbes Dutzend Dons zu Hackfleisch verarbeiten konnten.

      Hasard grinste vor sich hin.

      Er wußte schon jetzt, daß sich Edwin Carberry hinterher wieder darüber beklagen würde, daß derartiger „Kinderkram“ einfach keinen echten Spaß bereitete.

      „Rum für alle!“

      Die Rote Korsarin lächelte. Ihr Blick wanderte über die erschöpften Männer, über die aufgeklarten Decks, über das Rigg, das wieder ganz manierlich aussah. Die neue Großrah war in Rekordzeit geriggt worden, obwohl sie keinen Schiffszimmermann an Bord hatten. Aber ein paar von den Männern hatten eine Menge von Ferris Tucker gelernt. Und nicht nur von ihm, sondern auch von Will Thorne, dem weißhaarigen Segelmacher der „Isabella“.

      Siri-Tong war zufrieden mit ihren rauhen Kerlen. Eine Crew wie. der Seewolf hatte sie nicht und würde sie wohl auch nie kriegen, denn diese verschworene Gemeinschaft war etwas Einmaliges. Aber auch die Mannschaft des schwarzen Seglers konnte sich sehenlassen: Die Gefahren und Abenteuer der langen Fahrt hatten sie zusammengeschmiedet und zurechtgeschliffen und selbst aus einer schmutzigen Ratte wie Muddi am Ende einen halbwegs brauchbaren Kerl werden lassen, der zumindest in gefährlichen Situationen einigermaßen seinen Mann stand.

      Was jetzt hinter ihnen lag, war der Beweis dafür gewesen. Die „Isabella“ in den Händen von Spaniern, Piraten oder was auch immer, die Seewölfe einem ungewissen Schicksal ausgeliefert – das ließ der Crew des schwarzen Seglers keine Ruhe. Sie hatten in den letzten Stunden eine Leistung vollbracht, die man nur bewundern konnte.

      Thorfin Njals Flüche und Drohungen waren nur als vertraute Begleitmusik notwendig gewesen. Niemand hätte die Männer anzutreiben brauchen. Sie hatten ihr Bestes gegeben, sich nicht gedrückt, wie die Wilden geschuftet und alle Schäden in der Hälfte der Zeit behoben, die man normalerweise hätte dafür veranschlagen müssen.

      „Cookie!“ rief Siri-Tong. „Mister Bennet, wo steckst du, verdammt noch mal!“

      „Hier, Madam!“

      Cookie erschien im Kombüsenschott. Er hatte nicht weniger geschuftet als die anderen. Und die nicht ganz saubere Pfanne in seiner Faust bewies, daß er sich selbst jetzt nicht auszuruhen gedachte, sondern seine Pflichten als Koch erfüllte.

      Im übrigen sah er aus wie das leibhaftige schlechte Gewissen. Aber ein schlechtes Gewissen war schließlich der erste Schritt zur Besserung.

      Die Rote Korsarin lächelte.

      „Ich glaube, dies ist der richtige Augenblick, um deinen Kokosmilch-Schnaps zu probieren. Cookie“, sagte sie. „Eine Muck für jeden, zusätzlich zum Rum. Aber kein Besäufnis, wenn ich bitten darf! Mißjöh Buveur, ich lasse dich kielholen, wenn du nachher blau an Deck liegst.“

      „Aye, aye, Madame“, schmetterte der dickliche Franzose.

      Und der Koch kriegte rote Ohren, weil er sich freute, daß sein Kokosnuß-Schnaps, den er eigentlich für seinen Eigenbedarf gebraut hatte, nun doch noch zu Ehren gelangte.

      Als dann Siri-Tong persönlich probierte und dem Zeug einen gewissen Wohlgeschmack bescheinigte, waren nicht nur die Ohren des Kochs so rot wie mexikanischer Pfeffer.

      Thorfin Njal kippte gleich eine ganze Muck von dem Gesöff in sich hinein und nickte zufrieden. Auch die anderen Männer waren begeistert: Das Zeug war wesentlich stärker als Wein oder Bier und konnte es durchaus mit dem gewohnten Rum aufnehmen.

      Cookie erzählte, daß ihm die Eingeborenen auf der Insel der Steinernen Riesen das Rezept verraten hätten. Eingedenk der Tatsache, daß der Besuch auf jener Insel damals sehr kurz gewesen war, fanden alle den Koch sehr clever. Der wiederum strahlte wie ein Posaunenengel – und Siri-Tong sah voraus, daß das Essen an Bord des „Eiligen Drachen“ mindestens zwei Wochen lang entschieden besser als sonst werden würde.

      Sie gestattete noch eine weitere Muck Kokosnuß-Schnaps. Danach waren die erschöpften, körperlich bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit ausgelaugten Männer leicht beduselt, aber Siri-Tong wußte, daß sie trotzdem noch ihre Arbeit tun konnten.

      Mit Thorfin Njal und dem Boston-Mann zog sie sich in ihre Kammer im Achterkastell zurück.

      Wieder einmal wurden die Karten bemüht. Denn die Rote Korsarin kannte den Seewolf und wußte ganz sicher, daß er sich die „Isabella“ bestimmt nicht von irgendeinem Piratenschiff hatte abnehmen lassen. Ihre Vorstellungen über den Lauf der Dinge kamen der Wahrheit sehr nahe.

      „Hier!“ sagte sie.

      Ihr Finger beschrieb einen Kreis um ein Gebiet, in dem auf der Karte einige kleinere Inseln eingezeichnet waren. „Wenn sie irgendwo sind, dann müßten sie hier sein – oder?“

      Thorfin Njal kratzte hingegeben an seinem Kupferhelm.

      „Stimmt“, sagte er. „Wenn sie auf einer Insel sind.“

      „Wo sollen sie sonst sein, zum Teufel? Wir haben doch selbst gesehen, daß die Kerle auf der ‚Isabella‘ nur vierzehn oder fünfzehn Mann waren. Selbst wenn wir mit einem Dutzend Todesopfern rechnen – so ein Trupp hat doch die ‚Isabella‘ nicht gekapert, Thorfin! Die Kerle müssen auf einer Insel festgesessen haben. Und dann ist es ihnen wahrscheinlich gelungen, Hasard zu schnappen. Du weißt doch, daß er jedes Unternehmen, das auch nur von Ferne nach Gefahr riecht, immer selbst anführt.“

      „Bei Odin, das tut er“, sagte der Wikinger. „Du könntest recht haben. Vielleicht hat der verdammte Sturm auf der ‚Isabella‘ Schäden angerichtet, die sich nicht mit Bordmitteln beheben ließen. Oder sie haben Rauchzeichen gesichtet, was weiß ich.“ Thorfin Njal atmete tief durch und nickte. „Suchen wir also diese Inselchen ab! Sofort, meine ich. Bis heute abend dürften wir’s geschafft haben.“

      „Und dann folgen wir der ‚Isabella‘ und zahlen es diesen Dreckskerlen heim!“ Siri-Tongs Augen funkelten, als sie aufstand und das schwarze Haar zurückwarf. „Die größenwahnsinnigen Halunken werden noch einsehen, daß sie den schlimmsten Fehler ihres Lebens begangen haben.“

      Federnd wandte sich die Rote Korsarin ab, trat wieder auf den Niedergang und kehrte aufs Achterkastell zurück. Mit einem zufriedenen Blick stellte sie fest, daß bereits drei Mann am Spill standen, bereit, den Treibanker aufzuholen, und daß Brassen und Geitaue zum Laufen klargelegt worden waren.

      Minuten später war der Anker oben.

      Knatternd entfalteten sich die schwarzen Segel, der Wikinger legte Ruder, und „Eiliger Drache über den Wassern“ segelte dunkel und majestätisch seinem Ziel zu.

      Der Capitan der „Santa Monica“ war nicht beunruhigt, sondern verärgert.

      Er suchte nicht erst nach einer Erklärung für das lange Ausbleiben seiner Leute, denn nach seiner Meinung lag die Erklärung auf der Hand: Die Kerls hatten angefangen zu bummeln, kaum daß sie außer Sicht gewesen waren. Wahrscheinlich bereiteten sie sich ein paar angenehme Stunden, statt ihren Auftrag auszuführen. Juan de Correggio knirschte vor Wut mit den Zähnen und schwor sich, jedem einzelnen dieser faulen Halunken die Haut vom Rükken peitschen zu lassen.

      Der Rest der Mannschaft spähte ziemlich besorgt zu der Insel hinüber, von der sie nur die felsige Landzunge im Westen und die weit geschwungene, palmengesäumte Strandlinie sehen konnten. Die Sonne senkte sich bereits, die Schatten wurden unmerklich länger. In spätestens einer Stunde würde die Dunkelheit hereinbrechen, und dann konnte nur noch ein Verrückter auf die Idee verfallen, die Insel zu durchsuchen.

      „Wir sollten etwas unternehmen, Capitan“, sagte Jose Diaz, der Steuermann.

      „Sicher. Wenn diese Kerle in einer Stunde nicht zurück sind …“

      „In einer Stunde ist es dunkel, Capitan!


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