Seewölfe - Piraten der Weltmeere 129. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 129 - Roy Palmer


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es bislang nicht mehr gegeben, und so hatten der Seewolf und seine Crew allen Grund, im handiger werdenden Wind anzunehmen, daß sie den Süden des Schwarzen Kontinents und das Kap der Guten Hoffnung ohne Verzögerungen erreichten.

      Die Deckswache hatten in dieser Nacht Jeff Bowie, Bob Grey, Luke Morgan und der Kutscher. Dank des regelmäßig durchgeführten Rollenexerzierens genügten diese vier Männer, um das Schiff durch die Dunkelheit zu manövrieren, sofern der Wind nicht umkippte und das Wetter nicht schlechter wurde.

      Jeff Bowie war in den Großmars aufgeentert. Bob Grey und Luke Morgan standen an den Schoten und Brassen bereit, um immer wieder die Stellung der Segel zu korrigieren. Der Kutscher hatte das Ruderhaus aufgesucht und bediente das Ruderrad.

      Der Kutscher, eigentlich Koch, Feldscher und Bader an Bord der „Isabella“, war in der Lage, diese wie jede andere Tätigkeit auf der Dreimast-Galeone durchzuführen. Genauso alle anderen Mitglieder der Crew – es gab keinen, der im Bedarfsfall nicht sogar den Profos oder den Kapitän hätte spielen können.

      Der Kutscher widmete sich ganz seiner Aufgabe und bemerkte die Gestalt, die sich dem Ruderhaus näherte, erst ziemlich spät. Erstaunt blickte der Kutscher nach Steuerbord, aufs Quarterdeck, und schaute dann gleich wieder voraus.

      „Guten Abend, Sir“, sagte er.

      „Gehabt zu haben“, erwiderte der Seewolf. „Laß das Stundenglas noch einmal durchlaufen, Kutscher, und Mitternacht ist vorüber. Was wird uns der Morgen wohl bieten?“

      „Ich finde, du hast keinen Grund, dir Sorgen zu bereiten“, entgegnete der Kutscher. „Was soll uns im Moment wohl passieren – außer vielleicht einem handigen Sturm, den wir in aller Frühe des neuen Tages auf die Mütze kriegen?“

      Hasard trat lächelnd in das Ruderhaus. „Nein, nein, ich bin in keiner Weise beunruhigt. Ich frage mich nur, ob wir wohl bald die Küste erreicht haben. Ich habe über das nachgedacht, was wir am Nachmittag besprochen haben. Es ist besser, wenn wir unsere Proviantbestände jetzt aufbessern.“

      „Vor allen Dingen brauchen wir frisches Fleisch“, sagte der Kutscher, ohne den Blick vom in die Nacht ragenden Bugspriet der „Isabella“, zu nehmen. „Einen Teil würden wir in den nächsten Tagen verspeisen, den Rest würde ich einpökeln. Es ist nicht mehr so heiß, daß uns alles sofort verderben würde, und die Männer brauchen abwechslungsreiche Nahrung.“

      „Sehr richtig. Skorbut und andere Mangelerscheinungen wird es an Bord dieses Schiffes nicht geben, solange ich der Kapitän bin“, sagte Hasard. „Das geht auf Kosten der Schnelligkeit, aber ich habe lieber eine gesunde Crew an Deck stehen, ohne Verluste, als die zweifelhafte Genugtuung vor Augen, eventuell einen neuen Rekord im Weltumsegeln aufzustellen.“

      Der Kutscher lachte auf. „Ist denn das überhaupt jemals berechnet worden?“

      „Vielleicht treffen wir irgendwann Francis Drake wieder. Er wird uns sagen können, wieviel Zeit er dafür gebraucht hat, und wir können dann einen Vergleich anstellen.“

      „Ja, Sir.“

      „Also, es steht fest, Kutscher, sobald wir Land sichten, laufen wir es auch an und halten nach jagdbarem Wild Ausschau. Ich glaube, es ist auch für die Männer mal eine Abwechslung, auf die Pirsch zu gehen.“

      „Ganz bestimmt“, entgegnete der Kutscher. „Ich werde deine Anordnung an Jeff, Bob und Luke weitergeben.“

      „Danke, das übernehme ich schon selbst.“ Hasard warf noch einen Blick auf die Karten, dann wandte er sich zum Gehen. „Danach lege ich mich noch für ein paar Stunden aufs Ohr.“

      „Aye, Sir. Gute Nacht.“

      „Guten Morgen, Kutscher.“

      Der Kutscher schielte zum Stundenglas, dessen Sand jetzt zu gut zwei Dritteln durchgelaufen war. Er grinste. „Richtig – guten Morgen, Sir. Wünsche noch einen angenehmen Tag.“

      2.

      Fast wäre Sarego einem der Hamiten vor die Klinge gelaufen. Dieser Kerl hatte die Hütte gerundet – offenbar in der Absicht, den Frauen und Kindern, die man ja in der Hütte hatte verschwinden sehen, den Rückzug abzuschneiden.

      Der Hamite schwang seinen Krummsäbel.

      Sarego hatte keine Zeit mehr, einen Pfeil zu benutzen, aber er hatte das Messer, das er dem getöteten Gegner vor der Hütte abgenommen hatte.

      Mit einer schwungvollen Bewegung seines rechten Arms beförderte er das Messer auf den Gegner zu. Die Klinge war ein matter Schlitz im Feuerschein, zuckte auf den Kerl zu und grub sich mitten in dessen Brust.

      Sarego sah den Kerl, der ein Gewand aus Stoff trug, stürzen. Er drehte sich um und winkte den Frauen zu, die die Hütte nur zögernd verließen.

      „Rasch“, zischte er ihnen zu. „Bei Mulungu, so lauft doch. Lauft, so schnell ihr könnt!“

      Sie kamen jetzt hurtiger zum Vorschein, Frauen und Kinder abwechselnd. Ohne den mit ausgebreiteten Armen und Beinen liegenden Toten eines Blickes zu würdigen, hasteten sie durch die Nacht, fort vom Kral, auf den rettenden Hügel zu.

      Sarego bereitete Pfeil und Bogen zum nächsten Schuß vor. Unausgesetzt blickte er nach rechts und links und achtete auch darauf, daß er den Rücken frei hatte.

      So sah er die beiden Dromedarreiter, die sich von Norden näherten, rechtzeitig. Die letzten Schützlinge hatten die Rundhütte immer noch nicht verlassen, das ganze Unternehmen dauerte viel zu lange. Es war abzusehen, daß die Hamiten die durch die Dunkelheit huschende Menschenschlange in ihrer Mitte unterbrechen und mit Klingen durchtrennen würden.

      Sarego lief. Er eilte an der Reihe der Hals über Kopf Dahinstürmenden entlang, sah wieder zu den Dromedarreitern und war selbst fast der Verzweiflung nahe. Nie, nie würde er sie alle retten können!

      Er blieb stehen, kauerte sich hin und spannte die Bogensehne, als wolle er sie zerreißen. Mit beinahe übermenschlicher Beherrschung nahm er sich die Zeit, auf das herantrampelnde Großtier und seinen Reiter zu zielen, die sich linker Hand befanden.

      Ein Dromedar sah plump und behäbig in seinen Bewegungen aus, und doch war es schnell, unheimlich schnell.

      Sarego schickte den Pfeil auf die Reise.

      Ganz knapp sirrte er über den Widerrist des Tieres weg und stieß den Reiter aus dem primitiven Sattel. Der Mann überschlug sich in einer Staubwolke auf dem Untergrund, die auch in der Nacht deutlich zu erkennen war.

      Sarego handhabte den nächsten Pfeil mit traumhafter Sicherheit und Schnelligkeit. Hinter seinem Rücken war das Hetzen, Flüstern und Wimmern der Bantufrauen und Kinder. Aus den Augenwinkeln verfolgte Sarego, wie das letzte Kind in der langen Schlange hinfiel, wie seine Mutter verhielt und sich bückte, das Kleine hochzerrte und das Kind wieder strauchelte.

      Sarego glaubte, den Verstand verlieren zu müssen.

      Das erste Dromedar war weit hinter dem zweiten zurückgeblieben, ohne Reiter hatte es keinen Anlaß mehr, im Galopp durch die Nacht zu toben. Der zweite Hamite hoch auf dem Höcker seines Tieres änderte etwas die Richtung, zog weiter nach rechts, um nicht den Anschluß an die Gruppe der Flüchtenden zu verlieren und um sich gleichzeitig aus dem Einflußbereich des Präzisionsschützen Sarego zu bringen.

      Sarego schoß.

      Er schloß die Augen, betete zu seinem Gott, öffnete wieder die Lider und sah, daß er das Dromedar getroffen hatte. In der Schulter steckte der Pfeil, und es war nicht einmal gesagt, daß es an diesem Treffer zugrunde gehen würde. Dennoch, die Schockwirkung war vollkommen. Das Dromedar knickte in den Vorderläufen ein, katapultierte seinen Herrn aus dem Sattel und streckte sich dann ganz auf dem staubigen Boden aus.

      Der Hamite stürzte schwer, rappelte sich aber doch wieder auf und taumelte auf die Frauen und Kinder zu.

      Sarego rannte zu ihm hinüber. Er hatte keine Pfeile mehr, warf den nutzlos gewordenen Bogen weg und zückte seinen Beutesäbel. Mit dieser


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