Seewölfe - Piraten der Weltmeere 249. Davis J.Harbord

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 249 - Davis J.Harbord


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Sache, wie?“

      Dieses Mal schwiegen sie. Nur ihre Lippen wurden schmaler.

      „Hier an Bord wird nicht gelogen“, fuhr Vater Hasard fort, „hier an Bord wird auch kein Theater gespielt. Und wer meint, den Profos Edwin Carberry mit Dattelkernen bespucken zu können, dem bringe ich bei, was ich unter Respekt verstehe.“ Hasards scharfgeschnittenes Gesicht war unbewegt. „Wie viele Hiebe dürfen es sein?“

      „Zehn“, sagte Hasard junior mit zusammengebissenen Zähnen.

      „Elf“, sagte Philip, nicht weniger verbissen.

      „Gut, elf“, erklärte Hasard junior.

      „Die Neunschwänzige, Mister Carberry!“ befahl Hasard.

      „Sir …“ Unter Hasards eisigem Blick verstummte der Profos. Er drehte sich um und ging unter Deck.

      Die beiden Jungen schauten zu ihrem Vater auf. Der sagte: „Ich bin stärker als ihr – gut. Es gibt Lügen und Lügen. Die eine Lüge benutze ich, um das Leben eines anderen zu retten. Das ist in Ordnung. Die andere Lüge benutze ich, um mich einer Bestrafung zu entziehen. Das ist nicht in Ordnung.“

      „Verstanden“, sagte Hasard junior.

      „Verstanden“, sagte Philip junior.

      „Zieht eure Hemden aus!“

      Sie taten es, ohne mit der Wimper zu zucken. Und sie zuckten auch nicht, als sie ihre elf Hiebe mit der Neunschwänzigen erhielten. Allenfalls wurden ihre Handknöchel weiß, als sie mit ihren Händen die Wanten des Fockmastes auf der Steuerbordseite umklammerten.

      Da war viel zuviel Stolz. Da war auch Härte. Und da war letztlich die Erkenntnis, gemogelt und dafür eine gerechte Strafe empfangen zu haben.

      Es durfte keine Lügen geben.

      Sie sahen nicht, daß Philip Hasard Killigrew in der Kapitänskammer mit beiden Händen die Bibel umfaßte – mit den gleichen weißen Handknöcheln – und betete: Herr im Himmel, laß mich das nie wieder tun – und verzeih mir, daß ich es tat.

      Nein, das sahen sie nicht. Und so sahen sie auch nicht den Schmerz in den Augen ihres Vaters.

      Der Profos hatte sie zur Kombüse geschleppt und salbte ihnen eigenhändig die Rücken ein. Die Salbe hatte ihm der Kutscher gegeben – statt des sonst üblichen Salzwassers, das Delinquenten über den Rücken gegossen wurde, nachdem sie mit der Neunschwänzigen Bekanntschaft geschlossen hatten.

      Nein, von Nilwasser hielt Ed Carberry gar nichts, und darum hatte er vom Kutscher die Salbe verlangt. Und als er die beiden Knaben einsalbte, geriet er ins Erzählen. Die beiden Knaben lauschten.

      Und so erfuhren sie, was damals im Oktober 1576 an Bord der „Marygold“ des Kapitäns Francis Drake passiert war, als der junge Philip Hasard Killigrew dem Profos Edwin Carberry die Jacke vollgehauen hatte. Und wie!

      „Hier!“ sagte Ed Carberry, riß den Mund auf, der wie eine Bärenfalle wirkte, und deutete mit dem Daumen auf zwei Zahnlücken in seinem sonst prächtigen Gebiß. „Da hat er mir zweimal die Faust aufs Maul gesetzt, und ich hab zwei Beißerchen ausgespuckt.“

      „Oi!“ sagte Hasard junior andächtig staunend. „Und dann?“

      „Dann?“ Der Profos lächelte grimmig. „Dann rammte er mir das Knie unters Kinn, und ich mußte mich an der Nagelbank festhalten, weil meine Beinchen so weich wie heißes Wachs waren. Ich glaub, ich hab gar nicht gut ausgesehen – ein Profos, der innerhalb von einer knappen Minute von einem Vordecksmann auseinandergenommen wird …“ Carberry schüttelte den mächtigen Schädel. „Ich dachte, ich sei in einen Orkan geraten. Euer Onkel war dabei – Dan O’Flynn, damals das Bürschchen genannt. Mann, hatte der eine Klappe. Beide waren ja auf die ‚Marygold‘ gepreßt worden. Diese O’Flynns-Wanze bot mir an, mir noch ein paar Zähne einzuschlagen.“

      „Und weiter?“ fragte Philip junior gespannt, während der Profos die Salbe auf seinem Rücken verteilte.

      „Hm“, brummelte Carberry, „ich hatte eine solche Wut, daß ich euren Vater am liebsten an der Rah aufgeknüpft hätte. Aber dann entschied Kapitän Drake, daß er dreißig Hiebe mit der Neunschwänzigen kriegen sollte. Der Witz war nur, daß euer Vater sowieso die Absicht gehabt hatte, bei Drake anzuheuern. Er hatte ja nicht gewußt, daß es ein Preßkommando der ‚Marygold‘ gewesen war, das ihn vor Plymsons Kneipe in Plymouth nach einer wüsten Schlacht zusammengeschlagen hatte.“ Carberry grinste vor sich hin. „Als euer Vater das aber erfuhr, hat er sich halb totgelacht. Man muß sich das mal vorstellen. Er hatte freiwillig bei Drake anheuern wollen, war dazu aber gepreßt worden. Dann war er auf mich losgegangen und hatte mich auf die Hörner genommen.“

      „Meuterei“, stellte Hasard junior sachkundig fest.

      „Genau.“ Carberry nickte. „Aber Kapitän Drake revidierte das Urteil. Statt der dreißig Hiebe empfing euer Vater nur fünf – als Lektion, wie sich der Kapitän ausdrückte, daß ein Mann sein Ziel gerade und nicht auf Umwegen ansteuern solle. Na, und die fünf Hiebe nahm euer Vater hin, als sei das gar nichts, obwohl der Kerl, der sie ihm mit der Neunschwänzigen verpaßte, wie ein Irrer zuschlug. Gordon Brown hieß dieser Mistfink. Der Kerl bestand nur aus Dreck, innen und außen. Euer Vater entlarvte ihn. Brown steckte mit einem Spanier unter einer Decke. Ihr Ziel war, Kapitän Drake zu ermorden. Dafür endete Brown an der Rah.“

      „Dann hat Dad Kapitän Drake das Leben gerettet?“ fragte Philip junior.

      „So ist es.“

      „Aber warum sind sie sich dann so spinnefeind?“ wollte Hasard junior wissen.

      „Das ist wieder eine andere Geschichte“, brummte Ed Carberry. „Die erzähle ich euch ein anderes Mal. Hat die Salbe gut getan?“

      „Aye, Sir“, sagten die beiden Junioren. Und Hasard junior fügte hinzu: „Das mit den Dattelkernen tut uns leid, Mister Carberry, Sir.“

      „Auch daß wir dich angeflunkert haben, Sir“, sagte Philip junior.

      „Schon gut“, murmelte der Profos fast ein wenig verlegen.

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