Seewölfe - Piraten der Weltmeere 507. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 507 - Roy Palmer


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des Don Alfonso Cortés y Menacha über sich ergehen. Dann suchte er seinen Kommandanten auf. Don Alfonso schlich indes zu einer der Schießscharten und vollbrachte die Heldentat auf die Plaza zu spähen.

      „Da ist keiner mehr“, sagte er verdutzt. „Sie sind alle verschwunden.“

      „Das haben wir auch schon festgestellt“, entgegnete der ältere Sargento ruhig. „Aber die große Frage ist, aus welchem Grund sich die Kerle zurückgezogen haben.“

      Während der Magistratsbeamte die Zivilisten über die Neuigkeiten unterrichtete und mit ihnen darüber diskutierte, was wohl vorgefallen sein mochte, setzte Echeverria Don Luis Marcelo die neue Situation auseinander.

      Zusammenfassend sagte er zum Schluß: „Alles deutet, vorbehaltlich einer möglichen Falle, darauf hin, daß die Strolche aus unbekannten Gründen die Belagerung aufgegeben haben.“

      Marcelo überlegte nicht lange.

      „Gut“, erwiderte er. „Wir werden herausfinden, warum das so ist. Schicken Sie sofort einen Stoßtrupp los. Er soll die Lage erkunden. Wählen Sie die Männer selbst aus.“

      „Ich schlage den Teniente Denaro als Führer des Trupps vor, Capitán“, sagte Echeverria.

      „Einverstanden“, entgegnete Marcelo. „Ein guter, gewissenhafter Mann. Auch ich halte ihn für geeignet, das Unternehmen zu führen. Wegtreten.“

      Echeverria salutierte und verließ den Krankenraum. Sofort begab er sich wieder zu seinen Männern. Nach allem Dafürhalten war Marcelos Entscheidung richtig. Die Eingeschlossenen mußten wissen, was draußen vorging. Dies festzustellen, gab es nur einen Weg – nachschauen. Sollte der Stoßtrupp angegriffen werden, mußten die Soldaten hinter der Wehrmauer und auf den Wehrtürmen ihnen Feuerschutz geben, auch wenn dabei die letzten Kugeln und das letzte Pulver drauf gingen.

       2.

      Unbehelligt schlich zur selben Stunde eine zerlumpte Gestalt durch die Stadt – Jussuf in der Verkleidung des gammligen Streuners José. Er hatte keine Beobachter zu fürchten. Der Mob war verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben. Nur am Stadtgefängnis hatte Jussuf aufpassen müssen. Von dort aus wurde geschossen. Wer die Nase zu weit vorstreckte, kriegte eine Kugel verpaßt.

      Cámpora, der Gefängnisdirektor, war eben ein knarscher Kerl. Wie hart und kompromißlos er durchgriff, hatte er gerade wieder bewiesen. Zwei Tote baumelten an der hohen Pinie, die vor dem Gefängnis ihre mächtigen Äste ausstreckte: Alonzo de Escobedo und Gonzalo Bastida. Die beiden Rädelsführer hatten ihre letzten Schandtaten vollbracht. Niemals hätten sie damit gerechnet, daß ihnen irgend jemand in den Rücken fiel. Das war ihr Fehler gewesen.

      Jean Ribault und der Trupp des Bundes der Korsaren von den Schiffen „Isabella“, „Golden Hen“ und „Le Griffon“ hatten als erstes in der Hafenkaschemme aufgeräumt. Danach hatten sie sich de Escobedo geholt, der sein Hauptquartier an der Plaza der Residenz aufgeschlagen hatte. Schließlich hatten sie die beiden Kerle an Cámpora übergeben, der seinerseits nicht lange gefackelt hatte.

      Cámpora hatte de Escobedo und Bastida nach dem Standrecht abgeurteilt. Tod durch Erhängen. Das Urteil war unverzüglich vollstreckt worden. Jetzt hingen die Kerle dort am Strick – als Abschreckung und Mahnung für alle, deren Weg am Gefängnis vorbeiführte.

      Daß es de Escobedo und den Dicken erwischt hatte, mußte sich herumgesprochen haben. Die Gassen des Hafenviertels waren wie leergefegt. Rette sich, wer kann – die Ratten verließen das sinkende Schiff. Es war keiner mehr da, der sie führte und befehligte. So handelten sie wieder nach der alten Schnapphahndevise: zusammenraffen, was es zu raffen gibt, und abhauen.

      Als Jussuf nach seiner Morgenrunde in die Faktorei zurückkehrte, war es heller Tag. Isabella servierte ihm ein heißes Getränk. Arne von Manteuffel und Jörgen Bruhn, die ein wenig geruht hatten, erschienen ebenfalls und ließen sich bei Jussuf am Tisch nieder.

      „Na, du Nachtschwärmer“, sagte Arne lächelnd. „Nun erzähle mal.“

      „Es scheint alles vorzüglich zu klappen“, begann Jussuf. „Überall herrscht Ruhe. Die Galgenstricke sind weg. Sie scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben. Oder der Scheitan hat sie gefressen.“

      „Schön wär’s“, sagte Jörgen. „Wie sieht es denn an der Plaza aus?“

      „Nichts rührt sich.“

      „Und die Leute in der Residenz?“ fragte Isabella.

      „Die scheinen sich mit Entscheidungen sehr schwer zu tun“, erwiderte Jussuf seufzend. „Jedenfalls haben sie bis jetzt nichts unternommen. Na, was nicht ist, kann ja noch werden.“

      „Das meine ich auch“, sagte Arne. „Vielleicht ergreift ja auch José Cámpora, der Gefängnisdirektor, als erster die Initiative.“

      Jussuf leerte schlürfend seine Tasse. Er verdrehte ein wenig die Augen und erklärte: „Es ist ein feiner Anblick, die beiden Halunken da hängen zu sehen. Ich finde, sie baumeln ganz hervorragend an der Pinie, und es dürfte sich empfehlen, sie noch eine ganze Weile dort hängen zu lassen.“

      „Wie grausam du sprichst“, sagte Isabella.

      „Ich habe meine Gründe dafür“, entgegnete Jussuf ernst. „Was diese beiden Kerle angerichtet haben, läßt sich mit Worten kaum beschreiben. Sie haben noch Glück gehabt, daß man sie gleich aufgehängt und nicht noch gepiesackt hat.“

      „Wir haben jedenfalls unsere Pflicht und Schuldigkeit getan“, sagte Arne. „Den Rest überlassen wir jetzt unseren lieben Freunden, den Dons. Irgendwas werden sie sich schon einfallen lassen.“

      „Was ist denn aus deinen neuen Freunden geworden?“ fragte Jörgen beiläufig.

      „Ach“, erwiderte Jussuf. „Die sind weg.“

      „Die beiden Diebe und die beiden Mädchen?“ erkundigte sich Isabella.

      „Richtig“, sagte Jussuf. „Sie haben ja von Anfang an vorgehabt, Havanna den Rücken zu kehren. Cuchillo hatte sie gezwungen, zu bleiben. Aber an den Gewalttaten sind sie nicht beteiligt gewesen, das kann ich bezeugen. Osvaldo und El Sordo sind ehrliche Diebe. Juanita hat Haare auf den Zähnen, aber im Grunde ihres Herzens ist sie auch kein schlechter Mensch. Und diese Maria, das Mädchen – na, sie ist natürlich froh, daß sie ihrem Dienstherrn Don Felipe entwischt ist.“

      „Don Felipe wer?“ fragte Isabella.

      „Don Felipe Ravena.“

      „Ein wohlhabender Kaufmann“, sagte Arne. „Sein Haus steht am Rand der Stadt.“

      „So ist es“, versetzte Jussuf grimmig. „Und dort hatte er das arme Kind in eine Art Käfig im Keller gesperrt.“

      „Warum denn?“ stieß Isabella entsetzt hervor.

      „Sie wollte ihm nicht zu Willen sein“, entgegnete Jussuf. Er räusperte sich verlegen. „Mehr kann ich darüber nicht sagen.“

      „Da gibt’s nichts zu vertuschen“, sagte Jörgen. „Wir haben schon begriffen. Don Felipe wollte sich an dem Mädchen vergreifen. Dagegen hat sie sich gewehrt. Zur Belohnung hat er sie gepeinigt.“

      „So ist die Welt“, sagte Jussuf düster. „Grausam und herzlos. Aber Allah wird dafür sorgen, daß dieser Lumpenhund seine gerechte Strafe empfängt. Er ist jetzt in der Residenz. Ich wünsche ihm, daß er über einen Stein stolpert und sich auf dem Pflaster das Genick bricht.“

      „Von der Sorte gibt es viele“, sagte Jörgen.

      „Eben“, sagte Isabella aufgebracht. „Sie haben keine Achtung vor dem weiblichen Geschlecht. Sie würden unsereins am liebsten wie Sklavinnen halten.“

      „Es müßte so manches geändert werden in Havanna“, sagte Arne. „Aber warten wir ab, wie sich die Lage jetzt entwickelt. Von José Cámpora werden wir sicherlich noch hören. Vielleicht auch


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