Seewölfe - Piraten der Weltmeere 272. Davis J. Harbord

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 272 - Davis J. Harbord


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hatte alles vor zwei Jahren angefangen. Seitdem kochte und brodelte es bei den Fischern an der Küste um Cadiz, während der Colonel immer dicker und feister wurde und sich bereits einen prunkvollen Palast an der Atlantikseite unterhalb der Festung von San Sebastian hatte errichten lassen.

      Nein, diese sieben Fischer hatten allerdings nicht den geringsten Grund, die Engländer ans Messer zu liefern. Es war hier wie überall, wo die Seewölfe bereits gewesen waren: es gab Arme und Reiche, und die Reichen mißbrauchten die Macht, die sie mittels ihres Geldes errichteten. Sicher, die Fischer waren geradlinige Menschen, die sich ihr Brot hart genug – und unter stetiger Lebensgefahr – auf See verdienten. Aber einer Macht, wie sie dieser Colonel zu verkörpern schien, waren sie nahezu hilflos ausgeliefert.

      Wieder einmal mehr begriff Hasard, wie schnell es gewisse Schlitzohren schafften, ehrliche und anständige Menschen unter ihre Fuchtel zu zwingen.

      Eigentlich konnte er von Glück sprechen, diese Männer aus der kochenden See gefischt zu haben. Denn so erfuhr er, was zur Zeit in Cadiz los war. Gewiß, er hatte nicht die Absicht gehabt, Cadiz unmittelbar anzulaufen. Dazu war er viel zu vorsichtig. Aber jetzt ergab sich für ihn die Möglichkeit, die spanischen Fischer nach Puerto de Santa Maria zu bringen, ihre Gastfreundschaft, die sie ihm angeboten hatten, wahrzunehmen und sich von dort aus gleichzeitig nach einer Passage Richtung England zu erkundigen.

      Denn eins hatten sie, bitter genug, erfahren müssen: ihre Tartane war hervorragend fürs Mittelmeer geeignet, aber für den Atlantik war sie nahezu lebensgefährlich. Sie war zu rank. Und nur mit Sturmbesegelung nach England zu kriechen, stets in sicherer Sichtweite der jeweiligen Küsten von Portugal und Frankreich, das lag den Arwenacks nicht.

      So hatte Hasard Cadiz als „Absprunghafen“ für England vorgesehen und geplant, sich dort im Hafen ein bißchen umzuhören. Einen Freund hatten sie dort: Pedro de Castro, einen anständigen, aufrechten Mann, der am Hafen ein Handelshaus führte und damals, 1580, den Seewölfen half, ihren Kapitän vor der Exekution zu befreien. Maßgeblich auch hatte de Castro Anteil an Hasards Erforschung nach seiner Vergangenheit gehabt.

      Natürlich war fraglich, ob der Kaufmann noch lebte. In den vergangenen zwölf Jahren konnte viel passiert sein.

      Aufmerksam hatte Hasard, während sie Cadiz ansteuerten, dem Bericht des alten Fischers gelauscht, der der Kapitän des Zweimasters gewesen war.

      Miguel Morella hieß er, ein verwitterter, granitharter alter Knochen mit einer von mehr als hundert Falten und Fältchen durchzogenen, mahagonifarbenen Gesichtshaut, scharfen grauen Augen und vollem schneeweißem Haar. Vier Söhne fuhren bei ihm mit an Bord, Miguel junior, der Älteste, Pedro, Juan und Enrico. Und da waren noch zwei Schwäger dieser Söhne: Manuel Guas und Carlos Villa. Das waren alle prächtige Burschen, die das Herz auf dem rechten Fleck hatten. Die vier Söhne hatten die gleichen grauen Augen wie der Vater. Der jüngste, Enrico, war knapp achtzehn Jahre alt und der „Moses“ der Morella-Crew. Der Spaßvogel unter den sieben Fischern war Manuel Guas, der die jüngste Tochter des alten Morella geheiratet hatte. Carlos Villa hingegen, ebenfalls mit einer Tochter Morellas verheiratet, war ernst und schweigsam, ein Mann wie ein Bär.

      Das war also so eine Art Familienunternehmen, wie Hasard klar wurde, das seine Leute nicht gut, aber auch nicht schlecht ernährt hatte. Sie hatten ihr Auskommen gehabt. Seit jedoch vor zwei Jahren der Colonel die Naturaliensteuer erhoben hatte, war bei den Morellas und den beiden Schwagerfamilien Schmalhans Küchenmeister.

      Und jetzt hatten sie ihr Schiff verloren – ihr Schiff, ihre Netze, ihre Ausrüstung und den Fang, denn sie waren bereits eine Woche in See gewesen und hatten ihre Bünn brechend voll mit Fisch gehabt, als der Sturm losgebrochen war.

      Mit dem Verlust ihres Schiffes war ihnen ihre Existenzgrundlage entzogen. Sie standen buchstäblich vor dem Nichts.

      Hasard hatte da schon eine Idee, wie ihnen zu helfen war, aber er behielt sie noch für sich.

      Und dann empfing er einen Vorgeschmack dessen, womit die Fischer konfrontiert wurden, wenn sie mit ihrer Fischbeute von See heimkehrten.

      Von den Anlegern des Küstenforts Santa Catalina, das sie an Backbord passieren würden, wenn sie in die Mündung des Guadalete einliefen, löste sich ein Wachboot und hielt auf sie zu.

      Das wettergegerbte Gesicht des alten Morella wurde noch kantiger und härter, als er das Boot sichtete.

      „Die lassen aber auch keinen aus“, sagte er grimmig.

      Hasard sah ihn fragend an.

      „Die Büttel des Colonel“, erklärte Miguel Morella erbittert. „Immer wenn wir vom Fang zurückkehren, werden wir von diesem verdammten Kahn sofort kontrolliert und um die Hälfte unseres Fanges erleichtert. Auf diese Weise können wir nichts beiseite schaffen.“

      Hasard lächelte leicht. „Warum landen Sie Ihren Fang nicht ein paar Meilen nördlich von Cadiz irgendwo in einer abgelegenen Bucht und transportieren die Beute heimlich auf dem Landweg hierher – oder dorthin, wo sie Ihnen abgekauft wird?“

      Der Alte starrte Hasard an und hatte den Mund offen.

      Sein ältester Sohn Miguel stieß ihn an und platzte heraus: „Mann, Vater! Warum haben wir nicht diese Idee gehabt? Da kuschen wir seit zwei Jahren, aber niemandem ist diese Möglichkeit eingefallen.“

      „Aber das wäre Betrug“, erklärte der Alte.

      Sein Ältester spuckte über Bord. „Betrug an wem? An dem feisten Schwein von Colonel, den wir mit unserer Hälfte noch mehr mästen?“ Er lachte bitter. „Hat man uns je gefragt, wie es uns geht? Ob wir unsere Familien satt kriegen? Ob wir diese verdammte Fischsteuer überhaupt beibringen können, ohne vor die Hunde zu gehen? Nein, hat man nicht. Wir werden betrogen – um den Lohn unserer Arbeit. Wir hätten längst tun sollen, was Señor Killigrew vorgeschlagen hat. Aber bei uns denkt ja keiner nach. Wir fallen in die Knie, sobald das Schwein von Colonel eine Forderung stellt …“

      „… und wer das Maul aufreißt, verschwindet in der Festung“, unterbrach ihn der Alte wütend. „Bringt das vielleicht was ein, he?“

      „Ruhe“, mahnte Hasard, bevor es zwischen dem Alten und seinem Sohn zu hitzig wurde. „Und bitte, Señores: Ich bin Capitán Valdez aus Valencia, der zum Weinkauf nach Cadiz gesegelt ist. Es darf nicht bekannt werden, daß wir Engländer sind.“

      „Sie können sich auf uns verlassen“, sagte der Alte. „Keiner von uns wird Sie und Ihre Männer verraten, Señor Capitán.“

      In diesem Augenblick wurden sie auch schon aufgefordert, beizudrehen und die Segel aufzugeien. Hasard zuckte mit den Schultern, ging in den Wind und ließ die Segel aufgeilen. Kurz darauf schor das Wachboot an Backbord längsseits, vertäute an der Tartane ohne viel Federlesens, und ein Teniente sowie ein Corporal turnten über das Schanzkleid auf das Deck.

      Der Teniente sah sich um und ging auf Hasard zu.

      „Sie sind der Capitán?“ Seine Stimme klang ziemlich arrogant, Hasard erinnerte sie an den Schnösel de Rotta. Diese jungen spanischen Tenientes schienen sich allesamt für den Nabel der Welt zu halten. Dieser hier hatte ein nichtssagendes Gesicht, was durch den blasierten Ausdruck noch unterstrichen wurde. Er war einen Kopf kleiner als Hasard und mußte zu ihm aufschauen.

      Hasard bedeutete mit einem lässigen Nicken, daß er der Capitán der Tartane sei.

      „Name?“ fuhr ihn der Teniente an.

      Hasard verschränkte die Arme vor der Brust, schwieg und musterte den Teniente nachdenklich.

      Der wurde etwas unsicher, dann rot und schnarrte: „Ich habe Sie etwas gefragt, Mann!“

      „Und ich warte darauf, daß Sie sich vorstellen“, sagte Hasard kühl. „Schließlich befinden Sie sich an Bord meines Schiffes, das Sie ungefragt betreten haben. Üblicherweise bittet man darum, an Bord kommen zu dürfen – was Sie offenbar nicht für nötig halten. Und nach den allgemeinen Regeln des Anstands stellt man sich vor. Ich schätze zudem, daß Sie um mindestens fünfzehn Jahre jünger sind als ich. Damit wäre wohl die Frage geklärt, wer sich zuerst vorzustellen


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