Seewölfe - Piraten der Weltmeere 446. Burt Frederick

Читать онлайн книгу.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 446 - Burt Frederick


Скачать книгу

      „Man konnte es kaum mit ansehen, wie die armen Geschöpfe am Pranger mißhandelt wurden“, sagte er. „Es war schon fast so etwas wie eine Pflicht, die armen Kerle zu befreien.“

      „Für die Dons mehr als ein Piekser mit der Nadel“, sagte Big Old Shane mit grimmiger Genugtuung. „Daß sie in ihrem verdammten Silberberg in Potosi nicht genug Arbeitskräfte haben, wissen wir ja. Sonst hätten sie nicht den Hundesohn Carrero auf Sklavenfang losgeschickt.“

      „Und sie hätten sich erdreistet, auch noch gegen die Padres im Tacna-Tal vorzugehen“, sagte Ben Brighton. „In Europa würde uns das kein Mensch glauben, daß sich die Spanier in der Neuen Welt an Mönchen vergreifen, um sie in ihren Minen schuften zu lassen.“ Er räusperte sich und blickte in die Runde. „Noch irgendwelche Fragen zu diesem Teil der Erkundung?“

      Jan Ranse meldete sich zu Wort.

      „War schon eine feine Sache“, sagte er dröhnend. „Aber ich denke, das reicht noch nicht. Damit sind wir doch wohl nicht zufrieden, oder? Jetzt sollten wir den Dons in ihrem verlausten Hafen erst richtig die Jacke voll hauen.“

      „Dabei bleibt es auch“, entgegnete Ben Brighton und nickte. Er sah Le Testu fragend an. „Wie steht es also mit den weiteren Maßnahmen?“

      „Das sollte Monsieur Conroy erklären“, erwiderte der Hugenotte. „Er ist der Fachmann.“

      Ben gab ihm einen Wink, und der schwarzhaarige Stückmeister legte mit einer Schilderung los, die seine Zuhörer in blankes Erstaunen versetzt hätte, wenn ihnen sein unübertroffenes Erinnerungsvermögen und seine Liebe zum Detail nicht geläufig gewesen wären.

      Für jene, die Arica noch nicht gesehen hatten, entwarf Al Conroy mit seiner Schilderung ein so plastisches Bild, daß sie sich jede Einzelheit genau vorstellen konnten. Im Mittelpunkt dieses Bildes stand der Pulverturm auf der Landzunge am Südende des Hafens von Arica.

      „Das wird eine höllisch harte Nuß“, sagte Big Old Shane, nachdem der Stückmeister geendet hatte. „Aber daran, daß wir diesen Turm in die Luft jagen, führt kein Weg vorbei.“

      „Gar keine Frage“, sagte Ben Brighton. „Oder ist jemand anderer Meinung?“ Er sah die Männer an und wartete auf eine Äußerung, doch da gab es keine Widerrede. Ben nickte zufrieden und fuhr fort: „Also ein einstimmiger Beschluß. Wie ihr wißt, hat Hasard vor, die Schiffe im Hafen von Arica zusammenzuschießen, bevor wir endgültig abziehen. Damit wollen wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens schalten wir gleich auf Anhieb mögliche Verfolger aus. Und zweitens mindern wir den Schiffsraum, den die Spanier auf der Pazifikseite der Neuen Welt zur Verfügung haben.“

      Die Männer murmelten Zustimmendes. In ihren Augen begann das verwegene Feuer zu glimmen, das ihren Mut und ihre Entschlossenheit widerspiegelte. Ja, sie waren versessen darauf, den Menschenschindern und Ausbeutern eine empfindliche Schlappe zuzufügen, bevor sie wieder zur Schlangen-Insel zurückkehrten.

      „Keine Schiffe – keine Schatztransporte nach Panama“, sagte Jan Ranse strahlend. „Was Besseres könnte uns gar nicht gelingen!“

      „Eben drum“, sagte Ferris Tucker. „Wenn wir die Schiffe zu Klump schießen wollen, ist uns das Befestigungswerk der Dons im Wege. Hübsch mit Kanonen gespickt ist die ganze Anlage, und oben auf dem Pulverturm haben sie jede Menge Drehbassen. Wenn die Dons uns damit unter Feuer nehmen, haben wir nichts mehr zu lachen.“

      „Ist doch klar“, sagte Batuti. „Den Pulverturm blasen wir um. Das haben wir beschlossen. Also was redest du noch herum, Mister Tucker?“

      „Wollte das nur noch mal richtig verklaren“, brummte der Schiffszimmermann.

      „Vor allen Dingen wird das bestimmt kein Spaziergang“, fügte Al Conroy hinzu. „Da marschieren wir dem Gehörnten direkt vor den Schürhaken, wenn wir Pech haben.“

      „Wie ist das mit der Mauer?“ fragte Ben Brighton. „Führt die um das ganze Befestigungswerk?“

      „Rundherum“, erwiderte der Stückmeister. „Ursprünglich war die Landzunge ja mit dem Ufer verbunden. Die Dons haben aber einen Graben herausgehauen und eine Zugbrücke gebaut. Das ist auch der einzige Zugang zur Anlage. Nachts wird die Brücke hochgezogen. Das Ganze sieht dann aus wie eine richtige Wasserburg. Und mittendrin steht unser Pulverturm. Ja, Flügel müßte man haben, dann wäre alles kein Problem.“

      „He, da fällt mir was ein!“ rief Smoky mit aufleuchtenden Augen. „Das wäre eine Aufgabe für unseren Papagei- und Hühnerfachmann. Wenn wir schon mal in der Gegend sind, könnte der gute alte Ed die Gelegenheit nutzen und einen kleinen Kondor fangen. Den nimmt er an seine Mutterbrust, päppelt ihn auf und dressiert ihn für den Transport von Flaschenbomben. Wäre das nichts, was, wie?“ Er blickte seine Gefährten an, einen nach dem anderen, doch seine Begeisterung wollte nicht recht überspringen.

      „Zur Zeit wird unser Profos in Potosi andere Sorgen haben, als an Viehzeug zu denken“, sagte Ben Brighton. Womit er sich gründlich irrte, denn er konnte natürlich nicht wissen, daß Ed Carberry mittlerweile mit dem Maulesel Diego ein vierbeiniger Freund ans Herz gewachsen war.

      „Bleiben wir mal auf dem Boden der Tatsachen“, sagte Big Old Shane. „Wenn wir den Pulverturm knacken wollen, müssen wir in die Befestigung rein. Da gibt’s keine andere Lösung.“

      Gustave Le Testu meldete sich erneut zu Wort, indem er die Hand hob und sich vernehmlich räusperte. Ben gab ihm ein zustimmendes Handzeichen.

      „Wenn es diese verdammte Zugbrücke nicht gäbe“, sagte der Hugenotte, „dann hätten wir es uns schon überlegt, ob wir mit der Befreiung der Indios in einem Zug nicht auch den Turm abräumen. Denn ohne die Zugbrücke könnte man sich ja von Land her an die Befestigung heranschleichen. Auf der Landzunge gibt es unterhalb der Mauer schließlich jede Menge Felsbrocken, die man als Deckung ausnutzen kann.“

      „Das ist auf jeden Fall ein Vorteil“, entgegnete Ben Brighton. „Uns bleibt so oder so nur die Möglichkeit, von See her mit einer Jolle zur Festung vorzudringen – und zwar bei völliger Dunkelheit. Dann heißt es eben, ungesehen über die Wehrmauer zu klettern und an den Pulverturm zu gelangen. Was hältst du davon, Al?“ Er wandte sich dem Stückmeister zu.

      „Immer noch riskant genug“, sagte Al Conroy. „Auf der Turmplattform stehen nämlich Posten, und zwar die ganze Nacht über, da bin ich völlig sicher. Auf der Plattform haben sie Drehbassen, wie gesagt, und hinter den Mauerzinnen Kanonen verschiedenen Kalibers. Ein paar schwere Brummer sind dabei, wohl gleichzeitig mit für die Verteidigung der Hafenbucht gedacht.“

      „Gibt es eine Verbindung zwischen Pulverturmplattform und den Geschützen der Festungsmauer?“ fragte Ben Brighton.

      Al Conroy schüttelte den Kopf.

      „Nichts dergleichen. Wir haben uns den Bau von allen Seiten angesehen. Das wäre uns aufgefallen.“

      „Gut“, sagte Ben und nickte. „Ferris und Al, ihr zeichnet uns das Ganze auf, und dann überlegen wir, wie wir am besten vorgehen.“

      Die Zwillinge liefen bereits los, um Papier und Feder zu holen. Wenige Minuten später waren Ferris Tucker und Al Conroy auf den flanken des Achterdecks damit beschäftigt, eine Skizze vom Befestigungswerk in Arica zu entwerfen. Ben Brighton und die anderen blickten ihnen dabei über die Schultern.

      Schon bald darauf, noch bevor sie die Zeichnung vollendet hatten, war sich der Erste Offizier darüber im klaren, wo bei dem Unternehmen der wunde Punkt lag.

      „Die kritische Phase ist das Annähern mit der Jolle und das Eindringen in den Pulverturm“, sagte Ben. „Wir können uns dabei nicht allein auf den Schutz der Dunkelheit verlassen. Das reicht nicht aus. Der Trupp, der in das Befestigungswerk vordringt, braucht zusätzliche Sicherheit.“

      „Da hilft nur Ablenkung“, sagte Big Old Shane, und die übrigen Männer nickten beipflichtend.

      „Also werden wir im Hafen wieder ein bißchen zündeln“, sagte Le Testu mit breitem Grinsen. „Das hat beim erstenmal prächtig geklappt.


Скачать книгу