Seewölfe - Piraten der Weltmeere 598. Burt Frederick

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 598 - Burt Frederick


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keine andere Menschenseele war zu sehen. Nichtsdestoweniger mußten die Frauen handfeste Gründe für ihr Verhalten haben. Davon war Stenmark überzeugt.

      Weder Samantha Hogan noch die Braunäugige erweckten den Eindruck, daß sie sich über die Bedeutung jedes ihrer Schritte nicht vollständig im klaren waren. Samanthas Gefährtin stützte Rufus Halpine, indem sie seinen Arm hielt. Er hatte nicht das geringste dagegen einzuwenden, obwohl er längst ernüchtert und keineswegs mehr unsicher auf den Beinen sein mußte.

      Nach ungefähr dreißig Yards gab es eine große Lücke in der Reihe der sonst schmalgiebligen Häuser, die auch am Exeter Lane dicht an dicht standen. Die Lücke maß gut und gerne fünfzig Yards. Bäume und Sträucher, deren Zweige noch kahl waren, säumten die Straßenseite des Grundstücks und formten einen Eingang, der wie einer dieser italienischen Gärten aussah, die derzeit in den noblen Londoner Kreisen große Mode waren.

      Durch das Gewirr der dürren Zweige schimmerte Licht. Beim Näherkommen sah Stenmark, daß es sich um Laternen handelte, die eine hellgraue, fast weiße Gebäudefassade beleuchteten. Es war ein hochherrschaftliches Bauwerk, aus edelstem Sandstein errichtet und dadurch aus der Masse des Tudor-Fachwerks herausragend.

      Sie überquerten die Gasse und betraten den Garten, der im Sommer vermutlich kaum noch etwas von dem Haus sehen ließ. Stenmark spürte die Erleichterung der beiden Frauen. Ihre Haltung war weniger angespannt.

      Samantha Hogan musterte ihn von der Seite. Er wandte den Kopf, und ihre Blicke begegneten sich. In der schwachen Helligkeit der Laternen sah Stenmark ihr Erröten. Rasch blickte sie wieder nach vorn – wie ein kleines Mädchen, das bei einem Streich ertappt worden war.

      Er brach das Schweigen. „Sind Sie Engländerin, Madam?“

      Aus ihrem erneuten Seitenblick schloß er, daß sie froh darüber war, wie er ihr über den für sie peinlichen Moment hinweghalf.

      „Ja“, antwortete sie leise und gar nicht mehr so energisch wie im ersten Augenblick ihrer Begegnung. „Warum fragen Sie?“

      „Sie sehen hinreißend aus. Wie eine Spanierin. Oder eine Italienerin.“

      „Süßholzraspler!“ Sie lachte und errötete diesmal nicht.

      „Nein, ich meine es ernst.“

      Samantha sah ihn aus leuchtenden Augen an. „Grisina ist Italienerin, meine Freundin.“ Sie deutete mit einer Handbewegung auf die Braunäugige, die bereits den Hauseingang erreichte und Halpine hinter sich herzog. „Grisina Musante. Sie ist waschechte Italienerin, obwohl sie nun wirklich nicht so aussieht. Sie ist die Tochter eines italienischen Kaufmanns, dem bis vor kurzem eine Handelsagentur in London unterstand. Grisina hat sich schon vor zwei Jahren von ihrer Familie losgesagt. So lange arbeiten wir beide bereits für Esther Ransom. Jetzt, als ihre Eltern und Geschwister nach Mailand zurückgingen, blieb Grisina allein in London. Es ist ihr nicht leichtgefallen, aber bei Esther haben wir alle ein neues Zuhause gefunden.“

      „Warum erklären Sie das einem Trunkenbold?“

      „Wie bitte? Wie – wie können Sie so etwas sagen?“

      „Aber Sie halten mich doch für einen Säufer. Oder etwa nicht?“

      „Das war nur zu Anfang. Jetzt weiß ich es besser.“ Samantha blieb unter dem schmalen Säulenvordach stehen. Sie lächelte auf einmal, als sie den blonden Mann ansah. „Jetzt habe ich das Gefühl, daß Sie sich ein bißchen einschleichen wollen, Mister Stenmark.“

      „Warum schicken Sie mich dann nicht weg?“

      Ihr Blick bemächtigte sich des seinen und ließ ihn nicht mehr los. Ein zarter Schleier schien sich über ihre dunklen Augen zu senken, und doch verlor ihr Blick nichts an Intensität. „Würden Sie sich denn einfach wegschicken lassen, Mister Stenmark?“

      „Nein“, erwiderte er mit belegter Stimme. „Und lassen Sie um Himmels willen den Mister weg. Das Sie halte ich auch für überflüssig. Seeleute haben keine Zeit für so überflüssiges Wortgestelze.“

      „Verzeihung. Im Umgang mit Trunkenbolden haben wir es uns angewöhnt, vorsichtig zu sein.“ Samantha sagte es verschmitzt und augenzwinkernd. „Manchmal weiß man nicht, wie diese Kerle reagieren. In ihrem Zustand sind sie oft die reinsten Mimosen. Und entsprechend gefährlich.“

      Die Stimme der Italienerin erklang aus der Eingangshalle des großen Hauses. „Samantha, wo bleibst du denn?“

      Die Schwarzhaarige reagierte nicht. Sie blickte unverwandt zu Stenmark auf und sagte leise: „Nun, ich möchte auch das Wort Madam nicht mehr hören. Und was das Sie betrifft …“

      „Wir sollten Grisina und dieses wandelnde Whiskyfaß nicht warten lassen“, entgegnete Stenmark ebenso gedämpft. „Ich bin sicher, ich werde gleich erfahren, was es mit der rätselhaften Esther auf sich hat.“

      Samantha nickte. Kurz entschlossen nahm sie seine Hand und zog ihn mit sich. Stenmark spürte eine kribbelnde Wärme, die von ihrer zarten Hand ausging, in seinem Arm hochstieg und bald seinen ganzen Körper erfüllte.

      Hölle und Teufel, er hatte Mühe, sich überhaupt auf seine Umgebung zu konzentrieren. Wenn ihn nicht alles täuschte, verdankte er es diesem schottischen Saufbold, daß er in einen Zauber verfallen war, wie er ihn noch nie erlebt hatte.

      Dieser Zauber hatte die Gestalt einer südländischen Schönheit, war jedoch Engländerin und hieß Samantha Hogan.

      Er blickte auf ihre schmale, aber kräftige Hand, die ihn so zielstrebig führte. Samantha war es gewohnt, Männer zu lenken. Männer wie Rufus Halpine jedoch. Stenmark empfand es nicht als Gängelei. Diese zauberhafte junge Lady erweckte den Eindruck, daß sie stolz war, ihr Reich vorzeigen zu können.

      „He, Nordmann!“ rief Halpine grunzend und sah ihn blinzelnd, mit vorgerecktem Klotzkopf an. „Willst doch wohl keine vertraulichen Gespräche führen, was? Daß du mir nicht anfängst, mit unserem Engel Samantha herumzuturteln! Die Ladys sind für alle da, verstanden?“ Er hob gespielt tadelnd den Zeigefinger der freien Hand.

      „Entweder bist du zu nüchtern“, entgegnete Stenmark grinsend, „oder du siehst schon wieder Gespenster – jene die aus dem Wasser des Lebens entspringen.“

      „Uisge Beatha!“ rief Halpine schwärmerisch und mit einer ausladenden Handbewegung. „Uisge Beatha, mein Freund, weißt du, was das heißt? Uisge Beatha ist Keltisch und heißt …“

      „Wasser des Lebens“, sagte Grisina Musante energisch und zog ihn weiter. „Wenn du sonst nichts weißt – das weißt du. Brauchst uns nicht zu erzählen, daß von Uisge Beatha das englische Wort Whisky abstammt. Und alle Völker dieser Erde beanspruchen anscheinend für den Fusel, den sie brennen, daß er das Wasser des Lebens sei. Es ist das Gebräu des Todes, Rufus Halpine!“ Ihre energische Stimme hallte von den holzgetäfelten Wänden wider. „Eines Tages wirst du das begreifen, wenn du röchelnd daliegst und dein erbärmliches Leben im Suff aushauchst!“

      Halpine zog den Kopf tiefer zwischen die Schultern und drehte sich verstohlen zu Stenmark um. Aber der Schwede war vollauf damit beschäftigt, Samanthas tiefen Blick zu erwidern, und so blieb dem bulligen rotblonden Mann nichts anderes, als willig an Grisinas Seite dahinzutrotten. Die Schritte der Italienerin verursachten ein rhythmisches Pochen voller Entschlußkraft.

      Aus der Eingangshalle führte je ein Korridor nach links und nach rechts, außerdem eine breite, geschwungene Treppe ins Obergeschoß. Es fehlte der Luxus, der früher in diesem Bürgerhaus vorgeherrscht haben mußte. Der Fußboden bestand aus einfachen dunklen Steinplatten, nur noch die Holztäfelung der Wände erinnerte an den mutmaßlichen Glanz früherer Zeiten.

      Statt kristallener Kronleuchter und kostbaren Messinglampen gab es lediglich einfache gußeiserne Lampengehäuse, die an den Wänden befestigt waren. An den Türen der vielen Zimmer waren Ziffern aus hellem Holz festgeleimt. Stenmark meinte, aus einigen dieser Zimmer heisere, lallende Stimmen zu hören. Wegen der Schrittgeräusche war er jedoch nicht sicher.

      Grisina strebte in dem Korridor zur Linken voran. Rufus Halpine erinnerte


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