Seewölfe - Piraten der Weltmeere 526. Frank Moorfield

Читать онлайн книгу.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 526 - Frank Moorfield


Скачать книгу
sind in unserer Reichweite“, sagte der grauhaarige ehemalige Schmied der Feste Arwenack.

      Der Seewolf nickte.

      „Gut so. Ihr könnt loslegen.“

      Die beiden Bogenschützen, die im Umgang mit ihren Langbogen geradezu unheimliche Fertigkeiten erlangt hatten, grinsten. Mit geübten Griffen drückten sie die Spitzen ihrer Pulverpfeile in die glühende Holzkohle, die für sie sowie für alle Geschütze in kleinen Becken bereitstand. Dann bliesen sie kurz darauf und spannten ihre Bogen.

      Sekunden später zischten die Pfeile von den Sehnen und begannen durch den Luftzug verstärkt zu glimmen. Fast gleichzeitig bohrten sich die lautlosen Geschosse in das noch verbliebene Segel der Piratendschunke.

      Bis jetzt hatte das die Chinesen wenig beeindruckt. Pfeile hatten sie schließlich selber, und sie hätten auch ihrerseits Brandpfeile eingesetzt, wenn sie nicht vorgehabt hätten, das große Schiff zu entern. Eine brennende Beute würde ihnen jedoch das Geschäft verderben.

      Als aber die Pulverladungen der beiden Pfeile mit lautem Krachen explodierten, ruckten ihre Blicke nach oben. Und da erkannten sie die Bescherung: Die Mattensegel waren weitgehend zerfetzt worden und begannen sofort zu brennen. Das Material, aus dem sie bestanden, war genau die richtige Nahrung für das Feuer, das mit rasender Geschwindigkeit um sich griff.

      Kaum hatten sie jedoch begriffen, was geschehen war, da zischten bereits zwei weitere Pulverpfeile von dem fremden Schiff herüber und setzten das bereits begonnene Werk fort.

      Rasch um sich greifendes Feuer an Bord – davor hatten selbst abgebrühte Piraten höllischen Respekt. Und da im Handumdrehen die gesamte Takelage in lodernden Flammen stand, war es kein Wunder, daß urplötzlich ein Durcheinander auf der Dschunke herrschte.

      Die Schnapphähne schienen zunächst ratlos zu sein. Überall Gebrüll, Hektik und Panik. Mit Pützen wurde Wasser an Bord geholt, aber da die Hauptbrandherde noch hoch über dem Deck lagen, war damit nicht viel auszurichten. Innerhalb kürzester Zeit lief die Dschunke aus dem Ruder – und das, nachdem sie der „Santa Barbara“ schon ziemlich dicht aufgesegelt war.

      Aber es sollte den Chinesen noch Schlimmeres bevorstehen.

      Ferris Tucker trat an die Heckbalustrade der „Santa Barbara“ und entzündete die Lunte einer selbstkonstruierten Flaschenbombe. Dann holte er weit aus und schleuderte das Geschoß, in dem einst hervorragender spanischer Rotwein abgefüllt war, kraftvoll und in hohem Bogen auf die Dschunke hinüber.

      Die Explosion, die dann folgte, ließ die Piraten ihre Gier nach Beute völlig vergessen. Der gefährliche Inhalt der Flasche stob mit ungeheurer Wucht in alle Richtungen auseinander und verwüstete nicht nur das Deck, sondern sorgte auch bei den Piraten für erhebliche Verluste.

      Hinzu kamen zwei weitere Drehbassenschüsse, die Old Donegal und der Kutscher abfeuerten, und diese gaben der kleinen Dschunke gewissermaßen den Rest. Bald glich das jetzt steuerlos treibende Wrack einer brennenden Fackel. Den Schnapphähnen blieb nur noch der Weg über Bord.

      In fieberhafter Eile brachten sie ihre Boote zu Wasser oder sprangen gleich über Bord. Sie wollten jetzt möglichst weit weg von ihrem Schiff, denn das Feuer würde irgendwann auch die Pulvervorräte erreichen, und dann würde erst richtig die Hölle losbrechen.

      „Na also“, sagte Ferris Tucker, „jetzt scheinen sie die Nasen wirklich voll zu haben. Verrückt, daß manche Beutelschneider ihr Spiel immer erst auf die Spitze treiben müssen.“

      Der Seewolf ließ sofort die Segel nachtrimmen, um die „Santa Barbara“ auf volle Fahrt zu bringen, denn wenn die brennende Dschunke in die Luft flog, war auch sein Schiff gefährdet.

      Für die Arwenacks war der Fall damit erledigt. Die Chinesen waren jetzt voll mit sich selber beschäftigt. Der Appetit auf Beute war ihnen vergangen, sie hatten mit dem Feuer gespielt und sich kräftig die Finger verbrannt.

      Die Seewölfe waren sich darüber im klaren, daß es sich nur um ziemlich kleine Dschunken gehandelt hatte. Mit größeren und besser armierten Schiffen, deren Mannschaften es wahrscheinlich besser verstanden hätten, mit Pulvergeschossen umzugehen, hätten sie weit größere Mühe gehabt.

      Die „Santa Barbara“ ging auf ihren ursprünglichen Kurs. Die gußeisernen Geschützrohre wurden gereinigt und die Spuren des Gefechts beseitigt. Lediglich die Drehbassen sollten laut Anordnung Philip Hasard Killigrews noch eine Weile besetzt bleiben, weil man in dieser Gegend nie so recht wußte, wann die nächsten Schnapphähne auftauchten. Gerade die großen Schiffe der „fremden Teufel“, wie die Chinesen die Europäer oft zu bezeichnen pflegten, waren besonders begehrte Objekte, weil es dort in der Regel weit mehr zu holen gab als auf ärmlichen Fischerdschunken.

      Carberry, der seine Drehbasse an Luke Morgan übergeben hatte, rieb sich zufrieden das stoppelbärtige Kinn.

      „Diesen Rübenschweinen haben wir wirklich gründlich die Zöpfe abgeschnitten“, meinte er. „Ich laß mir von denen doch nicht die Hose wegnehmen, ohne mich zu wehren!“

      Über das verwitterte Gesicht Old Donegals huschte ein Grinsen.

      „Glaubst du wirklich, daß die Gelbmäuler auf diesen zerknautschten Fetzen wild waren?“

      Der Kutscher fügte hinzu: „Warum eigentlich nicht? Schließlich hätte die ganze Dschunkenbesatzung darin Platz gehabt.“

      Die Arwenacks lachten, zumal der Profos damit drohte, dem alten O’Flynn das Holzbein abzuschnallen und es als Brennholz zu benutzen. So langsam kehrte wieder Ruhe an Bord der „Santa Barbara“ ein – bis die Stimme Philip juniors über die Decks tönte.

      „Backbord voraus treibt jemand auf einer Gräting!“

      Die Männer blickten sofort in die genannte Richtung. Zahlreiche Trümmerstücke der gesunkenen ersten Dschunke trieben dort noch im Wasser.

      Tatsächlich – eine kleine, schmale Gestalt hatte sich auf eine Gräting gezogen und hielt sich krampfhaft daran fest.

      „Da hat doch einer dieser plattfüßigen Heringe den Anschluß verpaßt“, sagte Carberry und deutete auf das Boot mit den flüchtenden Piraten, das sich schon ein ziemliches Stück entfernt hatte, weil die Kerle wie die Teufel pullten.

      „Das ist kein Mann“, sagte Dan O’Flynn. „Wenn ich mich nicht täusche, ist es eine Frau.“

      „Sehr geistreich“, erwiderte sein Alter. „Wenn es kein Mann ist, muß es ja wohl ein Weibsbild sein. Vielleicht ist es eine Windbraut!“

      Der Seewolf hob das Spektiv ans Auge.

      „Dan scheint recht zu haben“, sagte er nach wenigen Augenblicken. „Außerdem scheint die Gestalt völlig entkräftet zu sein. Wenn wir ein Tau runterlassen, wird das nicht viel helfen. Am besten, wir fieren ein Boot ab und holen sie erst mal an Bord.“

      Das war für die Mannen auf der „Santa Barbara“ eine Selbstverständlichkeit. Eine Frau hilflos im Wasser treiben zu lassen, gehörte wahrlich nicht zu ihren Gewohnheiten.

      Nachdem sie das Boot abgefiert hatten, wurde es mit Dan O’Flynn, Philip junior, Bill und Carberry bemannt. Die Männer stießen sich mit den Riemen von der Bordwand der „Santa Barbara“ ab und erreichten bald darauf die treibende Gräting mit ihrer menschlichen Fracht.

      „Das ist ja wirklich ein Weibsbild, und ein verdammt junges sogar!“ sagte der Profos verblüfft. „Bei des Teufels Großmutter – hatten die Schnapphähne denn Weiber an Bord, was, wie?“

      Die Männer zuckten mit den Schultern.

      „Das kann uns die Lady vielleicht selber sagen“, meinte Dan. „Aber zunächst wollen wir sie mal aus dem Wasser fischen.“

      Das war für die Arwenacks kein Problem. Mit einem Bootshaken wurde die Gräting herangeholt und die triefend nasse Gestalt, die ihnen eine schmale, zitternde Hand entgegenstreckte, ins Boot gezogen.

      Es handelte sich in der Tat um ein ziemlich junges Mädchen. Die Arwenacks schätzten es auf höchstens


Скачать книгу