Seewölfe - Piraten der Weltmeere 486. Davis J.Harbord

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 486 - Davis J.Harbord


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Wolke durchs Himmelstor gesegelt, und erbleichend hatte der Rauschebart vernommen, was ihm von dem Papagei zugerufen worden war – ein furchtbares Wort, nämlich: „Affenarsch!“

      Zwar hatte das narbige Ungetüm sein „Sir Jöhnchen“ sofort getadelt, aber dabei auch unverschämt gegrinst. Und der alte Schrat mit dem Holzbein hatte wie ein Ziegenbock gemeckert.

      So waren sie damals eingezogen. Jetzt zogen sie wieder aus. Der Rauschebart hatte das Himmelstor weit geöffnet, um den langen schlanken Bootskörper hindurchzulassen, der vom Arsenal herüberschwebte. Es war ein silbriger Rumpf in geschmeidiger Fischform. Die himmlischen Heerscharen bildeten Spalier und winkten dem Silberfisch zu, auf dessen schmalem Oberdeck die auserwählte Mannschaft angetreten war, am rechten Flügel das Profos-Ungeheuer, den Papagei auf der rechten Schulter. Auf dem Turm des Silberfischs standen der Kapitän und sein Stab.

      „Ed, bitte ausklarieren!“ rief Philip Hasard Killigrew.

      „Aye, Sir, ausklarieren!“

      Und der Profos schwebte zu dem Logenfenster, durch das der Rauschebart schaute.

      „‚U-Isabella‘ wie befohlen klar zur himmlischen Fahrt erdwärts, Sir!“ meldete der Profos und legte zwei Finger grüßend an die Stirn. „Bitten, passieren zu dürfen.“

      „Wenn das nur gutgeht“, brummte der Rauschebart und fixierte den Papagei, der mit dem Kopf ruckte und ihn anplierte, als sei er eine besonders schöne Erdnuß.

      „Sir Jöhnchen!“ mahnte der Profos. „Sei heute bitte mal still und laß deine vorlauten Bemerkungen.“

      Sir Johnchen war anderer Ansicht und krakeelte: „Luv an, Gevatter! Hepp-hepp und hopp und Himmel-Arsch-und-Wackelpudding …“

      „Passieren!“ knirschte der Rauschebart.

      „Sir“, sagte der Profos treuherzig. „Er meinte nicht Arsch, sondern Barsch, aber das ‚B‘ vergißt er leider immer. Dabei übe ich ständig mit ihm. Ist er nicht ein liebes Kerlchen?“ Er schielte auf seine rechte Schulter, wo Sir Jöhnchen hockte und den Kopf wie einen Korkenzieher verdrehte.

      Der Rauschebart ignorierte die Frage.

      „‚U-Isabella‘ kann passieren“, sagte er noch einmal.

      „Danke, Sir“, sagte Carberry und salutierte eckig, was Sir Jöhnchen irritierte, weil der Profos dabei die rechte Schulter hochruckte.

      Und schon folgte eine Tirade keineswegs lobesamer Ausdrücke, und bei jeder Nennung zuckte der Rauschebart zusammen, raufte denselben und verdrehte die Augen. Zuletzt knallte er einfach das Logenfenster zu.

      „Ein feiner Abschied“, murmelte der Profos. „Nicht mal gute Fahrt hat er uns gewünscht.“

      „Ach Gottchen, ach Gottchen!“ zeterte das liebe Kerlchen.

      „Du sagst es.“ Der Profos seufzte und schwebte zum Silberfisch zurück. „Können passieren, Sir!“ meldete er.

      Philip Hasard Killigrew zeigte klar und rief etwas in den Turm hinunter. Sekunden später war nur ein leises Zischen zu hören. Mit einem leichten Neigungswinkel schoß der Silberfisch erdwärts.

      Der Frachter stand südlich der Kapverdischen Inseln und steuerte auf Südostkurs ein Ziel an, das nur der Kapitän und der Genosse Kommissar kannten. Es war ein südwestafrikanischer Staat.

      Die Sonne hatte den Zenit überschritten. Etwas Wind kräuselte von Osten her den Atlantik und schrubbte ein paar Schaumköpfe hervor.

      Der Kapitän saß in der Backbordnock der Brücke – ein spitzbärtiger Mann mit gebräunter Hautfarbe. Er döste.

      Es war der 23. Mai 2009.

      Der Kapitän döste auch noch, als sein Schiff den Südostkurs verließ und in einem sanften Bogen nach Norden hochdrehte.

      Etwa fünfzehn Sekunden später brüllte der Rudergänger, der an der elektrischen Druckknopfsteuerung im Brückenhaus stand: „Ruderversager!“

      Der Kapitän fuhr von dem Klapphocker in der Brückennock hoch und blickte sich um. Irritiert starrte er nach achtern. Das Kielwasser seines Schiffes beschrieb einen sauber gezirkelten Halbkreis, der sich zu einem Kreis zu schließen begann. Das Schiff drehte über Nord nach West, Südwest, Süd, Südost …

      „Beide Maschinen stopp!“ schrie der Kapitän.

      Aus dem Brückenhaus ertönte das Schrillen einer Glocke und brach abrupt ab.

      Dafür brüllte der Rudergänger: „Der Kompaß! Der Kompaß spielt verrückt!“

      Der Kapitän stürzte ins Brückenhaus. Sein Blick streifte den Rudergänger. Der war schneeweiß und stierte mit hervorquellenden Augen auf den Kreiselkompaß. Die Nadel rotierte um ihre Achse, mehrere Male, auf Nord blieb sie plötzlich stehen, ruckte dann aber auf Süd und verharrte dort. Jetzt wirkte sie, als sei sie festgefroren.

      Der Rudergänger und der Kapitän starrten sich an, blickten wieder auf den Kompaß, und der Kapitän schüttelte den Kopf.

      „Was ist denn hier los?“ sagte der Kapitän. Seine Stimme klang brüchig.

      Aus dem Maschinenraum meldete sich die Stimme des Ersten Maschinisten, der jetzt die Wache hatte.

      „Brücke?“ In der Stimme schwang Panik.

      Der Kapitän sprang an das direkte Sprachrohr, das in den Maschinenraum führte.

      „Hier Brücke! Was ist los, Valdez?“

      Die Stimme des Ersten Maschinisten tönte aus dem Lautsprecher im Brückenhaus. „Sie haben doch die Maschinen stoppen lassen, nicht wahr, Kapitän?“

      „Ja!“

      „Verdammt, aber die Johnnies stoppten schon vorher – ohne Ihren Befehl, Kapitän. Einfach so.“ Die Stimme wurde besorgt. „Ist bei Ihnen da oben alles klar?“

      Der Kapitän starrte durch die Bulleyes das Brückenhauses auf der Steuerbordseite und zuckte zusammen. Auch der Rudergänger blickte in die Richtung. Er ächzte.

      Querab an Steuerbord, etwa zweihundert Yards entfernt, tauchten Turm und Rumpf eines U-Bootes auf.

      Der Kapitän ignorierte die Frage seines Ersten Maschinisten. Mit einem Satz verließ er das Brückenhaus und stürzte auf die Steuerbordseite der Brücke. Er riß das Glas hoch, das vor seiner Brust baumelte. Übergroß vor seinen Augen erschien der Turm des Bootes, ein längliches Etwas in silberner Farbe, stählern, Wasser perlte vom Turm, zwei Bulleyes glitzerten in der Sonne.

      Aus dem Lautsprecher im Brückenhaus quäkte die Stimme des Ersten Maschinisten und fragte zum zweiten Male, ob „da oben“ alles klar sei.

      Und der Rudergänger schrie: „Ein U-Boot!“

      „Ruhe!“ donnerte der Kapitän.

      Wie hypnotisiert stierte er durch das Glas zu dem Boot hinüber. Das drehte jetzt auf der Stelle, der lange, schlanke Rumpf schwang herum, Luftblasen quirlten achtern an die Wasseroberfläche, der Bug, schmal wie ein Messer, richtete sich auf den Frachter, dahinter ragte drohend der silberne Turm auf. Das Boot lag da wie ein zum Sprung bereites Raubtier.

      Dem Kapitän sträubten sich die Haare unter der speckigen Mütze. Er dachte an seine Fracht und spürte, wie Schweißperlen über sein Gesicht liefen. Ein Treffer mittschiffs – und sie wurden allesamt zu Staub zerblasen. Sie würden in einem grellweißen Blitz gen Himmel fahren – oder in die Hölle, falls es die gab.

      Der Kapitän ließ das Glas sinken und kniff die Augen zusammen. Das war alles nur ein phantastischer Traum. Es gab kein U-Boot, keinen Ruderversager, keinen verrücktspielenden Kompaß, keine Maschinen, die stoppten, ohne daß sie geschaltet wurden.

      Aber das U-Boot blieb. Es war keine Täuschung. Der Kapitän wandte den Kopf und blickte über das Deck nach achtern. Fast seine gesamte Besatzung stand auf der Steuerbordseite und starrte zu dem Boot hinüber. Die Männer sahen aus, als seien sie gegen ein Brett


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