Seewölfe - Piraten der Weltmeere 519. Burt Frederick

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 519 - Burt Frederick


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des Papageis noch nicht bemerkt hatten, sahen nun, wie sich der bunte Vogel aufplusterte und neben dem hoch aufragenden Kopf des Störs von einer Seite zur anderen wiegte, als müsse er die richtige Position erst noch finden.

      „Vogeldreck bringt Glück“, sagte Mike Kaibuk, das englische Schandmaul, und feixte dabei, daß seine Ohren wackelten.

      „Und die Haare wachsen besser!“ ließ sich der Wikinger dröhnend vom Achterdeck vernehmen, wo er in seinem „Sesselchen“ ruhte und die muskulösen Beine lang ausgestreckt hatte. „Paßt auf, Leute, ich wette, der Flattermann setzt ihm einen Fladen oben auf seinen Torfkopp – da, wo’s am besten düngt!“

      Die Männer grinsten und lachten, doch der Stör stand noch immer andächtig da und rührte sich nicht. Seine geweiteten Augen starrten nach wie vor in die Richtung, aus der Sir John herangesaust war.

      „Der hat wohl Angst vor dem Vieh“, flüsterte Muddi und rieb sich das Kinn mit einer Hand, deren Hautfalten schwarze Linien bildeten. Er galt als der dreckigste und einzige Schmierfink an Bord, und niemand hörte seine Bemerkung, da seine Nähe im allgemeinen aus Gründen der Geruchsbelästigung gemieden wurde.

      „Gleich knabbert er dem armen Stör was vom Ohr ab“, sagte Olig mit gespieltem Erschrecken.

      Der Mann mit dem langen Gesicht schien das alles nicht zu hören. Und niemand an Bord des Viermasters konnte sich einen Reim darauf bilden, was er wirklich dachte.

      Der Stör hätte auch keinem seiner Gefährten verraten, was er empfand. Am allerwenigsten dem Wikinger, der sich über ihn wieder mal vor Lachen ausgeschüttet hätte. Denn er war von Stolz erfüllt, von unbändigem Stolz. Sir John, der Ara-Papagei von Bord der „Isabella“, hatte sich für ihn, den Stör, entschieden!

      Ihm schenkte er sein Vertrauen, nachdem er sich entschlossen hatte, der Wuhling auf dem Schiff des Seewolfs vorübergehend zu entrinnen und dem Schwarzen Segler einen Besuch abzustatten. Tiere hätten eine empfindsamere Seele als jeder Mensch, hieß es immerhin.

      Verständlich also, daß sich Sir John nicht etwa zu so einem Ungetüm wie Thorfin Njal hingezogen fühlte.

      Der stumme Stolz des Störs steigerte sich zu einer Genugtuung, die ihn beinahe schwindlig werden ließ. Sir John schüttelte und plusterte sich von neuem, und sein Gefieder strich dabei über das rechte Ohr des Mannes, der sein Landeplatz war. Der Stör erschauerte vor Wohlbehagen und räusperte sich, um nun auch kundzutun, was ihn innerlich bewegte.

      „Herzlich willkommen an Bord, lieber Sir John“, sagte er laut und vernehmlich. „Freut mich, daß du dir den einzigen ausgesucht hast, dem du hier vertrauen kannst. Jeder andere würde wahrscheinlich versuchen, dir eine Feder auszureißen oder dir sonst was anzutun. Aber bei mir kannst du ganz unbesorgt sein. Ich freue mich über so einen netten kleinen Kerl wie dich.“

      „Affenarsch!“ krähte Sir John.

      Der Stör zuckte zusammen und erbleichte.

      „Affenarsch?“ wiederholte er fassungslos.

      Die Männer mußten sich den Mund zuhalten, um nicht loszuplatzen. Der Wikinger beugte sich interessiert vor und stützte sich dabei auf sein „Messerchen“.

      „Affenarsch!“ bestätigte der Papagei mit erhöhter Lautstärke.

      „Affenarsch“, sagte der Stör weinerlich und kopfschüttelnd in der Gewißheit, sich tatsächlich nicht verhört zu haben.

      „Was gibt denn das?“ brüllte der Wikinger. „Ein Dauerecho vielleicht?“

      „… Dauerecho vielleicht“, sagte der Stör, getreu seiner Angewohnheit, stets die letzten Worte Thorfins zu wiederholen.

      „Auf die Wanten, ihr Säcke!“ kreischte Sir John.

      „… Wanten, ihr Säcke!“ sagte der Stör.

      Auf dem Achterdeck richtete sich der Wikinger auf und kratzte sich am Helm. Keine Angetraute war da, die ihn deswegen zur Ordnung rufen konnte. Aber wahrscheinlich hätte er von Gotlinde ohnehin keine Notiz genommen, denn die sonderbare Zwiesprache da unten beim Großmast war das Verrückteste, was er je gehört hatte.

      „Hurtig, hurtig, oder ich teer’ euch den Scheitel, ihr Prielmäuschen!“ tönte Sir John.

      „… den Scheitel, ihr Prielmäuschen“, folgte es vom Stör.

      „Himmel, Armloch und Zwiebelkuchen!“

      „… und Zwiebelküchen.“

      „Springt der Stint aus der Pfanne!“

      „… Stint aus der Pfanne.“

      „Gelbgestreifte Sumpfhenne!“

      „… gestreifte Sumpfhenne.“

      Der Wikinger überwand seine Entgeisterung.

      „Aufhören!“ brüllte er. „Stehe ich auf meinen eigenen Schiffsplanken, oder träume ich? Oder was? Läßt sich hier ein ausgewachsener Kerl von einem Papagei das Sprechen beibringen? Ist denn das die …“

      Sie John kreischte schrill.

      „Aber er läßt mich ja nicht zu Wort kommen!“ schrie der Stör aufgebracht. „Hat eine viel zu schnelle Zunge, der Vogel!“

      Sir John reichte es. Mit schwerem Flügelschlag ergriff er die Flucht zurück auf die „Isabella“, wo es denn doch noch behaglicher war als auf dem Viermaster des behelmten Nordmannes.

      „Eben drum“, sagte der Wikinger grollend. „Von einer schnellen Zunge kannst du letzten Endes doch noch was lernen.“

      „… doch noch was lernen“, murmelte der Stör, und im nächsten Moment ergriff er die Flucht in Richtung Vorschiff, denn der Wikinger schickte sich an, mit drohend erhobenem „Messerchen“ auf die Kuhl abzuentern.

      Die röhrende Heiterkeit der Männer an Bord von „Eiliger Drache“ war auf der „Isabella“ in aller Deutlichkeit zu vernehmen. Sir John ließ sich unterdessen auf der vertrauten Schulter Edwin Carberrys nieder.

      Die geknurrte Bemerkung des Profos, er werde ihn nach dem nächsten derartigen Ausflug eigenhändig rupfen und dem Kutscher als Suppenhuhn in die Kombüse schmuggeln, konnte den Buntgefiederten keineswegs erschüttern.

      Ignacio Verduro frohlockte, als seine Prophezeiung in Erfüllung ging. Am liebsten hätte er seinen Triumph laut hinausgeschrien, aber einen solchen Freudenausbruch durfte er sich natürlich nicht leisten. Äußerste Vorsicht war geboten. Den Männern hatte er befohlen, sich völlig lautlos und nur in sicherer Deckung zu bewegen.

      Seit die beiden Schiffe in der Bucht vor Anker gegangen waren, mußte man damit rechnen, entdeckt zu werden.

      Verduro harrte gemeinsam mit Japato bei den Beobachtungsposten aus. Für die Männer im Schlupfwinkel bei den Schaluppen galt erhöhte Alarmbereitschaft. Zwar hatte Verduro längst einen Plan entwickelt, wonach er bei Dunkelheit angreifen würde. Eine Stunde vor dem ersten Wachwechsel war seiner Erfahrung nach der günstigste Zeitpunkt.

      Sollte allerdings ein unvorhersehbarer Umstand ein früheres Handeln erfordern, war man eben auch darauf vorbereitet. Obwohl Verduro nur den Rang eines Sargento gehabt hatte, konnte er durchaus taktische Überlegungen anstellen. Er war stolz darauf, den Offizieren einiges abgeschaut zu haben.

      Der Weg in den Offiziersrang war ihm nur deshalb versperrt gewesen, weil er nicht von Adel war. Verduro hatte stets gewußt, daß er jedem jungen Offiziersschnösel zehnfach überlegen war.

      Hinter dem schützenden Blattwerk des Dickichts fühlte er sich absolut sicher. Das Versteck der Beobachter lag gut zwanzig Yards oberhalb der Bucht. Bis hierher würde kein Erkundungstrupp vordringen.

      Dennoch zog Verduro angespannt die Brauen zusammen, als an Bord des Viermasters Vorbereitungen getroffen wurden, ein Beiboot abzufieren. Erst jetzt, nachdem die Segel aufgetucht waren, fiel der Blick ungehindert auf das Achterdeck des großen Schiffes.

      Verduro blinzelte ungläubig.


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